Filarete in Rom.
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ebenfalls reichlich genug, gesellt sind. — Allein der Inhalt ist hier überall ,,antikischer“
als die Form. Verräth doch schon die ganze Auffassungsweise der decorativen Aufgabe,
die noch so kleinlich in einem wirren Nebeneinander, im Sinne rein kunstgewerblicher
Zierart gelöst wird, eine starke Befangenheit, einen deutlichen Nachklang an mittelalter-
liche Art, den man auch in den formalen Details selbst noch oft wahrnimmt. In seiner
Formenwelt an sich bleibt Filarete hier noch auf der Schwelle der Renaissance und dringt
kaum weiter vor, als in Florenz Niccolö d’Arezzo
und Nanni di Banco an ihrem Domportal schon viel
früher gelangt waren.
Vergleicht man diese Formenwelt mit der-
jenigen, die um 1450 in Mailand eingebürgert war, so
erhellt, dafs die dortige Sculptur von diesem Bildner
weniger eine Förderung ihres formalen Könnens, als
eine Bereicherung ihrer Motive durch die antike Stoff-
welt — diese allerdings in ausgedehntem Mafse —
empfangen konnte; dafs ferner aber für die bauliche Deco-
ration und das Ornament „antiken Stiles“ kein Sendbote
Mittelitaliens gröfsere Begeisterung mitbringen konnte,
als er. In äufseren Hemmnissen mufs der Grund zu
suchen sein, wenn Filaretes Mailänder Wirksamkeit in
diesem Sinne nicht ganz erfüllte, was seine römische
versprach, und in der That läfst sich dies noch heute
unschwer erkennen. Schon der Beginn seiner Mailänder
Laufbahn erscheint ungünstig: von Anfang an hatte
der Ausländer den einheimischen Meistern gegenüber
einen schweren Stand. —
Künstler hervorragenden Namens sind an die
Fürstenhöfe des 15. Jahrhunderts mindestens gleich
häufig als Ingenieure und Constructeure für den forti-
ficatorischen Theil der Bauten berufen worden, wie als
Architekten, Bildhauer und Maler für deren decorative
Ausschmückung. Filarete jedoch, der in seinem „Trac-
tate“ die Befestigungsbauten so eingehend bespricht,
erscheint bei dem ersten Werk, an welchem er in
Mailand betheiligt ist, beim Neubau des Castells vor
Porta Giovia,1) lediglich als Vertreter des künst-
lerischen Princips, während als Architekten und In-
genieure Jacopo da Cortona und Pietro Cernuscolo
fungiren. Freilich hatte die Decoration hier noch
einen besonderen, gewissermafsen politischen Zweck:
galt es doch, den gegen die Stadt selbst gerichteten
starken Befestigungen des Castells den rein festungs-
artigen Charakter möglichst zu nehmen.2) Diese Ab-
sicht erklärt vielleicht auch, warum der sonst ja keines-
wegs so kunstsinnige und noch weniger verschwen-
Abb. 53.
Randornament von der Broncethür
Filaretes an der Peterskirche
in Rom.
dorische Sforza hier wenigstens zunächst selbst gegen
seine eigenen Baumeister die mehr künstlerische, von Filarete vorgeschlagenc Lösung
bevorzugte — freilich, ohne ihre vollständige Durchführung zu veranlassen. Filarete hatte
1) Vergl. zum Folgenden besonders: Beltrami, La torre del Filarete nella fronte del Castello
di Porta Giovia verso la cittä. Milano 1889 und II castello di Milano. Milano 1894. Cap. III. S. 99 ff.
und S. 607 ff. nebst den dortigen älteren Abbildungen, die von Beltrami in geistvoller Weise bei der
Reconstruction benutzt worden sind.
2) Auch an den Restaurationsarbeiten des alten Viscontipalastes des „corte ducale“ neben dem
Dom, welche Francesco Sforza „aus klug berechneter Pietät“ anordnete, war Filarete später (1458) thätig,
vergl. v. Oettingen. Anmerkungen zum Tractät S. 690 u. Biogr. S. 35. Im Tractat selbst S. 58 erwähnt.
