Beschreibung Filaretes. Florentinische und lombardische Elemente. 1OI
„huomo dcgnio e da bene“ wird der Portinari von Filarete genannt — war es eine will-
kommene Aufgabe, durch räumliche Vergröfserung und reiche Ausschmückung des Gebäudes
den herzoglichen Spender zu ehren, und zugleich den Mediceer-Namen in der lombar-
dischen Hauptstadt möglichst glänzend zu vertreten; andererseits mufste auch der Sforza
selbst, welcher in diesem Palast einen öffentlichen Zeugen für sein gutes Verhältnifs zum
Florentiner Machthaber sah, das Werk nach Kräften fördern. Ihre beiden Wappen
prangten hier neben einander: ein Sinnbild auch in kunstgeschichtlicher Beziehung, denn
toscanische und lombardische Art waren auch hier zu einem eigenartigen Ganzen
verbunden!
Nicht völlig frei und selbständig ist dasselbe geschaffen worden, sondern im An-
schliffs an schon vorhandene ältere Baulichkeiten, allein die Aenderung scheint doch durch-
greifend gewesen zu sein, denn Michiel sagt, der Palast sei „fast von Grund aus neu gebaut
worden.“ Jedenfalls spiegelt die von Filarete geschilderte und skizzirte Bauanlage die reichste
Palastgattung der Frührenaissance. Ein Complex von Wohn-, Geschäfts- und Prachträumen,
von Corridoren, Loggien, Söllern, Wirthschaftsräumen, Speichern, Kellereien, in möglichst
regelmäfsiger Anlage um einen länglich-rechteckigen Hof gruppirt, nach welchem sie sich
in Arcaden öffnen; die Front (Abb. 59) ohne Risalite in gleichmäfsiger Flucht, mit völlig
Abb. 59. Front-Entwurf der Mediceer-Bank in Mailand in Filaretes „Tractat“
(nach v. Oettingcn).
symmetrisch angeordneten Oeffnungcn; das Erdgeschofs mit drei Portalen und acht zu je
zweien zwischen ihnen verthciltcn, ganz winzigen, hochliegenden Fenstern, das Hauptstock-
werk dagegen mit zwölf schlanken, zweitheiligen Fenstern dicht neben einander; dazu das
Gurt- und das Krönungsgesims als horizontale Bänder scharf betont. Das Alles entspricht
der baulichen Kernform nach dem florentinisch-sienesischen Palasttypus.1) Die Decoration
zeigt dagegen wiederum einen Mischstil, in welchem neben reiner Renaissance die ober-
italienischen Elemente noch gebieterisch hervortreten. Diese Gegensätze fielen schon Filarete
auf. Wiederholt erwähnt er sie in seiner Beschreibung. Das Hauptgesims nennt er „fatta
all’ antica“, rühmt die Decke des grofsen Saales, welche mit ihrer in Blau und Gold
gehaltenen Cassettirung gleich derjenigen des Florentiner Palastes ebenfalls „a modo antico“
sei, und betont ausdrücklich, dafs einige Thüren dieses Saales nicht der Mailänder, sondern
der modernen Florentiner Art „all antichitä“ folgten. Den Flur („apostero“) dagegen —
einen von der Eingangspforte zum Hof führenden schmalen länglichen Gang — bezeichnet er
als spezifisch mailändisch. — In den Augen Filaretes ist es offenbar gerade das „Floren-
tinische“, das ,,Antikische“, was diesen Bau werthvoll macht, allein das ist, wie wir bereits
wissen, bei ihm selbst ein mehr theoretisches Urtheil, und wir haben um so weniger
Grund, demselben zu folgen, als die Fagade des banco Mediceo den modernen, unbe-
fangenen Blick in ähnlicher Weise gerade durch die malerische Verbindung antikisirender
mit gothisirenden Theilen reizvoll anzieht, wie die des Hospitales von Filarete selbst. An
1) Auffällig ist nur, dafs ein Sockelglied fehlt.
