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Nr. 3.

Münchner kunsttechnische B!ätter.

11


bildung (Kohlensäureentwicklung) auf! Die Farb-
schichten aber bleiben im Zusammenhänge er-
halten.
Auf dem Stuck (%) liegt zunächst eine fein-
körnige bis faserige, wachs-
artig durchscheinende Lage
(A) und darüber ein Weiss
bis Grauweiss von feinkör-
niger Beschaffenheit (c),
darüber liegt die verhältnis-
mässig dicke Lage des
Frittenblaus (<%). Ueber
dem Blau findet sich noch
eine dünne grünlich-graue
Deckschicht, welche stel-
lenweise krümelig bis pul-
verig zerfallen ist (^). Die
Oberfläche des Kalkstuckes
ist geglättet. Die freie
Oberfläche der Farben
ebenfalls bis auf Unregel-
% mässigkeiten der Ebene,
die durch den Zerfall der
Deckschicht bedingt sind.
Die dünne, wachsartige, und die weisse Schicht
unter dem Blau Hessen sich von dem Blau trennen.
Sie zeigen keine oder höchstens ganz geringe
organische Bestandteile, da sie in konzentrierter
Schwefelsäure nicht schwarz werden! Im Blau
finden sich zahlreiche kleinste splitterige, durch-
sichtige und farblose Beimengungen, gegen Säuren
widerstandsfähige und feuerbeständige Silikate
sowie zahlreiche schwarze undurchsichtige Brocken
(Kohle!).
Beim Glühen wird die blaue Schicht mit der
Deckschicht in eine gelbrötliche Platte verwandelt,
in welcher aber die blauen Fritten noch erhalten
sind. Neben diesen finden sich aber durch das
Brennen entstandene gelbe, starkrote und fahl-
graue Teilchen. Die gelben und rotgelben Teil-
chen herrschen vor! In den Farbschichten sind
also erdige (Siena-?) Bestandteile, von denen ein-
zelne gelb, andere rot gebrannt sind. Die unter
dem Blau befindlichen Schichten sind beim
Glühen hell-lehmgelb geworden. Diese zu-
erst auf den Kalkstuck aufgetragenen „Grundie-
rungen" scheinen also tonerdehaltig zu sein.
Die direkt auf dem Stuck liegende, wachs-
artig durchscheinende Lage hat eine eigentüm-
lich faserige (40O fache Vergrösserung) Beschaffen-
heit und im auffallenden Lichte eine opake weisse
Farbe. Dieses Weiss fand sich auch in mehreren
anderen ägyptischen Stuckproben und bisweilen
auch in den Wandfarben der pompejanischen und
römischen Tektorien; immer als Unterlage der
eigentlichen Wandfarbe*).

*) Auch in der Tafelmalerei des 14. bis 16. Jahr-
hunderts findet sich unter den Temperafarben nament-
lich der Renaissancemalerei ein ganz ähnliches fein-

Dieses Weiss scheint dem Parätonischen Weiss
des Plinius zu entsprechen, von welchem er in
Bd. I, 1, 36 eine den mikrochemischen Befunden,
die oben angeführt wurden, ganz entsprechende
Schilderung liefert (vgl. auch Vitruv VII, y, 3).
Da der Stuck sich vollständig in 2°/piger Salz-
säure auflöst, die erwähnte weisse Schicht
sowie die Farbschichten aber in Salzsäure
— erhalten blieben, kann es sich nicht um
Freskomalerei handeln.
Beim Glühen werden die Proben zuerst schwarz.
Diese Erscheinung spricht dafür, dass es sich um
Temperamalerei auf einem Stuckgrund handelt,
der vor der Bemalung mit einem weissen,
auch nicht in Fresko aufgesetzten Ueber-
zug versehen wurde.
Der Nachweis einer solchen unter den eigent-
lichen Wandfarben, direkt auf dem Kalkstuck
liegenden weissen Schicht, welche in Salzsäure
unverändert bleibt, kann als ein direkter Beweis
dafür angesehen werden, dass die Technik des
Auftrages der blauen Farben ganz unab-
hängig ist von dem Kalkstuck, folglich
dem Fresko gänzlich fernsteht!
Das dritte Stück des ägyptischen Blaus aus
dem Kaiser-Friedrich-Museum (Lepsius, Nr. 84),
welches derselben Zeitperiode (1200 v. Chr.) an-
gehört, ist das interessanteste.
Die Probe rührt offenbar von einer besseren
Malerei her, da die blaue Farbe an verschiedenen
Stellen der Stuckfläche verschiedenfarbig
unterlegt ist.
Es zeigt sich hier also bereits jene raffinierte
Technik, welche durch Uebereinanderlegen ver-
schiedener Farbschichten einen eigenartigen Misch-
ton hervorbringt, der bei einmaligem Farbenauf-
trag durch Mischung nicht zu erzielen ist.
Auf der freien und geglätteten Kalkstuck-
oberfläche findet sich bei % eine Untermalung aus

körniges bis faseriges halbtransparentes Weiss, welches
als Zwischenlage zwischen der Gips- oder Kreide-
grundierung, welche hier dem Stuck der alten Wand-
malerei entspricht, und den Farblagen vielfach ange-
trolfen wird. Dieses Weiss scheint mit dem von
Cennini Kap. 116 und 162 beschriebenen „Feingips"
identisch zu sein. Es ist in der späteren Malerei nach
Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr anzutreffen und
auch der heutigen Kunstmalerei völlig fremd.
In der Renaissancezeit ist der „Feingips" des Cennini
jedoch vielfach in der Grundierung der Tafel- und
Leinwandbilder anzutreffen. In einigen Tafelbildern
der Tizianschule z. B. bei Paris Bordone fand ich ihn
als einzigen Bestandteil der Grundierung in dicker Lage
verwendet. Oft ist er, in dünner Schicht — auch als
Überzug über Bolusgrund gelegt.
Der Feingipsgrund stellte einen mächtigen Reflektor
vor, dem die Farben der alten-Meister einen Teil ihrer
Leuchtkraft verdanken.
Diesen alten Feingipsgrund hat der Verfasser wie-
der herzustellen gesucht und der Firma Günther Wagner,
Hannover zur Fabrikation übergeben.
 
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