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ebenfalls reichlich genug, gesellt sind. — Allein der Inhalt ist hier überall ,,antikischer“
als die Form. Verräth doch schon die ganze Auffassungsweise der decorativen Aufgabe,
die noch so kleinlich in einem wirren Nebeneinander, im Sinne rein kunstgewerblicher
Zierart gelöst wird, eine starke Befangenheit, einen deutlichen Nachklang an mittelalter-
liche Art, den man auch in den formalen Details selbst noch oft wahrnimmt. In seiner
Formenwelt an sich bleibt Filarete hier noch auf der Schwelle der Renaissance und dringt
kaum weiter vor, als in Florenz Niccolö d’Arezzo
und Nanni di Banco an ihrem Domportal schon viel
früher gelangt waren.
Vergleicht man diese Formenwelt mit der-
jenigen, die um 1450 in Mailand eingebürgert war, so
erhellt, dafs die dortige Sculptur von diesem Bildner
weniger eine Förderung ihres formalen Könnens, als
eine Bereicherung ihrer Motive durch die antike Stoff-
welt — diese allerdings in ausgedehntem Mafse —
empfangen konnte; dafs ferner aber für die bauliche Deco-
ration und das Ornament „antiken Stiles“ kein Sendbote
Mittelitaliens gröfsere Begeisterung mitbringen konnte,
als er. In äufseren Hemmnissen mufs der Grund zu
suchen sein, wenn Filaretes Mailänder Wirksamkeit in
diesem Sinne nicht ganz erfüllte, was seine römische
versprach, und in der That läfst sich dies noch heute
unschwer erkennen. Schon der Beginn seiner Mailänder
Laufbahn erscheint ungünstig: von Anfang an hatte
der Ausländer den einheimischen Meistern gegenüber
einen schweren Stand. —
Künstler hervorragenden Namens sind an die
Fürstenhöfe des 15. Jahrhunderts mindestens gleich
häufig als Ingenieure und Constructeure für den forti-
ficatorischen Theil der Bauten berufen worden, wie als
Architekten, Bildhauer und Maler für deren decorative
Ausschmückung. Filarete jedoch, der in seinem „Trac-
tate“ die Befestigungsbauten so eingehend bespricht,
erscheint bei dem ersten Werk, an welchem er in
Mailand betheiligt ist, beim Neubau des Castells vor
Porta Giovia,1) lediglich als Vertreter des künst-
lerischen Princips, während als Architekten und In-
genieure Jacopo da Cortona und Pietro Cernuscolo
fungiren. Freilich hatte die Decoration hier noch
einen besonderen, gewissermafsen politischen Zweck:
galt es doch, den gegen die Stadt selbst gerichteten
starken Befestigungen des Castells den rein festungs-
artigen Charakter möglichst zu nehmen.2) Diese Ab-
sicht erklärt vielleicht auch, warum der sonst ja keines-
wegs so kunstsinnige und noch weniger verschwen-
Abb. 53.
Randornament von der Broncethür
Filaretes an der Peterskirche
in Rom.
dorische Sforza hier wenigstens zunächst selbst gegen
seine eigenen Baumeister die mehr künstlerische, von Filarete vorgeschlagenc Lösung
bevorzugte — freilich, ohne ihre vollständige Durchführung zu veranlassen. Filarete hatte
1) Vergl. zum Folgenden besonders: Beltrami, La torre del Filarete nella fronte del Castello
di Porta Giovia verso la cittä. Milano 1889 und II castello di Milano. Milano 1894. Cap. III. S. 99 ff.
und S. 607 ff. nebst den dortigen älteren Abbildungen, die von Beltrami in geistvoller Weise bei der
Reconstruction benutzt worden sind.
2) Auch an den Restaurationsarbeiten des alten Viscontipalastes des „corte ducale“ neben dem
Dom, welche Francesco Sforza „aus klug berechneter Pietät“ anordnete, war Filarete später (1458) thätig,
vergl. v. Oettingen. Anmerkungen zum Tractät S. 690 u. Biogr. S. 35. Im Tractat selbst S. 58 erwähnt.
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