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Berufung Filaretes.

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Der Plan, Verwaltung und Ausübung der Krankenpflege in Mailand, die dort und
in den Vorstädten damals auf neunundzwanzig Spitäler verzettelt war, zu vereinen, fällt
schon in das Jahr 1448 und ging von dem Erzbischoff Enrico II. Rampini aus; ohne die
Initiative des neuen Fürsten aber hätte er keine Verwirklichung finden können. Durch
Schenkung des Bodens, an welcher sich Bianca Maria mit ihrer persönlichen Erbschaft
reich betheiligte, und durch Abgabenerlafs schuf Francesco Sforza die nötige Grundlage,1)
auf welcher das Riesenunternehmen mit den Einkünften der schon vorhandenen Kranken-
häuser und mit Hülfe gelegentlicher Privatstiftungen ins Leben treten konnte. Am 1. April
1456 unterzeichnete er die noch vorhandene Stiftungsurkunde — ein charakteristisches
Gegenstück zu derjenigen des Domes von Gian Galeazzo Visconti! — und am 12. April
14572) erfolgte die Grundsteinlegung.
Zum Architekten bestellte der Herzog keinen Lombarden, sondern einen Florentiner
Antonio Averlino genannt Filarete. Allein man darf, wie bereits erwähnt, daraus
kaum weitere kunsthistorische Schlüsse ziehen. Bei Berufungen dieser Art spielt ja nicht
selten auch eine Verkettung von zufälligen Umständen mit, und eine solche scheint hier
vorzuliegen. Verbürgtermafsen hat Piero de’ Medici den Filarete an Francesco Sforza


Cascinotto (Via del Ospedale)

Abb. 51. Grundrifs für das Ospedale Maggiore in Mailand in Filaretes „Tractat“
(nach der Ausg. von Oettingen).

empfohlen, und schon dies konnte für denselben Grund genug sein, den Florentiner zu
beschäftigen, selbst wenn er — Vasaris Angaben entgegen — dessen römische Arbeiten
kaum näher gekannt und bei der Berufung den Plan zum Hospital noch nicht näher er-
wogen hätte.
Filaretes Thätigkeit in Mailand ist schon seit dem Jahr 1451 bezeugt. Am 20. Sep-
tember desselben richtet er an Piero de’ Medici ein Schreiben, in welchem er mit dem
Ausdruck des Dankes für die ihm von diesem zu Theil gewordene Empfehlung höchst
befriedigt von der Gunst seines neuen Herrn und von seiner Beschäftigung im Mailänder
Castell spricht. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die zweite Hauptperiode seines Lebens,
nachdem die erste in Rom, die im Dienste Eugens IV. verhältnifsmäfsig so glänzend ge-
wesen, nach dessen Tode 1447 recht kläglich geendet hatte. Eines Rcliquiendiebstahls
beschuldigt, mufste er die Stätte seiner mindestens zwölfjährigen Wirksamkeit verlassen:
im Rom Nicolaus V. scheint für ihn kein rechter Platz mehr gewesen zu sein. ■— Als er
in die Dienste des Sforza trat, war er bereits ein gereifter Mann, über die Jahre hinaus,
in denen eine persönliche Kunstrichtung durch äufsere Verhältnisse in neue Bahnen gelenkt

1) Dazu auch Stiftung von Baumaterial. Vergl. Tractat S. 364.
2) Ueber die verschiedenen Widersprüche in den auf dieses Datum bezüglichen Nachrichten,
und die für den 12. April 1457 sprechenden Wahrscheinlichkeitsgründe vergl. Oettingen. Biogr. Anm. 44
Seite 59 ff. Vergl. dazu Beltrami, II Castello di Milano etc. S. 146 Anm. 1.
Meyer, Oberitalienische Frührenaissance. 11
 
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