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DIE POTSDAMER STADTERWEITERUNG VON ARCHITEKT
HANS KAISER, POTSDAM
Die Stadt Potsdam besitzt in der Brandenburger
Vorstadt nach dem Wildpark zu ein großes Ge-
lände, das der Bautätigkeit erschlossen worden ist.
Ausgebaute Straßen waren bereits vorhanden, auch
standen schon einige Villen an der Havelseite. Dem
Baubetriebe der Nachkriegsjahre entsprechend hätte
man hier vielleicht nur Siedlungen geplant, doch
Schöpfung entsteht. Das beweisen uns gerade Kaisers
Bauten in Potsdam. Mit erstaunlicher Einfühlung ist
der alte Geist Potsdams in dieser neuen Anlage
lebendig weitergeführt. Und doch finden wir ein
Neugestalten und Umwerten im Sinne unserer Zeit.
Am besten vielleicht in dem Kaufhaus am Markt-
platz, das in seiner architektonischen Geschlossen-
dazu entschloß sich
die Stadt Potsdam
nicht. Die Stadterwei-
terung sollte vorwie-
gend Stadtcharakter
tragen und eine im
ganzen geschlossene
Bauweise zeigen. In-
folgedessen wurde die
Hauptstraße für zwei-
und dreistöckigeMiets-
häuser bestimmt,
während die Seiten-
straßen mehr den Ein-
familienhäusern ein-
geräumt blieben.Die-
ser Entschluß ist sehr
zu begrüßen. Denn
nicht überall sind
Siedlungsbauten am
Platz und den beson-
deren Wohnungsbe-
dingungen des Städ-
ters wären sie wenig
angemessen gewesen.
Stadt bleibt eben Stadt
mit der Notwendig-
keit geschlossener
Bauweise, aber auch
mit ihren Vorzügen.
Der Aufgabe einer
Stadter Weiterung ste-
Hans Kaiser, Potsdam
Hauseingang
(Detail zur Abb. S. 194)
heit und klaren, lich-
ten Flächengliederung
die vornehm beschau-
liche Repräsentation
der Residenz verkör-
pert.
Der klassizistische
Charakter fand in den
Mietshäusern an der
Hauptverkehrsstraße
seinen stärksten Aus-
druck, wo er sich in
der knappen, strengen
Pilastergliederung
der dreigeschossigen
Häusergruppen zu
einer gewissen Monu-
mentalität steigert.
Festlicher wiederum
erhebensich die Eck-
häuser in der Luisen-
straße, die in ihrer
betonten Isoliertheit
vielleicht zu sehr als
Einzelhaus, zu reser-
viert wirken. Gut fügt
sich diesen Häusern
die moderne Orna-
mentik an Risalit
und Türgewände ein,
die der Bildhauer
Lemke-Berlin schuf.
hen zwei Möglichkeiten offen: entweder schafft
man etwas ganz Neues, Selbständiges — oder man
setzt die alte Anlage stilistisch fort. Beide Lösungen
haben viel für sich. Architekt Hans Kaiser wählte
die letztere und führte die Stadterweiterung im
Sinne der Altstadt Potsdam aus.
Die Frage, ob Neuschöpfung oder Wahrung der
Tradition vorzuziehen sei, ist schwer zu entscheiden.
Es kommt letzten Endes auf die Qualität an, zumal
da ja auch eine traditionelle Schöpfung so viel Neues
und so viel Zeitstil in sich birgt, daß doch eine Neu-
In den Nebenstraßen kommt der ländliche Charak-
ter zur Geltung. Die ein- und zweigeschossigen
Einfamilienhäuser zeichnen sich durch ihre guten
Proportionen aus; sie bekunden die sonnige Be-
haglichkeit, die in den stillen Seitenstraßen wohnen
soll.
Das starke Können Kaisers offenbart uns auch
der Bau des Landhauses des Freiherrn von Grote
bei Crossen a. O., der an Stelle einer alten Försterei
errichtet wurde und sich bodenständig zwischen den
alten Baumriesen geborgen fühlt.
MOD. BAUFORMEN 1922. VH, 1.
