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Vorstufen.

Wie fast alle bedeutenden Dome Italiens, mufs auch der Mailänder als eine Schöpfung
der Stadtgemeinde gelten. Allein es war selbstverständlich, dafs der Fürst sich an die
Spitze dieses Unternehmens stellte, welches seinem Lande das architektonische Wahrzeichen
schaffen sollte. Giangaleazzo hat den Dom nicht gestiftet, aber ohne seine glänzende Frei-
gebigkeit und sein entscheidendes Eingreifen wäre die schnelle Förderung des Planes in
den ersten Jahrzehnten unmöglich gewesen. Sein Verhältnifs zum Dombau wird am rich-
tigsten durch die Worte des Erzbischöflichen Erlasses vom September 1387 bezeichnet:
,,qui etiam ad huiusmodi fabricam gratanter suas manus porrexit adjutrices.“4)
Anders freilich ist sein Antheil an der Certosa von Pavia. In der Geschichte
des Domes geht der Aufruf des Erzbischofs Antonio da Saluzzo (12. Mai 1386)1 2) zu Spenden
für den Bau dem ersten von Giangaleazzo selbst unterzeichneten Schriftstück (12. October)
um fünf Monate voraus; von der Certosa dagegen sprach und schrieb Giangaleazzo schon
lange, bevor der Grundstein gelegt wurde.3 4) Der bescheidene, in ihrem Testament vom
9. Januar 1390 ausgesprochene Wunsch seiner Gemahlin Caterina, an einem ihrer Lieblings-
plätze im Pavesischen Gebiet ein Kloster für zwölf Karthäusermönche zu errichten, wuchs
unter der Initiative ihres Gatten zu einem Unternehmen von weittragender Bedeutung an.
Schon 1392 beginnen Giangaleazzos reiche Schenkungen an Land und Einkünften. Es
sind rein persönliche Gaben. Der Stammsitz seines Geschlechts, sein Jagdgefilde, der
„Barco di Pavia“, bietet den Baugrund. Für sich selbst wollte er in seiner Residenz
„einen Palast zur Wohnung, einen Garten zur Erholung“, aber auch „eine Capelle zur
Andacht“. Zur Grabkirche seiner Familie war diese ausersehen. Und nicht nur dem
Ruhme seines Hauses sollte das Werk dienen, sondern mittelbar auch dessen Sicherheit.
Auch hier spielt seine politische Klugheit mit hinein, welche die Gefahr eines Wettstreites
zwischen den beiden Hauptstützen seiner Dynastie, Mailand und Pavia, sehr wohl erkannte,
und sich das erst seit kurzem nicht ohne energischen Widerstand von seinem Vater
Galeazzo II. für die Visconti gewonnene und zur Residenz erhobene Pavia durch einen
prächtigen Kirchenbau in seiner Nähe nicht minder verpflichten mufste, wie Mailand selbst
durch die Förderung des Domes. Jedenfalls vollzog er bei der feierlichen Grundsteinlegung
der Certosa am 27. August 1396 weit unbedingter eine persönliche That, als mit dem zehn
Jahre zuvor unterzeichneten Erlafs für den Mailänder Dom, und in diesem Sinne gewinnt
es auch für die individuelle Charakteristik Giangaleazzos Bedeutung, dafs sich auch bei der
Certosa das künstlerische Ideal, freilich erst lange nach ihm verwirklicht, von Anbeginn
über alles bisher Dagewesenc erhob. „So hehr und gewaltig, wie nur immer möglich“,
—- „quam magis notabile poterimus“ — soll das neue Kloster werden,4) ein Werk, dem
auf Erden nichts gleichkommt: „non erit in Orbe simile!“
Das Castell von Pavia endlich empfing von Giangaleazzo neben dem Ruhm seines
Namens und dem Glanz, welchen er seiner Hofhaltung verlieh, reichen künstlerischen
Schmuck an Malereien, an kostbaren Stoffen, an Gold und Silberwerk, geschaffen aber
wurde es nicht durch ihn, sondern durch seinen Vater Galeazzo II., und keineswegs als
Stätte strahlender Feste und aller Bedürfnisse eines verfeinerten Culturlebens, sondern
zunächst als Festung, als Waffenkammer, als Gefängnifs! Mit der Erbauung des Castells
1360 — 65 wurde der Untergang der Freiheit Pavias (1359) besiegelt. — Dafs aus der
Zwingburg jedoch sogleich ein Fürstenschlofs, und aus der unterworfenen Commune so
bald eine zufriedene Residenzstadt wurde, ist ebenfalls höchst bezeichnend für die Stel-
lung der Visconti und hierbei freilich vor allem wiederum für die Persönlichkeit Gianga-
leazzos. — Königliche Gröfse spricht, wie aus seinen politischen, so auch aus seinen
baulichen Unternehmungen, und nicht nur, wo dieselben für seine eigenen Bedürfnisse

1) Vergl. Annali della Fabbrica del Duomo di Milano dall’ origine fino al presente. Veröffent-
licht von der Bauverwaltung 1877—1885 in sechs Büchern nebst zwei Bänden: „Appendici“ und einem
Generalregister. Vorrede und Erläuterungen von Cesare Cantü. App. I. S. 214.
2) Annali, Appendici. I. Documenti S. 211 f.
3) Vergl. zum Folgenden die geistvollen Ausführungen von Beltrami, Storia documentata della
Certosa di Pavia. I. La Fondazione. Milano 1896. Besonders Cap. III S. 34 ff.
4) So schreibt er am 20. November 1394 an die Commune von Siena.
 
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