S. Maria delle Grazie.
69
des Baues selbst entworfen und geleitet hat, darf man annehmen, es sei auch später keine
wesentliche Umänderung und Erweiterung ohne seinen wenigstens berathenden Antheil er-
folgt. Im ganzen wird eine vorsichtige Forschung die heutige Kirche S. Maria presso S. Satiro
nebst dem Umbau der Ansberto-Capelle also doch nur jenen ,,con il parcrc“’ des Urbinaten
von Schülern ausgeführten Werken des „Stile Bramantesco“ zurechnen dürfen — in diesem
Falle also specieller den Arbeiten des Bramantino und Battaggio da Uodi —, während
als Denkmal des Bramante-Stiles „aus erster Hand“ mit Sicherheit nur die Sacristei,
und mit Wahrscheinlichkeit nur der Kern des Querhauses und der Südfront gelten darf.
II. S. Maria delle Grazie.
Aehnlich ist schon von anderer Seite der Antheil des Urbinaten an einem zweiten
Hauptdenkmal seiner Stilweise eingeschränkt worden, das ebenfalls nur ein Anbau an ältere
Räumlichkeiten blieb: am Chor von S. Maria delle Grazie.1)
Hier ist das ältere Werk, das heutige Uanghaus, eine Schöpfung des lombardischen
Uebergangsstiles und kennzeichnet ein ähnliches Entwicklungsstadium desselben, wie Filaretes
Ospedale Maggiore, nur bei einer weniger
eigenartigen Aufgabe, und daher auch mit
einer minder interessanten Eösung. Am
nächsten ist dieses Eanghaus der Kirche
S. Pietro in Gessate verwandt, wo sich
selbst der statisch wie künstlerisch gleich
unbefriedigende Ansatz der Gewölbepfeiler
unmittelbar über den Capitälen der Ar-
cadensäulen wiederfindet. Derselben Stil-
epoche gehört der ältere grofse Kloster-
hof an.
Die gesicherte Datirung rechtfertigt
dieses Stilbild. Am 28. August 1464
wurde der Grundstein zu dem Domini-
kanerkloster2) gelegt, ein Jahr darauf be-
gann man die Kirche selbst, deren Namen
im Hinblick auf ein wunderthätiges Madon-
nenbild, dessen Capelle man mit ihr ver-
band, in „S. Maria delle Grazie“ umge-
ändert wurde.3 4 5) Schon fünf Jahre später
konnte dieser ältere Bau als „pro maxima
parte erectus“ bezeichnet werden, späte-
stens um 1490 mufs er vollendet gewesen
sein.4) Allein diese 1464 auf ausdrücklichen
Wunsch der Dominikaner5) so schlicht begonnene Kirche erschien dem Renaissancefürsten
Abb. 53. Mailand. S. Maria delle Grazie.
Choransicht.
EudovicoMoro zu dürftig („troppo positivo“). Er beschlofs daher einen vollständigen Umbau:
1) Vergl. besonders: Beltrami, La chiesa di Santa Maria delle Grazie a Milano. Archiv. Stör,
dell’ Arte. VI 1893, S. 223 ff. und den Aufsatz desselben Verfassers in der Zeitschrift: ,,L’ edilizia moderna.
Milano. Anno IV, Fase. IX, Settemb. 1895, S. 65 ff. Ferner: Relazione dell’ Ufficio Regionale usw. in Lom-
bardia. 1896 ff. Gute Abb. des Chores bei Strack, Ziegelbauwerke, Taf. 43.
2) Auf Rath des Cosimo de’ Medici und nach dem Muster von S. Marco in Florenz begann
man mit dem Conventsgebäude, und zwar mit dem Dormitorium. Vergl. die Chronik des P. Girolamo
Gattico (XVII. Jahrh.) bei Beltrami, Arch. Stör, dell’ Arte a. a. O., S. 233, Anm. 1.
3) Ueber das Verhältnifs der Capelle zur Dominikanerkirche und über das Protectorat des Gaspare
Vimercato vergl. Casati, a. a. O. S. 43 und Beltrami, a. a. O. S. 231. Das wunderthätige Madonnenbild be-
findet sich jetzt in derCappella delRosario.— DerUrsprung desBaues gleicht demvonS.MariapressoS.Satiro.
4) Näheres bei Beltrami, a. a. O. S. 233.
5) Vergl. Cron. Gattico bei Beltrami, S. 231, Anm. 2.