„huomo dcgnio e da bene“ wird der Portinari von Filarete genannt — war es eine will-
kommene Aufgabe, durch räumliche Vergröfserung und reiche Ausschmückung des Gebäudes
den herzoglichen Spender zu ehren, und zugleich den Mediceer-Namen in der lombar-
dischen Hauptstadt möglichst glänzend zu vertreten; andererseits mufste auch der Sforza
selbst, welcher in diesem Palast einen öffentlichen Zeugen für sein gutes Verhältnifs zum
Florentiner Machthaber sah, das Werk nach Kräften fördern. Ihre beiden Wappen
prangten hier neben einander: ein Sinnbild auch in kunstgeschichtlicher Beziehung, denn
toscanische und lombardische Art waren auch hier zu einem eigenartigen Ganzen
verbunden!
Nicht völlig frei und selbständig ist dasselbe geschaffen worden, sondern im An-
schliffs an schon vorhandene ältere Baulichkeiten, allein die Aenderung scheint doch durch-
greifend gewesen zu sein, denn Michiel sagt, der Palast sei „fast von Grund aus neu gebaut
worden.“ Jedenfalls spiegelt die von Filarete geschilderte und skizzirte Bauanlage die reichste
Palastgattung der Frührenaissance. Ein Complex von Wohn-, Geschäfts- und Prachträumen,
von Corridoren, Loggien, Söllern, Wirthschaftsräumen, Speichern, Kellereien, in möglichst
regelmäfsiger Anlage um einen länglich-rechteckigen Hof gruppirt, nach welchem sie sich
in Arcaden öffnen; die Front (Abb. 59) ohne Risalite in gleichmäfsiger Flucht, mit völlig
Abb. 59. Front-Entwurf der Mediceer-Bank in Mailand in Filaretes „Tractat“
(nach v. Oettingcn).
symmetrisch angeordneten Oeffnungcn; das Erdgeschofs mit drei Portalen und acht zu je
zweien zwischen ihnen verthciltcn, ganz winzigen, hochliegenden Fenstern, das Hauptstock-
werk dagegen mit zwölf schlanken, zweitheiligen Fenstern dicht neben einander; dazu das
Gurt- und das Krönungsgesims als horizontale Bänder scharf betont. Das Alles entspricht
der baulichen Kernform nach dem florentinisch-sienesischen Palasttypus.1) Die Decoration
zeigt dagegen wiederum einen Mischstil, in welchem neben reiner Renaissance die ober-
italienischen Elemente noch gebieterisch hervortreten. Diese Gegensätze fielen schon Filarete
auf. Wiederholt erwähnt er sie in seiner Beschreibung. Das Hauptgesims nennt er „fatta
all’ antica“, rühmt die Decke des grofsen Saales, welche mit ihrer in Blau und Gold
gehaltenen Cassettirung gleich derjenigen des Florentiner Palastes ebenfalls „a modo antico“
sei, und betont ausdrücklich, dafs einige Thüren dieses Saales nicht der Mailänder, sondern
der modernen Florentiner Art „all antichitä“ folgten. Den Flur („apostero“) dagegen —
einen von der Eingangspforte zum Hof führenden schmalen länglichen Gang — bezeichnet er
als spezifisch mailändisch. — In den Augen Filaretes ist es offenbar gerade das „Floren-
tinische“, das ,,Antikische“, was diesen Bau werthvoll macht, allein das ist, wie wir bereits
wissen, bei ihm selbst ein mehr theoretisches Urtheil, und wir haben um so weniger
Grund, demselben zu folgen, als die Fagade des banco Mediceo den modernen, unbe-
fangenen Blick in ähnlicher Weise gerade durch die malerische Verbindung antikisirender
mit gothisirenden Theilen reizvoll anzieht, wie die des Hospitales von Filarete selbst. An
1) Auffällig ist nur, dafs ein Sockelglied fehlt.