Manchen, 13. Okt 1913.
Beiiage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint )4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.
X. Jahrg. Nr. 2.
Inhait: Mikroskopische Untersuchungen über die in den verschiedenen Kunstperioden der Maierei verwen-
deten Farbstoffe. Von Prof. Dr. E. Raehimann in Weimar, (i. Fortsetzung.) — Eine neue Maimethode.
Von Dr. phii. O. Aschermann. — Wie ein modernes Freskogemäide entsteht. — Literatur.
Mikroskopische Untersuchungen über die in den verschiedenen Kunstperioden
der Malerei verwendeten Farbstoife.
Von Prof. Dr. E. Ra
Tatsächlich ist dieses Verhalten für Indigo
charakteristisch.
Wir dürfen also wohl annehmen, dass die
Alten Stoffe mit Indigo blau gefärbt haben.
An einer Anzahl blauer Fäden aus einem
alten koptischen Gewebe konnte ich Indigo
als Farbstoff mit Sicherheit nachweisen.
Daraus ist zu entnehmen, dass jedenfalls schon
in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit-
rechnung der Indigo in Aegypten zur Färbung
benutzt wurde.
In der Malerei des späten Mittelalters und
später findet sich der Indigo viel verwendet;
aber mehr in der Illuminierkunst und in der
Wachsmalerei als in Tafel- und Leinwandbildern.
Der früheste wirkliche Nachweis von Indigo-
teilchen gelang mir bei der Untersuchung der
blauen Bemalung einer Holzfigur (vom 9. bis
10. Jahrhundert). Ferner fand ich Indigoteilchen in
dem Fragmente einer Wandmalerei aus dem noch
erhaltenen Teil des alten Domes in Goslar.
In beiden Fällen war das Blau durch Bei-
mischung von Kreide aufgehellt.
In Mischung mit Siennaerde und Auripigment
(=Schwefelarsen-Sandarak) fand ich ferner Indigo
zur Herstellung eines dunklen Grüns in einer Malerei
auf Holz aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts
verwendet.
Diese Malerei stammt aus der Friedhofskapelle
zu Balingen in Württemberg und befindet sich zurzeit
im Museum vaterländischer Altertümer in Stuttgart.
In all diesen Fällen sowie auch in dem Blau
der Indigofarben späterer Malereien handelt es
sich wahrscheinlich nicht um den alten „Color
indicus", dem „i.r&xoW des Dioskorides und des
Plinius, sondern um Waid, dessen Blau schon Pli-
hlmann in Weimar. (1. Fortsetzung.)
nius bekannt war, von ihm aber für eine Fälschung
des Indigo gehalten wurde.
Gegenwärtig wissen wir, dass das Blau aus
der Pflanze Waid, die schon im 9. Jahrhundert
in Deutschland angebaut war, um die Farbe zu
gewinnen, mit dem Blau des Indigo chemisch
identisch ist. Doch soll der Indigo Asiens, nament-
lich der aus der Provinz Aqra, den die Alten
vorzugsweise verwendeten, eine lebhaftere blaue
Farbe besitzen als unser Waid.
Mikroskopisch ist der Indigo in den Malereien
nicht schwer zu erkennen. Im durchfallenden
Lichte sind seine Teilchen wenig — nur in ganz
dünnen Schichten durchsichtig und zeigen
dann eine mehr blaugrüne Farbe. Dieses
eigenartige matte Grünblau des Indigo
unterscheidet sich scharf, wegen seiner
charakteristischen Nuance, von dem Blau
aller übrigen verwendeten Farbstoffe,
welche in alten Malereien Vorkommen
können. Wo einigermassen dickere Schichten
von Indigoteilchen oder dichtere Gruppen solcher
zusammenliegen, da sind die Teile undurchsichtig
und erscheinen schwarz. Auch im auffallenden
Lichte ist bei einer Vergrösserung von mehr als
IOO fach an solchen Teilen kaum noch Farbe
zu erkennen. Die mangelhafte Durchsichtigkeit
und mangelhafte Transparenz unterscheidet sich
scharf von dem Verhalten des Lapislazuli, des
Ultramarins (vergl. weiter unten) und besonders
auch des Frittenblau der antiken Malerei. —
Alle diese Farbstoffe sind auch in dickerer Lage
bedeutend transparenter.
Meistens ist auch zwischen den Teilchen der
letztgenannten Farben und den Indigoteilchen ein
morphologischer Unterschied vorhanden.