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Bihrer, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850 - 1100): Kontakte, Konstellationen, Funktionalisierungen, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 39: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34755#0129

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B) Regiones

tion des Petersklosters in Gent eine zentrale Rolle. Während keine größere Beachtung
von Dunstans Verbannung bei seinen Zeitgenossen nachweisbar ist, wurde die Exiler-
fahrung für die späteren Hagiographen interessant, um das Peterskloster zu loben oder
die standhafte Haltung des Heiligen zu preisen, ohne dass jedoch Ereignisse der Exils-
zeit detailliert geschildert wurden oder der Verbannung eine Schlüsselstellung in den
Dunstan-Viten zukam.
Ab Knut dem Großen wurde die Verbannung zu einem häufig genutzten Instru-
ment in der politischen Auseinandersetzung. Wie zahlreiche Beispiele belegen, wurden
nun Balduin V. und damit Brügge zum wichtigsten Anlaufpunkt für angelsächsische
Verbannte, der auch noch für einige Jahre nach 1066 genutzt wurde. Trotz der Instabili-
tät der Verbindungen aufgrund der meist schnellen Rückkehr in die Heimat, konnten
die Beziehungen für einen Zeitraum von über 50 Jahren unter anderem durch eine Hei-
ratsverbindung stabilisiert werden.
Mit dem >Encomium Emmae< und der >Vita Edwardi Regis< existieren zwei von
kontinentalen Autoren verfasste Biographien, welche die Vertreibung der Königin
Emma bzw. der Godwins aus der Perspektive der Exilierten schildern. Beide Verfasser
zeichnen mit zum Teil identischen narrativen Mustern die Verbannten als aktive Politi-
ker, die zu Unrecht vertrieben worden waren, denen eine große Anhängerschar folgte
und deren Rang im Exil in gleicher Weise anerkannt wurde wie in der Heimat. Auch
alle weiteren historiographischen, hagiographischen und literarischen Darstellungen
nutzten das Repertoire älterer Exildarstellungen seit der Antike und prägten keine neu-
en Modelle des Umgangs mit Exilerfahrungen.
Unterschiedliche Lösungsansätze von beachtlicher Bandbreite fanden die Verfas-
ser jedoch für die schwierige Herausforderung, das Verhältnis von Heimat und Exilort
zu beschreiben. Es fällt auf, dass fast nie Stämme, Nationen, Herrschaftsgebiete oder
Territorien benannt werden, um den neuen Aufenthaltsort zu bestimmen, sondern ent-
weder Personen, wie zum Beispiel die Schutzherren, oder Städte, wie das Epitaph Gun-
hilds eindrucksvoll zeigte, auf dem die Stationen ihres Lebens im Exil aufgezeichnet
waren. Dunstans Hagiographen entwarfen eine möglichst große Distanz zwischen
Heimat und Exilort, um das Leiden, aber auch die Standfestigkeit des Heiligen zu zei-
gen. Der Verfasser des >Encomium Emmae< entwickelte die Vorstellung eines neuen
Raums, in dem Unterschiede und Fremdheit aufgehoben waren. In der >Vita Edwardi
Regis< hingegen folgte die Heimat dem Exilanten nach. Die christliche Umformung und
Transformation der Verbannung, wie sie die altenglischen Elegien oder Predigten Vor-
gaben, war jedoch für keinen der Verfasser attraktiv.

B) 2) d) Ehefrauen
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Töchter, die von ihren Vätern oder anderen männlichen Familienmitgliedern verheira-
tet wurden, kamen in eine neue soziale Umgebung, die sie nicht selbst ausgewählt hat-
ten, sodass man sie wie die Verbannten unter die unfreiwilligen Auswanderer einord-
nen kann. So subsummiert auch Goscelin von St. Bertin in seinem 1080/82 verfassten
>Liber confortatorius< Töchter von Königen und Adeligen unter die Gruppe der Exilan-
ten, Vertriebenen und Peregrini, die fern ihrer Heimat bei fremden Völkern und in
 
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