69
des Baues selbst entworfen und geleitet hat, darf man annehmen, es sei auch später keine
wesentliche Umänderung und Erweiterung ohne seinen wenigstens berathenden Antheil er-
folgt. Im ganzen wird eine vorsichtige Forschung die heutige Kirche S. Maria presso S. Satiro
nebst dem Umbau der Ansberto-Capelle also doch nur jenen ,,con il parcrc“’ des Urbinaten
von Schülern ausgeführten Werken des „Stile Bramantesco“ zurechnen dürfen — in diesem
Falle also specieller den Arbeiten des Bramantino und Battaggio da Uodi —, während
als Denkmal des Bramante-Stiles „aus erster Hand“ mit Sicherheit nur die Sacristei,
und mit Wahrscheinlichkeit nur der Kern des Querhauses und der Südfront gelten darf.
II. S. Maria delle Grazie.
Aehnlich ist schon von anderer Seite der Antheil des Urbinaten an einem zweiten
Hauptdenkmal seiner Stilweise eingeschränkt worden, das ebenfalls nur ein Anbau an ältere
Räumlichkeiten blieb: am Chor von S. Maria delle Grazie.1)
Hier ist das ältere Werk, das heutige Uanghaus, eine Schöpfung des lombardischen
Uebergangsstiles und kennzeichnet ein ähnliches Entwicklungsstadium desselben, wie Filaretes
Ospedale Maggiore, nur bei einer weniger
eigenartigen Aufgabe, und daher auch mit
einer minder interessanten Eösung. Am
nächsten ist dieses Eanghaus der Kirche
S. Pietro in Gessate verwandt, wo sich
selbst der statisch wie künstlerisch gleich
unbefriedigende Ansatz der Gewölbepfeiler
unmittelbar über den Capitälen der Ar-
cadensäulen wiederfindet. Derselben Stil-
epoche gehört der ältere grofse Kloster-
hof an.
Die gesicherte Datirung rechtfertigt
dieses Stilbild. Am 28. August 1464
wurde der Grundstein zu dem Domini-
kanerkloster2) gelegt, ein Jahr darauf be-
gann man die Kirche selbst, deren Namen
im Hinblick auf ein wunderthätiges Madon-
nenbild, dessen Capelle man mit ihr ver-
band, in „S. Maria delle Grazie“ umge-
ändert wurde.3 4 5) Schon fünf Jahre später
konnte dieser ältere Bau als „pro maxima
parte erectus“ bezeichnet werden, späte-
stens um 1490 mufs er vollendet gewesen
sein.4) Allein diese 1464 auf ausdrücklichen
Wunsch der Dominikaner5) so schlicht begonnene Kirche erschien dem Renaissancefürsten
Abb. 53. Mailand. S. Maria delle Grazie.
Choransicht.
EudovicoMoro zu dürftig („troppo positivo“). Er beschlofs daher einen vollständigen Umbau:
1) Vergl. besonders: Beltrami, La chiesa di Santa Maria delle Grazie a Milano. Archiv. Stör,
dell’ Arte. VI 1893, S. 223 ff. und den Aufsatz desselben Verfassers in der Zeitschrift: ,,L’ edilizia moderna.
Milano. Anno IV, Fase. IX, Settemb. 1895, S. 65 ff. Ferner: Relazione dell’ Ufficio Regionale usw. in Lom-
bardia. 1896 ff. Gute Abb. des Chores bei Strack, Ziegelbauwerke, Taf. 43.
2) Auf Rath des Cosimo de’ Medici und nach dem Muster von S. Marco in Florenz begann
man mit dem Conventsgebäude, und zwar mit dem Dormitorium. Vergl. die Chronik des P. Girolamo
Gattico (XVII. Jahrh.) bei Beltrami, Arch. Stör, dell’ Arte a. a. O., S. 233, Anm. 1.
3) Ueber das Verhältnifs der Capelle zur Dominikanerkirche und über das Protectorat des Gaspare
Vimercato vergl. Casati, a. a. O. S. 43 und Beltrami, a. a. O. S. 231. Das wunderthätige Madonnenbild be-
findet sich jetzt in derCappella delRosario.— DerUrsprung desBaues gleicht demvonS.MariapressoS.Satiro.
4) Näheres bei Beltrami, a. a. O. S. 233.
5) Vergl. Cron. Gattico bei Beltrami, S. 231, Anm. 2.