Das Hauptportal.
105
schotenartig gestaltet, mit jenen regelmäfsigen, rundlichen
Schwellungen, welche in der Ornamentik der „Florentiner
Marmorbildner“ hergebracht ist. Andererseits aber findet
sich besonders am Stirnbogen eine ungemein naturwahre,
höchst geschmackvolle Wiedergabe der mannigfaltigsten
Früchte und Blüthen nebst ihren Blättern, Eicheln, Mispeln,
Aepfeln usw. zu starken Bündeln vereint, von senkrecht
geriefelten Bändern schräg umwunden, hier und da durch
Vögel belebt — auch dies ein Motiv, welches fortan in
der lombardischen Renaissancedecoration heimisch bleibt,
und zwar- nicht nur in Stein, sondern auch in Terracotta,
(z. B. an einem prächtigen Fenster der Sala delli Scarlioni
des Castells nach dem Cortile della Fontana1), ein Motiv
das jedoch nicht dort geboren ist, sondern in Florenz,
wo es seine herrlichste Gestaltung im Rahmenwerk der
Ghibertischen Ostthür des Baptisteriums fand. — Hätte
doch diese ganze Renaissance-Ornamentik des Portales,
die auf Mailänder Boden ein Neues ist, in der Stadt
Brunelleschis, Ghibertis und Donatellos in dieser Zeit
nicht das geringste Auffällige! Das Gleiche gilt von dem
aus antik-römischer Plastik wiedererstandenen Motiv des
fliegenden Puttenpaares mit dem Kranz und Wappen-
schild (im Fries), welches in Florenz im Kreise Brunel-
leschis und Donatellos damals hergebracht war, und auch
von Filarete an seinen Thüren von S. Peter verwendet
ist. Diese Putten sind in Mailand ziemlich derb, nur
auf den decorativen Gesamteffect hin gearbeitet, weniger
sorgsam als die beiden Knaben über den Fruchtgehängen.
Florentiner Vorbildern folgen aber auch die der Durch-
führung nach vollendetsten Theile des Bildschmuckes, die
beiden Mcdaillonportraits Francesco Sforzas und der Bianca
Maria in den Bogcnzwickeln, wo sie freilich zu stark her-
vortreten. Der naheliegende Vergleich mit den Medaillons
des Hospitales zeigt auch hier wiederum einen Fortschritt,
selbst bereits in compositioncller Hinsicht. Scharf und
klar heben sich die Profile der beiden Köpfe von dem
Hintergrund der radial geriefelten Scheiben ab, und der
untere Abschlufs der Büsten erfolgt durch ein Akanthus-
blatt, welches sich den seitlich in pcrspectivischer Ver-
kürzung dargestellten Voluten anschmiegt. Erinnern wir
uns daran, dafs bei den Medaillons der Hospitalfenster
gerade die Trennung der Büsten vom Fond am wenigsten
befriedigte, und dafs andererseits die an diesem Portal
benutzte Lösung in der Florentiner Reliefbüsten- und
Medaillen-Plastik entstanden ist. Und so ist endlich auch
bei den beiden Figurenpaaren neben den Pilastern durch
den Antheil toscanischer Schulung eine über die Leistungs-
fähigkeit einheimischer Plastik hinausgehendc Entwick-
lungsphase erreicht. Das kann man selbst noch an
den beiden Gewappneten erkennen, obgleich dieselben
so arg gelitten haben. Die richtigste Folie bieten hier
die geschilderten „Giganten“ des Domes. Ist doch die
Abb. 61. Detail vom Portal
der Mediceer-Bank in Mailand.
1) Vergl. die kleine Abbild, bei Beltrami, II castello di
Milano. S. 321.
Meyer, Oberitalienische Frührenaissance.
14
105
schotenartig gestaltet, mit jenen regelmäfsigen, rundlichen
Schwellungen, welche in der Ornamentik der „Florentiner
Marmorbildner“ hergebracht ist. Andererseits aber findet
sich besonders am Stirnbogen eine ungemein naturwahre,
höchst geschmackvolle Wiedergabe der mannigfaltigsten
Früchte und Blüthen nebst ihren Blättern, Eicheln, Mispeln,
Aepfeln usw. zu starken Bündeln vereint, von senkrecht
geriefelten Bändern schräg umwunden, hier und da durch
Vögel belebt — auch dies ein Motiv, welches fortan in
der lombardischen Renaissancedecoration heimisch bleibt,
und zwar- nicht nur in Stein, sondern auch in Terracotta,
(z. B. an einem prächtigen Fenster der Sala delli Scarlioni
des Castells nach dem Cortile della Fontana1), ein Motiv
das jedoch nicht dort geboren ist, sondern in Florenz,
wo es seine herrlichste Gestaltung im Rahmenwerk der
Ghibertischen Ostthür des Baptisteriums fand. — Hätte
doch diese ganze Renaissance-Ornamentik des Portales,
die auf Mailänder Boden ein Neues ist, in der Stadt
Brunelleschis, Ghibertis und Donatellos in dieser Zeit
nicht das geringste Auffällige! Das Gleiche gilt von dem
aus antik-römischer Plastik wiedererstandenen Motiv des
fliegenden Puttenpaares mit dem Kranz und Wappen-
schild (im Fries), welches in Florenz im Kreise Brunel-
leschis und Donatellos damals hergebracht war, und auch
von Filarete an seinen Thüren von S. Peter verwendet
ist. Diese Putten sind in Mailand ziemlich derb, nur
auf den decorativen Gesamteffect hin gearbeitet, weniger
sorgsam als die beiden Knaben über den Fruchtgehängen.
Florentiner Vorbildern folgen aber auch die der Durch-
führung nach vollendetsten Theile des Bildschmuckes, die
beiden Mcdaillonportraits Francesco Sforzas und der Bianca
Maria in den Bogcnzwickeln, wo sie freilich zu stark her-
vortreten. Der naheliegende Vergleich mit den Medaillons
des Hospitales zeigt auch hier wiederum einen Fortschritt,
selbst bereits in compositioncller Hinsicht. Scharf und
klar heben sich die Profile der beiden Köpfe von dem
Hintergrund der radial geriefelten Scheiben ab, und der
untere Abschlufs der Büsten erfolgt durch ein Akanthus-
blatt, welches sich den seitlich in pcrspectivischer Ver-
kürzung dargestellten Voluten anschmiegt. Erinnern wir
uns daran, dafs bei den Medaillons der Hospitalfenster
gerade die Trennung der Büsten vom Fond am wenigsten
befriedigte, und dafs andererseits die an diesem Portal
benutzte Lösung in der Florentiner Reliefbüsten- und
Medaillen-Plastik entstanden ist. Und so ist endlich auch
bei den beiden Figurenpaaren neben den Pilastern durch
den Antheil toscanischer Schulung eine über die Leistungs-
fähigkeit einheimischer Plastik hinausgehendc Entwick-
lungsphase erreicht. Das kann man selbst noch an
den beiden Gewappneten erkennen, obgleich dieselben
so arg gelitten haben. Die richtigste Folie bieten hier
die geschilderten „Giganten“ des Domes. Ist doch die
Abb. 61. Detail vom Portal
der Mediceer-Bank in Mailand.
1) Vergl. die kleine Abbild, bei Beltrami, II castello di
Milano. S. 321.
Meyer, Oberitalienische Frührenaissance.
14