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Nr. 3.

Münchner kunsttechnische Blätter.

13

oder überall, wo eine exakte Zeichnung nötig ist, wird
diese mehr oder weniger in warmen Tönen durch-
modelliert, doch wie gesagt, nur mit dünnen Aufträgen.
Nun komme ich zur Ausführung und zugleich zum
wichtigsten Teil der Arbeit, denn bis hier stimmt sie
überein mit der der Alten und Abertausenden von
den jetzt lebenden Künstlern. Es wird jetzt diese
Untermalung mit Kontrastfarben behandelt, ohne sie
jedoch zu zerstören, so dass sie lebendig, prickelnd
gemacht wird, und zwar mit kalten Farben (wenn die
Untermalung warm ist, wie es wohl meistens der Fall
sein wird). Es kommt also jetzt darauf an, das soge-
nannte Flimmern in der Natur wiederzugeben, ohne
jedoch die Untermalung zu verlieren. Zu diesem
Zweck gehe ich mit etwas dickerer Farbe, mit meist
bläulichen und grünlichen Tönen drüber, je nachdem
die Untermalung ist und welche Effekte, welche ad-
ditive Mischung ich beabsichtige; dies ist gewiss Sache
des Künstlers und Geschmackssache. Doch das Wich-
tigste bleibt, wie diese additive Mischung erzielt wird,
also wie diese kalten Töne aufgetragen werden. Diese
bläulichen oder grünlichen Töne werden also in etwas
dickerem Zustand auf den Pinsel genommen und in
streichender Art über die wärmere Untermalung ge-
fahren, und zwar so, dass dieselben nur auf dem oberen
Korn der Leinwand haften bleiben, während die un-
teren Teile der Leinwand die wärmeren Töne der
Untermalung behalten, diese darf nun bei der ganzen
Behandlung nicht verloren gehen. Ist also das obere
Korn blau und das untere der Untermalung gelb, so
werden wir, da Gelb und Blau direkt nebeneinander
zu liegen kommen, an der Grenze jenen psycho-phy-
sisch begründeten Nebeneindruck empfinden, das
Flimmern, und einen grünlichen Farbton*) empfinden,
welcher Eindruck gewiss auf der Netzhaut unseres
Auges erst auf einiger Entfernung entsteht. Diese
Entfernung soll nun für gewöhnliche Bildgrösse, sagen
wir für 70 x 80 cm, nicht mehr als 3—4 m betragen.
Ist die Entfernung grösser, so verdient das Bild meiner
Ansicht nach kein Staffeleibild mehr zu sein. Ueber-
haupt verlange ich, dass bei einem Porträt
z. B. sich dies bunte Durcheinander von Farb-
flecken und Strichen auf dieser Entfernung
vollständig zuFarbflächen und Lichtmassen
auflöst und dass wir somit glauben, ein Porträt, einen
Menschen vor uns zu haben, und nicht, dass es ein
Konglomerat von Farbflecken bleibt.
Ebenso, wie man nun Blau und Gelb zusammen-
bringen kann, kann man gewiss alle anderen Farben
zusammenbringen, um diese additive Mischung hervor-
zubringen. Ist eine Stelle der Untermalung rot und
das obere Korn blau, wird man violette Farbenmischung
empfinden usw.
Es können also je nach der Geschicklichkeit des
Künstlers alle möglichen additiven Wirkungen erzielt
werden, indem immer das obere Korn die zu addie-
rende Farbe des unteren enthält. Durch diese addi-
tive Mischung, dadurch, dass die Kontrastfarben neben-
einander zu liegen kommen, zweitens durch die Art
und Weise des Streichens und drittens durch das
Korn der Leinwand wird man ein Flimmern wahr-
nehmen. Man wird jetzt schon sehen, dass, wenn
richtig durchgeführt, man ein Ergebnis erhalten wird,
welches dem pointillistischen ähnlich ist, also aus
Punkten oder Flecken besteht, mit dem Unterschied,'
dass hier die Zeichnung noch erhalten ist.
(Schluss folgt.)
*) Diese Annahme des Herrn Verf. widerspricht
eigentlich den optischen Gesetzen. Durch Netzhaut-
mischung könnte hier bestenfalls ein helles Grau ge-
sehen werden. Viel wahrscheinlicher würde der grün-
liche Ton dem Kontrast des roten Untergrundes zu-
zuschreiben sein. E. B.

