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Mönchen, 1. Okt. 1913.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint )4tägig unter Leitung von MaterProf. Ernst Berger.

I. Jahrg. Nr. 1.

Inhalt: Mikroskopische Untersuchungen über die in den verschiedenen Kunstperioden der Maierei verwen-
deten Farbstoffe. Von Prof. Dr. E. Raehimann in Weimar. — Ueber Stärketempera. — Neue
Patente.

Mikroskopische Untersuchungen über die in den verschiedenen Kunstperioden
der Malerei verwendeten Farbstoffe.*)
Von Prof. Dr. E. Raehimann in Weimar.

I.
Die biauen Farben, ihr Vorkommen und
ihre kunstgeschichtiiche Bedeutung.
Die mikroskopische Untersuchung der Farben
alter Bilder und alter Wandmalereien iiefert uns
eine grosse Menge von Anhaltspunkten, um die
Zeit der Entstehung der Bildwerke und event.
auch, um das Land und die Künstlergruppe bzw.
Schule, aus der sie hervorgegangen, zu bestimmen.
Zu allen Zeiten sind die Künstler vom Material
abhängig gewesen, und dieses Material ist von
den Meistern der Kunst nach bestimmten Grund-
sätzen und Regeln unter dem Einflüsse der Tra-
dition in Kunstschulen und Gilden zu ganz be-
stimmten Techniken verwendet worden. Von den
Meistern ist diese Technik auf die Schüler über-
gegangen und zu einer Eigenart kunsttechnischer
Verwendung geworden, welche in verschiedenen
Ländern und in verschiedenen Zeiten verschieden
gewesen ist.
In den Erzeugnissen der Kunst verschiedener
*) Durch das freundi. Entgegenkommen Sr. Exz.
Herrn Prof. Dr. Raehimann sind wir in der Lage,
den X. Jahrgang dieser Blätter mit vorliegendem
Artikel des bekannten Gelehrten beginnen zu können.
Die Leser werden daraus ersehen, welch grosse Wich-
tigkeit der mikroskopisch-mikrochemischen Analyse
für die Erforschung und die Kenntnis der alten Ma-
lerei beigemessen werden muss, und dass die von Exz.
Prof. Raehimann in so ausgedehntem Massstabe syste-
matisch vorgenommenen Untersuchungen geeignet sind,
manche Fragen der Maltechnik einer Lösung entgegen-
zuführen und in vieler Beziehung aufklärend zu wirken.
Um die Artikelserie nicht allzusehr zerstückeln
zu müssen, werden die nächsten Nummern des Jahr-
ganges nach Bedarf in vergrössertem Umfange er-
scheinen. Die Schriftleitung.

Länder und verschiedener Zeiten muss sich also
ein Unterschied in dem verwendeten Material
und ferner auch ein Unterschied in der Anwendung
und im Aufbau desselben wiederfinden lassen,
wenn es gelingt, dieses Material in den alten
Kunstwerken optisch und chemisch zu analysieren.
Wie dem Leser bekannt sein wird, habe ich
vor einem Jahrzehnt zuerst auf die Möglichkeit
hingewiesen, mit Hilfe des Mikroskopes die Be-
standteile der verwendeten Materialien in alten
Bildern festzustellen.
Meine späteren Untersuchungen an einem
grossen Material haben dann ergeben, dass es
nicht allein möglich ist, in kleinen Fragmenten
alter Wandmalereien und in kleinen Stücken alter
Bilder die einzelnen Farbenschichten, welche der
Maler aufgetragen hat, voneinander zu scheiden
und jede für sich zu untersuchen, sondern dass
man in den einzelnen Schichten selbst die ver-
wendeten Farben und die Bindemittel zu erkennen
vermag. Damit ist aber die Aufgabe der mikro-
skopischen und mikrochemischen Untersuchung
keineswegs begrenzt. Es hat sich vielmehr bei
Untersuchung einer grossen Anzahl von Farben,
die in den Bildschichten gefunden wurden, heraus-
gestellt, dass man imstande ist, die verwendeten
Farbstoffe an charakteristischen Eigenschaften,
teils optischer, teils chemischer Natur, zu erkennen.
Vor allem wichtig ist aber der Nachweis, dass
es in den meisten Fällen gelingt, in den Farben,
welche im Gemälde an einer bestimmten Stelle
vorhanden sind, die Bestandteile wiederzufinden,
aus welchen diese Farben gemischt sind. Man
kann also in einer bestimmten Bildschichte nicht
allein z. B. grüne und rote Farben usw. erkennen,
 
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