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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 21.1922

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Nr. 21
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Singer, Hans Wolfgang: Ausgeführte Bauten und Entwürfe von Architekt Dr. Ing. Otto Schubert - Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.55563#0372

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246

AUSGEFÜHRTE BAUTEN UND ENTWÜRFE VON ARCHITEKT
DR. 1NG. OTTO SCHUBERT-DRESDEN

Das Elend unsrer Zeit und unsrer Lage tritt einem
schon vor Augen wenn man Querschnitte in kleinem
durch das alltägliche Leben und Schaffen des Einzelnen
vornimmt. Vergleicht man die baulichen Leistungen
Dr. Schuberts, so wird man förmlich daraufgestoßen.
In den Arbeiten der Jahre 1911 bis 1914 regt sich noch
ein freier Geist. Wenn auch die Eigenheim-Anlage Gruna
mit der Börse des Mittelstandes rechnet, so ist die Ab-
sicht doch klar, die Forderung des praktischen Bedürf-
nisses durch das Walten der Phantasie zu verschönern.
Auch für so einfache Verhältnisse gedachte Anlagen, wie
die Siedlungen in Reichenbach, in Cölitz, in Obergohlis
verraten, schon einmal durch die nicht allzukarge Er-
ledigung der Platzfrage, daß man vielleicht mit den Hundert-
markscheinen, jedoch noch nicht mit den Groschen und
Pfennigen zu sparen angewiesen war. Am schlagendsten
hierfür sind die beiden Abbildungen des Gruppenbaus auf
der Pennrichstraße in Dresden-Löbtau, der ursprüngliche
Entwurf vom Jahre 1918 etwa, und die schließliche Aus-
führung.
Das Schlagwort ist der Verzicht: — der Verzicht auf das
Ornament im vornehmsten Sinne des Wortes.
Wenige Architekten wird dieser Verzicht so stark treffen
wie Herrn Dr. Schubert. Wenn ich mich nicht irre, ist die
feine Durchbildung des Einzelglieds, die geistvolle Moti-
vierung jeder Abweichung von der schlichten Vertikale
und Horizontale, seine starke Seite. Etwa wie die Durch-
bildung des Ornaments die Hauptstärke — in einer so
viel glücklicheren Zeit — Sempers war.
In betreff Schuberts wird man das bestätigen können
an dem Überbleibsel, das der Pennrichstraßenbau zeigt.
Ein leichtes Betonen der Mitte durch Hervorheben des
Risalits, das Zusammenfassen zweier Fensterpaare zu
flachen Wandpfeilern, die Umrahmung einiger Wandfelder
im dritten Stock, das Einschalten einer gliedernden Wage-
rechten, — wie bescheiden ist der Aufwand, und doch wie
gibt es dem Bau Rhythmus und Eigengesicht! Ich zweifle,
ob es viele Künstler gibt, die mit einem derartig geringen
Aufwand doch immerhin eine derartige Wirkung erzielen
können.
Bei dem großen Verzicht bleibt ja nur noch eins übrig,
— das feine Ausmessen der Verhältnisse, die richtige An-
ordnung der Lichter in der großen Wandfläche. Auch das
ist eine der Trumpfkarten Dr. Schuberts. Versündigungen
in entgegengesetzter Richtung hat uns die verflossene
Architekten-Generation im Überfluß gebracht, hier in
Dresden. Da gibt es ein Finanzministerium, das trotz seiner
gewaltigen Ausdehnungen alles andere wie groß aussieht.
Daneben steht noch ein Kasten, — schmucklos bis zum
Äußersten, — aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Aber
man sieht an ihm hinauf, während das Ministerium mit dem

zehnfachen Kubikinhalt wie eine kleine, durch ein Vergrös-
serungsglas angesehene Anlage ausschaut. Dann die Kunst-
akademie auf der Brühlschen Terrasse, ein wahrer Hohn
auf die Baukunst. Das ist vielleicht das abschreckendste
Beispiel für Fensterbehandlung, das überhaupt in Deutsch-
land zu sehen ist und es liegt keine Entschuldigung darin,
daß es sich um Atelierfenster handelt.
An solchen Dingen war nichts zu erlernen, wohl aber
an anderen Dresdener Vorbildern aus entfernteren Zeiten.
Im großen Garten stehen heute noch Pavillons, — jetzt
Wohnhäuser, — aus dem späten 17., — frühen 18. Jahr-
hundert. Dr. Schubert hat nicht ein einziges Merkmal
daher übernommen, und doch lebt der Geist davon in
mehreren seiner Kleinvillen für die Gruna-Einfamilien-
siedlung auf. Es werden wohl die allgemeinen Raum-
und Höhenverhältnisse sein, die die Erinnerung daran
wachrufen.
Glücklich empfindet man eine solche Anknüpfung, die
nicht wiederholt, sondern weiterführt. Sie ist auch klug
und wieder fein empfunden, — im Gegensatz zu den Lei-
stungen eines unlängst verstorbenen Stadtbaumeisters, der,
statt bodenständig zu sein, seine Münchener Erinnerungen
bei uns ablud und das Städtebild mit Bauten in dem süd-
deutschen Weiß-Gold verunzierte, die wohl wirken können,
dort, wo ihnen der Boden geschichtlich entgegenkommt,
nicht aber hier, wo sie aus der ihnen zustehenden Um-
gebung herausgerissen, gleichsam in der Fremde bei uns
stehen.
Das Anpassen an das Bodenständige, Vorhandene verrät
auch in fesselnder Weise der Galerieentwurf Dr. Schuberts,
dem es glückt, sich sowohl mit Pöppelmanns Zwinger wie
mit Sempers Museum zu vertragen, dabei aber doch neue
und nicht etwa historische Formensprache entfaltet. Und
wiederum gilt das von dem Entwurf für das Hygienemuseum,
der einigermaßen freiere Bahn vor sich hatte, da er ja
nur in der Gegend alter Denkmäler, nicht unmittelbar an
sie anstoßend, zu errichten war, anderseits den Künstler
einengte, da mittlerweile das strenge Gebot äußerster Spar-
samkeit sich eingestellt hatte.
Die Auswahl der Abbildungen entspricht den Erforder-
nissen der Zeit, wie es nicht anders sein kann. In einigen
von den Privatvillen, die vor Ausbruch des Krieges er-
richtet worden sind, erkennt der Kundige hie und da, an
einzelnen Baugliedern, an dieser und jener edel durch-
geführten Form, worin die Stärke des Talents Dr. Schuberts
liegt. Wollte man aber weniger den Zeitbedürfnissen dienen,
als sich über den Mann und sein starkes Können unter-
richten, dann müßte man sich in dessen große Projekte,
den Schauspielhausentwurf für Dresden, Rathäuser für
Mühlheim und Hannover, Kurhaus für Karlsbad, große
Warenhäuser u. a. m. vertiefen. Prof. Dr. Hans W. Singer.
 
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