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Rogge, Jörg [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

DOI Artikel:
Fendrich, Ilona,: Die Beziehung von Fürstin und Fürst: zum hochadligen Ehealltag im 15. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0101

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Die Beziehung von Fürstin und Fürst

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paares von November 1474 bis Juli 1475 gewissermaßen nur eine >Momentauf-
nahme< der Beziehung des Kurfürstenpaares wider. Das bedeutet, dass nicht alle
Aspekte und Entwicklungsstufen dieser Beziehung durch die Quellenbasis des hier
behandelten Briefwechsels beleuchtet werden können. Dafür müssten frühere und
spätere Briefe zwischen dem Kurfürstenpaar sowie Schreiben an andere Personen
miteinbezogen werden. Der hier untersuchte Briefwechsel bietet also nur ein
begrenztes Sichtfeld auf die Beziehung des Kurfürstenpaares.

2. Rollenverständnis und Sexualität in der fürstlichen Ehe
2.1. Eheanbahnung und Eheschließung im Hochadel
In der hochadeligen Gesellschaft hatte die Ehe eine zentrale politische und wirt-
schaftliche Bedeutung. Das primäre und wichtigste Ziel einer feudalen Ehe bestand
darin, legitime Nachkommen zu zeugen, um den Fortbestand der Dynastie und
damit der Herrschaft zu sichern. Sowohl das Ehemodell der Kirche als auch die Ehe-
konzeption der adeligen Gesellschaft definierten die Zeugung von Nachwuchs als
Hauptzweck der Ehe.18 Fürstenpaare wünschten sich aus diesem Grunde in erster
Linie Söhne, die Garanten für die Fortführung des Adelsgeschlechtes waren.19 Ehen
im Hochadel dienten auf politischer Ebene der Fraktions- und Bündnisbildung oder
der Friedensschaffung und -Sicherung unter zwei Dynastien, wenn zwischen diesen
ein Konflikt bestand oder bereits kriegerisch ausgetragen worden war. Die eheliche
Verbindung zwischen zwei fürstlichen Häusern konnte den Herrschafts- und Ein-
flussbereich einer Familie erweitern, was ebenfalls einen Zuwachs an ökonomi-
schen Ressourcen einschloss. Eheanbahnung war im Hochadel also gleichbedeu-
tend mit Ehepolitik, die der Macht- und Herrschaftssicherung der eigenen Dynastie
dienen und Vorteile erbringen sollte.20

fest, dass die Briefe seiner Eltern »nur in eingeschränktem Maße persönliche Zeugnisse der
Sorge der Eltern um ihren Sohn« seien, da es sich durchgängig um Kanzleibriefe, also um an
einen Sekretär delegierte Schreiben handele. Der persönliche Anteil des Absenders an der Ent-
stehung, bzw. Formulierung des Briefes sei deshalb schwer erfassbar, »da vom Entschluß, einen
Brief zu verfassen, über dessen Entwurf, die Prüfung durch den fürstlichen Rat, ein Ratsmit-
glied oder den Fürsten bis hin zur Registratur, zur Ausfertigung und zur Expedition eine Viel-
zahl von Personen beteiligt war.«
18 Joachim Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, 9. Aufl.,
München 1999, S. 537, 544ff.
19 Moraw, Albrecht (wie Anm. 2), S. 444.
20 Bonnie S. Anderson/Judith P. Zinsser, Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa. Bd. 1: Ver-
schüttete Spuren. Frühgeschichte bis 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1995, S. 363ff; Jörg Rogge,
Gefängnis, Flucht und Liebeszauber. Ursachen und Verlaufsformen von Geschlechterkonflikten
im hohen Adel des deutschen Reiches im späten Mittelalter, in: Zeitschrift für Historische For-
schung 28, 2001, S. 487-11, hier S. 487, S. 489f, S. 492; Karl-Heinz Spiess, Unterwegs zu einem
fremden Ehemann. Brautfahrt und Ehe in europäischen Fürstenhäusern des Spätmittelalters, in:
Fremdheit und Reisen im Mittelalter, hg. von Karl-Heinz Spiess/Irene Erfen, Stuttgart 1997,
S. 17-36, hier S. 20. Spiess konstatiert, dass Ehevereinbarungen zwischen zwei Dynastien zwar
primär aus politischen Motiven getroffen wurden, dass sich diese »allerdings in der Regel mit
finanziellen und kirchenrechtlichen Aspekten vermischten.« Zu den finanziellen und kirchen-
rechtlichen Motiven, die einer Eheverbindung zugrunde liegen konnten, siehe Spiess, Braut-
fahrt (wie Anm. 20), S. 20f. Rogge, Töchter (wie Anm. 7), S. 237 und Spiess, Brautfahrt (wie
 
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