DIE POTSDAMER STADTERWEITERUNG VON ARCHITEKT
HANS KAISER, POTSDAM
Die Stadt Potsdam besitzt in der Brandenburger
Vorstadt nach dem Wildpark zu ein großes Ge-
lände, das der Bautätigkeit erschlossen worden ist.
Ausgebaute Straßen waren bereits vorhanden, auch
standen schon einige Villen an der Havelseite. Dem
Baubetriebe der Nachkriegsjahre entsprechend hätte
man hier vielleicht nur Siedlungen geplant, doch
Schöpfung entsteht. Das beweisen uns gerade Kaisers
Bauten in Potsdam. Mit erstaunlicher Einfühlung ist
der alte Geist Potsdams in dieser neuen Anlage
lebendig weitergeführt. Und doch finden wir ein
Neugestalten und Umwerten im Sinne unserer Zeit.
Am besten vielleicht in dem Kaufhaus am Markt-
platz, das in seiner architektonischen Geschlossen-
dazu entschloß sich
die Stadt Potsdam
nicht. Die Stadterwei-
terung sollte vorwie-
gend Stadtcharakter
tragen und eine im
ganzen geschlossene
Bauweise zeigen. In-
folgedessen wurde die
Hauptstraße für zwei-
und dreistöckigeMiets-
häuser bestimmt,
während die Seiten-
straßen mehr den Ein-
familienhäusern ein-
geräumt blieben.Die-
ser Entschluß ist sehr
zu begrüßen. Denn
nicht überall sind
Siedlungsbauten am
Platz und den beson-
deren Wohnungsbe-
dingungen des Städ-
ters wären sie wenig
angemessen gewesen.
Stadt bleibt eben Stadt
mit der Notwendig-
keit geschlossener
Bauweise, aber auch
mit ihren Vorzügen.
Der Aufgabe einer
Stadter Weiterung ste-
Hans Kaiser, Potsdam
Hauseingang
(Detail zur Abb. S. 194)
heit und klaren, lich-
ten Flächengliederung
die vornehm beschau-
liche Repräsentation
der Residenz verkör-
pert.
Der klassizistische
Charakter fand in den
Mietshäusern an der
Hauptverkehrsstraße
seinen stärksten Aus-
druck, wo er sich in
der knappen, strengen
Pilastergliederung
der dreigeschossigen
Häusergruppen zu
einer gewissen Monu-
mentalität steigert.
Festlicher wiederum
erhebensich die Eck-
häuser in der Luisen-
straße, die in ihrer
betonten Isoliertheit
vielleicht zu sehr als
Einzelhaus, zu reser-
viert wirken. Gut fügt
sich diesen Häusern
die moderne Orna-
mentik an Risalit
und Türgewände ein,
die der Bildhauer
Lemke-Berlin schuf.
hen zwei Möglichkeiten offen: entweder schafft
man etwas ganz Neues, Selbständiges — oder man
setzt die alte Anlage stilistisch fort. Beide Lösungen
haben viel für sich. Architekt Hans Kaiser wählte
die letztere und führte die Stadterweiterung im
Sinne der Altstadt Potsdam aus.
Die Frage, ob Neuschöpfung oder Wahrung der
Tradition vorzuziehen sei, ist schwer zu entscheiden.
Es kommt letzten Endes auf die Qualität an, zumal
da ja auch eine traditionelle Schöpfung so viel Neues
und so viel Zeitstil in sich birgt, daß doch eine Neu-
In den Nebenstraßen kommt der ländliche Charak-
ter zur Geltung. Die ein- und zweigeschossigen
Einfamilienhäuser zeichnen sich durch ihre guten
Proportionen aus; sie bekunden die sonnige Be-
haglichkeit, die in den stillen Seitenstraßen wohnen
soll.
Das starke Können Kaisers offenbart uns auch
der Bau des Landhauses des Freiherrn von Grote
bei Crossen a. O., der an Stelle einer alten Försterei
errichtet wurde und sich bodenständig zwischen den
alten Baumriesen geborgen fühlt.
MOD. BAUFORMEN 1922. VH, 1.