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Zweites CapiteL Der Uebergangsstil.

II. Die Mediceer-Bank.

dccorative Aufgabe nahe verwandt, und durch die mit den Streitkolbcn erhobenen
Arme sogar auch das Atlantenmotiv parallelisirt! Aber die Durchbildung * der Formen
ist reifer als bei allen bisher erörterten Giganten, die Stellung fester, die Rüstung
schliefst sich in ihrem reicheren Schmuck unmittelbarer antik-römischen Formen an, und
selbst an den zerstörten Gesichtern zeigt wenigstens noch die Stirn- und Augenpartie die
energische, kraftvolle Charakteristik. Darin kann man in der That auch hier ein floren-
tinisches Element sehen. Find wenn auch Michelozzos eigene Arbeiten hier entscheidende
Analogien versagen, so finden sich solche doch innerhalb des Florentiner Künstlerkreises,
dem er angehört, und zwar gerade wiederum bei derjenigen Gruppe desselben, welche in
Oberitalien vertreten ist. Es sei von neuem auf die den Sarkophag Christi umgebenden
Kriegergcstalten des Giovanni Rosso am Brenzoni-Denkmal in Verona und auf die
geharnischten Portalwächter des früher geschilderten Palastes in Castiglionc d’ Olona
hingewiesen. — Weit geringere Berührungspunkte mit toscanischer Kunst haben da-
gegen die in kleinerem Mafsstab gehaltenen Frauenfiguren, die beiden Helmträgerinnen.
Genremäfsig aufgefafst, und nach echt oberitalienischer Mode costümirt, erinnern sic viel-
mehr lebhaft an Gestalten Pisan eilos, an die Frauen in den genrehaften Frcscobildern
der Casa Borromeo und an die Medea Collconi in

Abb. 62. Terracottaköpfe vom Hof der Mediceer-Bank
im Museo Archeologico in Mailand
(nach Carravati, Zeitschr. Arte ital. decor.).


Die Arbeit ist hier ebenso sicher und zweckbcwufst, ebenso in grofsem Stil gehalten, wie
bei den besten Medaillonköpfcn des Hospitales, und es zeigt sich hier eine ähnliche stil-
geschichtliche Verbindung mit echt lombardischen Werken, besonders mit den Terracotta-
köpfen der Höfe der Certosa bei Pavia. Diese Köpfe der Mediceer-Bank scheinen der
gleichen Werkstatt zu entstammen, wie die prächtigen Terracotta-Medaillons an der Front
des Monte di Pieta zu Cremona.1) Diese Terracotta-Medaillons und die Porträts des
Fürstenpaares bleiben aber überhaupt die einzigen Arbeiten, welche im Bildschmuck
des Palastes auch der Ausführung nach von hervorragenderem Kunstwerth sind und
diesen auch bei einem Vergleich mit den Meisterwerken der gleichzeitigen Florentiner
Plastik bewahren. Alles Uebrige ist nicht bedeutend genug, um über die Thätigkeit
lombardischer Scarpellini hinauszuweisen. Wie am Dom, so hat man auch hier eine
starke Arbeitstheilung vorauszusetzen, wie dort stammen Entwurf und Ausführung von
ganz verschiedenen Persönlichkeiten, wie dort lag die Skizze, das „designamentum“
eines Meisters vor, den andere, vielleicht mit etlichen freien Umänderungen, ausführten.
Und wie wir bei dieser Theilung schon an jener Gruppe der Domsculpturen einen Eingriff
Florentiner Kunst constatircn konnten, so gewinnt derselbe an diesem Portal klarere, greif-
bare Formen, der reiferen Entwicklungsstufe entsprechend, auf welcher uns die toscanischc
Kunst hier entgegentritt, dem Vcrhältnifs analog, in welchem in dieser Hinsicht die Meister

Bergamo. Hier ist man durch
nichts vcranlafst, auf den Antheil
toscanischer Kunst zu schliefsen.
Selbst bei den grofsartigsten unter
allen erhaltenen Fragmenten die-
ses Palastes, bei den ebenfalls im
Museo Archeologico bewahrten
acht mächtigen Terracotta-Me-
daillons, welche ehemals die
Zwickel der Hofarcaden zierten,
bei diesen prächtigen Männer-
köpfen (Abb. 62) antikisirenden
Charakters, mit den sprechend ge-
öffneten Lippen und den blitzen-
den Augen, darf man wohl auf
oberitalienische Hände schliefsen.

1) Zwei nah verwandte Terracottaköpfe sind in das Museo Cristiano in Brescia gelangt. Auf
das Vcrhältnifs dieser Terracottaarbeiten zu den Kaiserköpfen in Bramantcs Sacristei bei S. Satiro in
Mailand, sowie zu den Medaillonköpfcn an anderen dortigen Bramantesken Bauten und zu denen der
Miracoli-Kirche und der Loggia in Brescia ist im zweiten Bande zurückzukommen.
 
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