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Einleitung.

In der Mailänder Kunstgeschichte bildet die zehnjährige Regierung Galeazzo
Marias (1466 bis 1476) immerhin eine wichtige Periode, und auch persönlich hat Galeazzo
auf eine Stelle unter den Kunstmäccnen der italienischen Renaissance wohl Anspruch —
wenn anders dabei Bildung und Prachtliebe den Ausschlag geben, sogar in höherem Grade
als Francesco Sforza. Denn dessen Soldatennatur war in Galeazzo Maria doch schon
mehr im Sinne eines Renaissancefürsten entwickelt. Leidenschaftlicher Jäger und Freund
aller körperlichen Uebung, hatte er nicht minder Freude an wohlgefügter lateinischer
Rede, an glänzendem Auftreten, an schmuckreichster Umgebung und überhaupt an der
Entfaltung wahrhaft fürstlicher Pracht. Die Art seiner Kunstpflege erhellt am ehesten
aus ihrem persönlichsten Kunstbereich: aus der Ausschmückung des Castelles bei Porta
Giovia, das er zu seiner Residenz erhob, und dessen Ausbau und Decoration er nicht
nur, gleich seinem Vater, ständig überwachte, sondern auch in allen Einzelheiten selbst
bestimmte. Wohl war ihm dabei die Kunst nur eine Dienerin seiner durch Ausschweifungen
jeder Art so verderblichen Herrenlaunc. Wie zur Decoration seiner Gemächer und seiner
Capelle beansprucht er ihren Schmuck auch für den Aufenthalt seiner — Jagdfalken, und
gelegentlich verlangt er die Ausmalung eines Zimmers in einer einzigen Nacht. Auch sonst
nehmen seine künstlerischen Pläne nicht gerade einen hohen Flug. Jagdscenen, festliche
Cavalcaden und Aufzüge, Gruppenbildnisse der Seinen und seiner Hofleute, in genre-
hafter oder ccremonieller Auffassung, endlich die Wappenzeichen und Denksprüchc seines
Hauses — darauf beschränken sich seine Programme für die Decoration der Räume. Aber
auch Mantegnas Fresken für Ludovico Gonzaga im Castello di Corte zu Mantua hatten im
wesentlichen keine anderen Themata! — Was Galeazzo von der künstlerischen Leistung
selbst forderte, ist nicht mehr zu bestimmen. Wahrscheinlich stand ihm in der Decoration
die Pracht und in der Schilderung die Deutlichkeit am höchsten. Sollten auf den figür-
lichen Fresken doch sogar den Pferden die Namen beigeschrieben werden! — Aber es sei
daran erinnert, dafs Galeazzo durch ein Gemälde des Antonello da Messina genügend
gefesselt wurde, um dessen Berufung nach Mailand zu wünschen, und dafs der erst von
seinem Nachfolger aufgenommene Plan, Francesco Sforza ein mächtiges, ehernes Reiter-
denkmal zu errichten, auf ihn zurückgeht. Die unter ihm decorirten beziehungsweise aus-
gebauten Theile des Castelles boten sich damals den Blicken der häufigen Ehrengäste
— unter ihnen König Christian I. von Dänemark und der Gesandte des Sultans von
Aegypten — im stattlichsten Schmucke dar. Das lassen selbst noch ihre heutigen Reste
erkennen.
Einem Fürstensitz, wie das Schlofs zu Urbino, oder einem Palast, wie derjenige
der Medici in Florenz, blieb diese Mailänder Residenz freilich ebenso fern, wie Galeazzo
Maria Sforza selbst einem Federigo da Montefeltro und Lorenzo Magnifico, und ein in-
timeres persönliches Verhältnifs zu einem Grofsmeister der Renaissance hätte Galeazzos
ganze Anschauung kaum gestattet. Als er zu Weihnachten 1476 ermordet wurde, verlor
das Mailänder Kunstleben daher wohl eine einflufsreiche materielle, nicht aber eine der
höheren künstlerischen Absicht förderliche Unterstützung.
Gerade dies aber sollte ihr werden, sobald Ludovico Moro zur Herrschaft gelangte.
Ueber die Art, wie er dieselbe erwarb, ist hier ebenso wenig abzuurtheilen, wie
über seine für ganz Italien so verhängnifsvolle Politik. Nur seine Stellung zu Kunst und
Künstlern wird hier wichtig.
Als Schirmherrn der Künste und Wissenschaften feiert ihn schon seine eigene
Zeit: Künstler und Gelehrte habe er angezogen, „wie der Magnet das Eisen“. Die Nach-
welt bestätigt dieses Lob, denn erst sie weifs ganz zu schätzen, was es bedeutete, dafs
Bramante und Leonardo jahrzehntelang für Ludovico thätig waren. Jacob Burckhardt leitet
sogar allein aus dem Aufenthalt Leonardos am Mailänder Hof das höchste persönliche Lob
für Ludovico selbst her: schon hieraus ergebe sich, „dafs in Ludovico ein höheres Element
lebendig gewesen“. Das Charakterbild Ludovicos, das so viele tiefe Schatten bietet und
in der politischen Geschichte Italiens so schwankend erscheint, gewinnt in der Kunst-
geschichte mit der gröfseren Klarheit auch einen höheren persönlichen Reiz. Seine Kunst-
pflege war Mehr als der Ausflufs des Standes- und Machtbcwufstseins und der Prachtlicbe.
 
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