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Meyer, Johann Heinrich
Die bühnenschriftstellerische Tätigkeit des Freiherrn Wolfgang Heribert v. Dalberg — Heidelberg: Buch- und Kunstdruckerei von Carl Pfeffer, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.56547#0016
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blieben sind, haben die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich
gezogen; in den Shakespeare-Jahrbüchern sind sie besprochen
und auf ihren Wert geprüft worden; die Timonbearbeitung
ist dort ganz abgedruckt. Den Standpunkt dem Dalbergschen
Bühnenprodukt gegenüber hat der Herausgeber des Timon,
E. Kilian, präzisiert mit den Worten: „Wollen wir Dalbergs
Verdienste würdigen, so dürfen wir nicht mit den Waffen
moderner Kritik an seine Bearbeitung herantreten, sondern
müssen ihr vom historischen Gesichtspunkt aus gerecht zu
werden suchen? 1) Was von der Timon-Uebersetzung gesagt
ist, gilt auch von den übrigen Arbeiten.
Dass unter Dalbergs Arbeiten die meisten Uebersetzungen
oder Bearbeitungen, nur wenig Originale sind, scheint, auf den
ersten Blick die Mühe einer Untersuchung nicht zu lohnen.
Aber es ist nicht zu verkennen, dass die Stücke der Engländer
und Franzosen zum Teil mit dem richtigen Gefühl für den in
Deutschland herrschenden Geschmack ausgesucht und als Do-
kumente der ästhetischen Anschauung jener „klassischen Zeit“
gelten können. Zugleich aber beweisen sie, wie ein charakte-
ristisches Merkmal jener Zeit, die Empfindsamkeit, in England
und Frankreich ebenso die Grundstimmung der Gemüter bildet
wie in Deutschland, die Empfindsamkeit, die „im Laufe ihrer
Ausbildung, in ihrer kaum gehemmten Entwicklung, sich zu
dem Zerrbilde ausgestaltet hat, als das sie uns heute erscheint“2)
Bei Dalberg findet sich die Rührtechnik noch nicht ausgebildet,
wie auch die Frivolität der Lustspiele noch nicht so stark
hervortritt. Die beiden, die an den Dalbergschen Stücken ihr
Talent geschult, Iffland und Kotzebue, haben bewusst und
raffiniert, der eine die tränenreiche Empfindsamkeit, der andere
die Frivolität zum ständigen Requisit ihrer beifallumrauschten
Theaterstücke gemacht. —
Unter den Stücken Dalberg’s erregen zwei beson-
deres Interesse, „Der Mönch vom Carmel“ und „Oronooko?
Ö Shakespeare-Jahrbuch XXV. 35.
2) M. v. Waldberg, Goethe und die Empfindsamkeit. Berichte des
deutschen Hochstiftes, XV. 1899. S. 2.
 
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