A. P. Laurie über das Van Eyck-Medium.
Mitgeteilt von E. B.
Im 23. Band der englischen Kunstzeitschrift „The
Burlington Magazine" (Mai 1913) findet sich ein hier
im Auszug wiedergegebener Artikel des bekannten eng-
lischen Gelehrten A. P. Laurie, der insofern von Be-
deutung ist, als darin für die Begründung der von mir
schon vor mehr als 13 Jahren*) ausgesprochenen Ansicht
über die Van-Eyck-Frage neues Material herbeigeschafft
wird. Diese meine Ansicht beruht auf der Vermutung,
dass den Brüdern Van Eyck die Emulsionierung
trocknender Oele resp. Firnisse bekannt gewesen ist,
und dass sie in dieser Form von ihnen zu Malzwecken
verwandt wurden.
Laurie schreibt:
„Das Problem des von Van Eyck und seinen
direkten Nachfolgern benutzten Malmittels ist schon
so oft erörtert worden, dass ich nicht -wagen würde,
die Sache abermals zu behandeln, wenn ich nicht die
Entschuldigung neuerlich gemachter Versuche hätte,
die geeignet sind, etwas mehr Licht auf die Sache zu
werfen. Vor der Beschreibung dieser Versuche ist es
jedoch nötig, kurz zu erörtern, welche Möglichkeiten
hinsichtlich des Malmediums zur Zeit Van Eycks vor-
handen waren.
In erster Linie haben wir das Ei oder die Tempera,
das in Italien benützte, von Cennino Cennini ausführlich
beschriebene Malmittel. In zweiter Linie haben wir das
Oel, wie Leinöl oder Nussöl. Der Gebrauch von Leinöl
für Malzwecke war, wie es jetzt allgemein anerkannt
wird, lange vor Van Eyck bekannt. Es ist beschrieben
bei Theophilus und auch in späteren Manuskripten, und
Cennini selbst gibt einen sehr genauen Bericht, wie es
für Oelmalerei zu verwenden ist. Eastlake und andere
haben angenommen, dass dieses Oel für gewöhnliche
Malerei allzu zäh bereitet worden sei, aber dafür liegt
kein zwingender Beweis vor. Es wurde gewöhnlich
durch Aussetzen an die Sonne geklärt. Dies würde
seine trocknenden Eigenschaften vermehrt und es
gleichzeitig stufenweise eingedickt haben. Dieser Ein-
dickungsprozess konnte bei jedem wünschenswerten
Grad unterbrochen werden, und wenn es nicht zu dick
war, um Farben darin zu reiben, so war es doch nicht
zu dick, um damit zu malen, wie wir weiter sehen
werden. Immerhin, wenn Eastlake recht hat in der
Annahme der Verwendung sehr dicken Oeles, so gibt
es dennoch eine Methode, durche welche es zum An-
reiben und Malen benutzt werden konnte. Es ist über-
dies ein Irrtum, vorauszusetzen, dass die Einführung
von Trockenmitteln oder das Geheimnis, durch Kochung
Oele trocknender zu machen, nötig gewesen wäre.
Künstlerfarben werden heute in rohem Oel gerieben
und trocknen mit genügender Schnelligkeit, und das
beste Künstleröl wird bereitet durch Läuterung an der
Sonne. Trockenmittel und Trockenöl werden nur be-
nützt, wenn der gewöhnliche Trockengrad beschleunigt
werden muss, wie dies z. B. bei Anstreichern allgemein
verwendet wird.
Van Eyck konnte demnach nichts Neues über die
Möglichkeiten der Verwendbarkeit des Oeles als Mal-
mittel für Malerei entdecken. Die Rechnungsbelege
von Ely und Westminster bestätigen die Ansicht, dass
der Gebrauch von Leinöl allgemein bekannt gewesen
ist, lange vor Van Eycks Zeit. Im übrigen ist es
höchst unwahrscheinlich, dass Van Eyck irgendeine
neue Technik eingeführt habe, da die völlige Beherr-
schung seines Materials auf eineü Höchstpunkt einer
alten Technik in den Händen eines grossen Malers

*) Zuerst in Lützows „Zeitschrift für bildende
Kunst", Neue Folge, Bd. VI, Heft 8 und 9, 1893; dann
in meinen Beiträgen, III. Folge, Maltechnik des Mittel-
alters, München 1897 (II. Aud., München 1912, S. 236 ff.).
 
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