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Zweites Capitel. Der Uebergangsstil. I. Das Ospedale Maggiore.

zu werden pflegt. Was aber brachte er selbst in die Lombardei mit? — Seine erhaltenen
römischen Arbeiten1) ertheilen darauf eine genügende Antwort, besonders sein dortiges
Hauptwerk, seine Broncethüren von S. Peter. Es gewährt bekanntlich kein völlig
einheitliches Stilbild. Die vier grofsen Hauptfiguren in den oberen Feldern, „die leider
durch ihre Ausdehnung für den Gesamteindruck der Thürcn bestimmend werden“,2)
Christus, Maria und die Apostelfürsten, stehen scheinbar der Rcnaissancckunst überhaupt


Abb. 52.
Randornament von der Broncethür
Filaretes an der Peterskirche
in Rom.

fern, weit ferner jedenfalls, als die das Martyrium Petri
und Pauli erzählenden quadratischen Reliefs unten, und
vollends als die winzigen Rclicfstrcifen mit historischen
Sccnen, welche die Querbänder schmücken. Allein jene
grofsen Figuren sind zweifellos archaistisch gehalten, im
Anschliffs an altchristliche oder byzantinische Muster,
neben denen die aus dem Kreise Donatcllos beeinflufste
Florentiner Quattrocentokunst nur leise zum Wort kommt.
Ganz anders schon bei jenen figurenreichen Darstel-
lungen. Drei Elemente bestimmen ihre kunsthistorische
Stellung: die naive Frische des ganzen Erzählungstones,
der malerische, theilweise noch ungeschickte Reliefstil,
und das ausgesprochene Antikisiren im Detail. Für
uns ist nur das Letztere wichtig, da aber sei nachdrück-
lich betont, dafs Filarcte hier, trotz Donatcllo und Man-
tegna, in der That als ein fast schon pedantisch-eifriger
Vorkämpfer des Classicismus auftritt, genau so, wie
später mit der Feder in seinem Tractat. Mit sichtlicher
Freude bekundet er sein Studium römischer Antiken
selbst im Kleinsten, nicht nur an den altrömische Typen
zeigenden Rossen, an Rüstungen und Waffen, sondern
auch an allen dem Relief einverleibten Baulichkeiten, vor
allem an den thronartigen Tabernakeln der römischen
Consuln, von den Stirnschädeln und Guirlandcn im Fries
bis herab zu den mit Grcifcnfüfsen ausgestatteten und
mit Medaillons belebten Sitzen. Muthet doch auch die
eigenartige Thurmarchitektur im Vordergrund der „Kreu-
zigung Petri“ wie die Reconstruction eines antiken Bau-
werkes an! — Und noch lebhafter äufsert sich dieses
Antikisiren in dem ornamentalen Rahmenwerk dieses
Bilderschmuckes (Abb. 52 und 53), in seinen voluten-
artig gewundenen Akanthusranken, vor allem aber in
den zahlreichen Figuren, Figürchen und Gruppen antiker
Herkunft, die ihnen eingefügt sind: in diesen Delphinen,
Centauren, Greifen, diesen mannigfachen Sccnen aus
dem Leben des Hercules, diesem Raub des Ganymed,
Raub der Proserpina usw., nicht minder endlich in den
zahlreichen Porträtköpfen römischer Kaiser, und in den
schwebenden nackten Genien, die oben die Wappen-
schilder halten. Stofflich ist das Füllhorn des classi-

schen Alterthums hier bereits sehr stark geplündert,3) und seine Gaben überwuchern fast
schon die mannigfachen Gebilde aus dem Thier- und Pflanzenreich, die ihnen, allerdings

1) Vergl. zum Folgenden neben dem Artikel von Jansen in Meyers Künstlerlexicon II. S. 471 ff.
von Tschudi, Filaretes Mitarbeiter an den Broncethüren von S. Peter. Rep. f. Kw. VII. 1884. S. 291 ff.
und Bruno Sauer, Die Randreliefs an Filarates Broncethür von S. Peter. Rep. f. Kw. XX (1897) S. 1 ff.
Gute Abb. bei Bode-Bruckmann, a. a. O. Taf. 188 f.
2) Tschudi, a. a. O. S. 291.
3) In welchem Grade, darüber hat erst jüngst Sauer in dem erwähnten Aufsatz Aufschlufs ertheilt.
 
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