Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rogge, Jörg [Oth.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

DOI article:
Fendrich, Ilona,: Die Beziehung von Fürstin und Fürst: zum hochadligen Ehealltag im 15. Jahrhundert
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0102

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
98

Ilona Fendrich

Aufgrund dieser politischen und wirtschaftlichen Dimension fürstlicher Ehen
war die Wahl des Ehepartners von zu großer Bedeutung, als dass die Eltern bzw. die
ganze Familie sie der individuellen und freien persönlichen Wahl des Heiratsfähi-
gen überlassen konnten. Die Kirche forderte zwar die Konsensehe, d. h. das Einver-
ständnis beider Ehepartner. Aber die christliche Ehekonzeption und die Ehepraxis
in der weltlichen, adeligen Gesellschaft widersprachen sich in diesem Punkt. In der
gesellschaftlichen Realität des Hochadels wurden Ehen in der Regel von den Eltern
oder Vormündern fürstlicher Kinder arrangiert.21 Dennoch konnten sich fürstliche
Eltern nicht völlig über die Zustimmung ihrer Kinder zu einer Eheverbindung hin-
wegsetzen, wie Rogge an den Beispielen Marias von Böhmen und Elisabeths von
Habsburg nachweist. Er kommt zu dem Schluss, dass »die von der Kirche propa-
gierte Konsensehe also tatsächlich in das Verhalten und die Praxis der Fürsten Ein-
gang fand.«22 Um einem möglichen Widerstand ihrer Kinder gegen Ehebündnisse
vorzubeugen, versuchten hochadelige Eltern aber, möglichst früh standesgemäße
Heiraten zu arrangieren und ihre Nachkommen durch eine entsprechende Erzie-
hung auf ihre Rollen und Pflichten zum Nutzen der Dynastie vorzubereiten. Des-
halb empfanden es viele hochadelige Frauen »vermutlich als selbstverständliches
Schicksal im Familieninteresse verheiratet zu werden und eine Aufgabe und Rolle
in der Familie ihres Gatten einzunehmen.«23 Dennoch hat es Beispiele von Fürsten-
töchtern gegeben, die sich den Ehearrangements ihrer Eltern aus unterschiedlichen
Motiven erfolgreich widersetzt haben.24 Vielen hochadeligen Frauen war es aber
aufgrund ihres »oft noch kindlichen Alters (...) zum Zeitpunkt des Abschlusses
eines Ehevertrages oder beim symbolischen Vollzug des Beilagers«25 nicht möglich.

Anm. 20), S. 33, Anm. 81 weisen darauf hin, dass die dynastische Ehepolitik schon von Zeitge-
nossen wie z. B. Erasmus von Rotterdam in seinem Fürstenspiegel Institutio principis christiani
von 1515 kritisiert wurde. Dieser bezweifelte, dass Eheverbindungen zwischen zwei ehemals
verfeindeten Dynastien wirklich Garanten für einen dauerhaften Frieden sein könnten.
21 Anderson/Zinsser, Geschichte (wie Anm. 20), S. 361f; Bumke, Kultur (wie Anm. 18), S. 535f,
S. 544; Spiess, Brautfahrt (wie Anm. 20), S. 17, Anm. 1.
22 Rogge, Töchter (wie Anm. 7), S. 256. Auch bei Spiess, Brautfahrt (wie Anm. 20), S. 25, Anm. 40 fin-
den sich Hinweise darauf, wie wichtig es für eine rechtsgültige Eheschließung war, zumindest
formell das kirchliche Konsensrecht zu beachten. Er weist darauf hin, dass die nach dem Kir-
chenrecht geforderte Konsenserklärung beider Ehepartner die Voraussetzung für eine gültige
Prokuratorenehe bildete. Eigentlich musste das Einverständnis zur Eheschließung von den Braut-
leuten gemäß dem Kirchenrecht in persönlicher Anwesenheit (verba de praesenti) erklärt werden.
In der Praxis jedoch konnte sich der Fürst durch einen Prokurator vertreten lassen. Der Konsens
wurde notfalls von der Familie des Heiratsfähigen erzwungen. So wurden hochadelige Mädchen,
die ihre Zustimmung verweigerten, oft stark unter Druck gesetzt. Rogge, Gefängnis (wie Anm.
20), S. 491 nennt als häufiges Druckmittel gegen renitente, hochadelige Mädchen Einsperren oder
die Androhung langer Arrestzeiten durch ihre Familien. Wie Spiess, Brautfahrt (wie Anm. 20),
S. 36 am Beispiel der österreichischen Erzherzogin Anna zeigt, die sich 1591 ihrer Verheiratung
nach Polen widersetzte, konnten aber schon eindringliche Ermahnungen der widerspenstigen
Tochter genügen, damit diese sich dem Ehearrangement ihrer Familie fügte.
23 Rogge, Töchter (wie Anm. 7), S. 238, vgl. Anderson/Zinsser, Geschichte (wie Anm. 20),
S. 361 f; Spiess, Brautfahrt (wie Anm. 20), S. 36.
24 Rogge, Töchter (wie Anm. 7), S. 256f. Spiess, Brautfahrt (wie Anm. 20), S. 36 nennt als Beispiele
für hochadelige Frauen, die sich ihrer Verheiratung in ein fremdes Land erfolgreich widersetz-
ten, Hadwig, die Nichte Ottos des Großen, und Beatrix von Brabant. Hadwig sollte nach Byzanz
und Beatrix nach Tirol verheiratet werden.
25 Rogge, Töchter (wie Anm. 7), S. 257.
 
Annotationen