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Modus: Prace z historii sztuki — 10-11.2011

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Recenzje i omówienia
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Adamski, Jakub: Anne Schaich, Mittelalterliche Sakristeien im deutschsprachigen Gebiet. Architektur und Funktion eines liturgischen Raums
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https://doi.org/10.11588/diglit.19092#0215

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Fraglich ist dabei allerdings die Einfuh-
rung des Begriffes „emgetiefte Sakristei" ais
eigenstandiger typologischer Einheit. Ge-
meint sind damit Raume, die einige Stufen
unterhalb des Niveaus vom ChorfuBboden
gelegen waren und die wir oft in Branden-
burg und Meklemburg vorfmden (wie etwa
in den Kirchen zu Beeskow, Fiirstenwalde,
Franfurt an der Oder, Gransee, Prenzlau
und Anklam). Es scheint kaum, dass solche
Lósungen in einer besonderen Art und Weise
funktionell bedingt gewesen waren; móg-
licherweise haben wir es hier einfach mit
einer lokalen Bautradition zu tun, obwohl
dies gar nicht die einzigen Beispiele von so
angelegten Innenraumen sind. Mit Sicherheit
kommen sie auch auBerhalb von Nord-
deutschland vor. Zu bedenken ist dabei, dass
Chore von mittelalterlichen Kirchen etwas
gehoben waren, und zwar wegen der unter
ihnen befindlichen Krypten, die ja unter Sa-
kristeien eher nicht gebaut wurden.

Ebenso fragwurdig scheint auch ein
anderer Untertyp, den Schaich ais „frei ste-
hende Sakristeien" bezeichnet. Es handelt
sich hier aber - entgegen dem Namen - nicht
um wórtlich frei stehende Raume innerhalb
der Kirchenbauten oder um lrgendwelche
vom Baukórper abgelóste Nebenraume,
sondern um Sakristeien, die nicht einmal
aus der Fluchtlinie der Umfassungsmauern
hervorspringen und mit ihnen vóllig inte-
griert sind, indem sie eine der Langhausek-
ken mit sich „ausfullen". Lósungen dieser
Art, die beispielsweise an vier Pfarrkirchen
Braunschweigs (St. Martin, St. Katharina,
St. Andreas und St. Magnus) vorzufinden
sind, zweifellos interessant im Hinblick auf
die spatgotische Tendenz zur Vereinheifli-
chung des Baukorpers, sollte man vielmehr
„integrierte Sakristeien nennen". denn die
Bezeichnung „frei stehend" ist in diesem Zu-
sammenhang vóllig unverstandlich, ebenso
wie die Behauptung der Verfasserin. dass es
sich in diesem Fali um ein eigenartiges Pha-
nomen von „Raum in Raum" handle.

Die Verfasserin bespricht auch verschie-
dene Methoden. die Sakristei mit dem Rest
des Kirchenbaus zu verbinden, wobei sie
zu Recht feststellt, dass - abgesehen von
Klosterensembles - Raume dieser Art in
der Regel mit dem Chorinneren kommuni-
zierten. Falsch ist freilich die Behauptung.
dass es im Mittelalter keine AuBentiiren zu
Sakristeien gegeben habe und dass „eine
alte Tur im ersten Bauabschnitt der Mainzer
Domsakristei (...) das einzige auffindbare
Beispiel" bilde. Dieser Ansicht widerspre-
chen die - der Verfasserin offenbar unbe-
kannten - auch von auBen her zuganglichen
Sakristeien, die man vielerorts vorfmdet. und
zwar nicht nur im deutschsprachigen Raum,
sondern etwa in Polen. Zu nennen waren hier
beispielweise die Kirchen: St. Laurentius in
Lorch bei Enns (Oberósterreich), St. Niko-
laus in Anklam (Vorpommern)', St. Jakob
in Thorn, St. Magdalena und St. Elisabeth
in Breslau, St. Katharina in Guhrau (Góra
Śląska), St. Marien in Sommerfeld (Lubsko,
Lausitz) oder groBpolnische Pfarrkirchen in
Schwerin an der Warthe (Skwierzyno), in
Meseritz (Międzyrzecz) und in Neustadt an
der Warthe (Nowe Miasto nad Wartą). Die
mittelalterliche Herkunft der AuBenportale
von dortigen Sakristeien steht auBer jegli-
chem Zweifel.

Ais eine Schwache der Abhandlung von
Frau Schaich ist auch die oberflachliche
Behandlung der Frage von zweigeschossigen
Sakristeien anzusehen, die doch im Hinblick
auf ihre verschiedenartige Formen und ihre
Funktionen ais besonders interessant gelten.
Die Verfasserin bemerkt zwar richtig, dass
Lósungen dieser Art fast ausschlieBlich fur
stadtische Kirchen charakteristisch seien.
aber sie hat Funktionen der Obergeschosse
solcher Sakristeien nicht eingehend genug
untersucht. Auf Seite 178 stellt sie namlich

7 Die Verfasserin hat dieses Beispiel friiher ais
„eingetiefte Sakristei" beschrieben. Umso mehr
\ erwundert deshalb, dass sie dabei die AuBentur zu
diesem Raum iibersehen hat.

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