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KOHSTlECDHISCm

Manchen, 20. Juli 1914.

Beitage zar „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig anter Leitang von Maier Prof. Ernst Berger.

I. Jahrg. Nr. 22.

Inhalt: Ad. Bayersdorfer: Ueber das Pettenkofersche Regenerationsverfahren. — Weisser oder schwar-
zer Aetzgrund. Von Walter Ziegler. — Vom Zeichnen und Malen. Von Ch. Mangold. — Literatur.

Ad. Bayersdorier: Ueber das Pettenkoiersche Regenerationsveriahren
(Schluss.)

Wie bereits oben erwähnt worden ist, springt
also das regenerierte Bild sehr bald wie-
der, und zwar im erhöhten Masse. Um dieses
nun zu verhindern, wurden die behandelten Bil-
der mit Balsamkopaiv eingerieben, und in solchem
Zustande waren sie ehemals in der Pinakothek
vor aller Augen ausgestellt. Der mit der Zeit
gelb gewordene Firnis, der die Intention des
Meisters überhaupt nur getrübt erkennen liess,
war nun mit dem in vielen Ritzen des Bildes
sitzenden Schmutze fest zusammengebacken, und
gelb wie er war, noch mit einer weiteren Schicht
von Kopaivabalsam bedeckt, so dass das Auge
bei Betrachtung des auf lange Zeit speckig und
pappig aussehenden Bildes die unangenehme
Empfindung hatte, durch eine zu dicke und zu
wenig durchsichtige Decke sehen zu müssen, um
zum eigentlichen Bilde zu gelangen, und der ge-
übte Gemäldebeschauer unbewusst im Innern die
Rekonstruktion machte, wie die Bilder eigentlich
ohne Firnis aussehen möchten. Wehe aber dem
so behandelten Bilde, wenn es mit Firnislasuren
gemalt war. Dieselben haben dann allen Cha-
rakter, alle Haltung verloren und verleihen dem
Bilde den Ausdruck eines unsicher tastenden
Willens einer unfertigen Künstlernatur. Es ist
allerdings eine gewagte Sache, den Firnis von
einem Bilde abzunehmen, aber zur vollständigen
Erhaltung und richtiger Wirkung des Bildes ist es
unumgänglich notwendig. Es gibt Leute, welche
dieses konnten und können, wenn sie auch nicht
in München in der Pinakothek angestellt waren.
Wir hatten heuer Gelegenheit, in der Aus-
stellung älterer Meisterwerke an den musterhaft
erhaltenen Bildern des Herrn Suermondt, die alle
diese gefährliche Prozedur durchzumachen gehabt
hatten, zu erkennen, dass das in München mit

Recht verpönte Abnehmen des Firnisses ohne
Gefahr möglich ist. Aber der Privatmann, sofern
er Kenner ist, sieht auf sein Eigentum mit ganz
anderen Augen als der angestellte Restaurator,
bei dessen Anstellung nicht immer bloss seine
Kenntnisse und Fähigkeiten in Betracht kommen,
auf das ihm anvertraute Staatsgut blickt. Die
Aufnahme des Pettenkoferschen Regenerations-
verfahrens in der Münchener Galerie war inbetreff
des Restaurationswesens wirklich ein Fortschritt
zur Besserung, der Eintritt einer glücklicheren
Aera gewesen.
Wir wir bereits erwähnten, ist das Verfahren
mit Erfolg und gefahrlos anzuwenden bei nicht
gesprungenen, einfach gefirnissten und durch
einen Zufall (raschen Temperaturwechsel, Trans-
locierung an einem feuchten Ort usw.) erblindeten
Bildern. Dieser bläulich-graue, sog. Bilder-
schimmel ist, wie Herr Professor Pettenkofer
nachgewiesen hat, Folge einer Störung im mole-
kularen Zusammenhang der Firnisschicht und rührt
wohl nur von der Feuchtigkeit her, welche an-
zuziehen und aufzünehmen alles Harz die Eigen-
schaft hat, wie man an jedem in den Boden ge-
grabenen Stückchen Siegellack beobachten kann.
Ein nasses Glas hinterlässt auf dem gefirnissten
Wachstuchtische einen weissen Ring, den jede
verständige Hausfrau schon seit langen Zeiten
mit einem mit Spiritus befeuchteten Lappen auf
der Stelle regeneriert, wenn sie nicht warten will,
bis durch fortgesetzte Einwirkung der Zimmer-
wärme das im Harz gebundene Wasser von selbst
verdampft. Auch bei den Bildern ist es wohl
nur Wasser und schwerlich Luft, was sich zwi-
schen die Firnisteile gedrängt hat; denn solche
Bilder bessern sich, wenn man sie durch Reibung
mit einem seidenen Tuche erwärmt oder einer
 
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