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Hier wird nicht viel Neues und Schönes in der Kunst zu Tage gefördert. Trachten und Aussichten
sind immer das hauptsächlichste, worauf man hinstrebt und diese werden allein für fremde Vögel, für die
sehnlich erwarteten Herren Goddams et Compagnie gebacken und auf den Laden gelegt. Es ist ärgerlich,
wie krämerisch die Kunst seit einiger Zeit betrieben wird. Da ist beinahe kein Künstler mehr, der aus
eigener Lust und zu eigenem Genuss was schaffet; auch trägt beinahe Alles, was gezeuget wird, die
Worte: um's Brod, auf der Stirne
Bern, den 12. Dezember 1817.
Erst heute habe ich, theuerster Freund, Ihre Badenfahrt zu Ende gelesen. J’ai fait durer le plaisir,
wie Sie sehen. Meiue Manier Sie zu lesen, war eine methodische Wollüstlerei und ganz planmässig ein-
gerichtet und ausgeführt. Seit dem Abend, da Professor Wyss und ich bei einer Flasche neuen, süss
geräzten Dezaleyer-Wein, in Ihrem Buch herumschmarotzten, wie zwei lüsterne Knaben, die sich in die
Kammer eines aufgestellten Nachtisches eingeschlichen, von den lockendsten Platten einige Leckerbissen
wegstipizen, hatte ich mir zur Regel gemacht, nur an Abenden, wenn ich bei Haus bleiben würde, in
Ihrem Buche zu lesen und jedesmal nur eine Stunde vor dem Schlafengehen, damit ich mir gleichsam
denken könne, ich habe die Stunde in Ihrer lang entbehrten Gesellschaft und Unterhaltung zugebracht
und damit der Wiederklang dieser angenehmen Unterhaltung auch noch in meinen Träumen fortdaure.
Ich setzte mich zu dieser Lektür auch recht gemüthlich zu weg. Ein freundlicher Winkel nahe bei
meinem Ofen, wo ich in einem Polsterstuhle die Füßse auf einem zweiten Sessel gegen den Ofen gestreckt,
gleichsam liegend, zu meiner Linken meinen Bücherschaft und zu meiner Rechten einen Tisch mit zwei
brennenden Lichtern hatte, war das Lokal, wo ich Ihr niedlich gedrucktes Buch gleichsam wie einen feinen
Likör langsam einschlürfte, und oft bei der Rundung des Styls und der Modulation einiger Phrasen Ihre
bekannte Stimme zu hören glaubte
Hess an Wagner.
Donnerstag, 26. Februar 1818.
Es ist fast unverzeihlich, mein theurer Freund, dass ich Ihren letzten Brief vom 12. Dezember noch
nicht beantwortet habe und sagten Sie mir doch so viel Schönes darin, das ich Ihnen billigermaassen hätte
verdanken sollen. Allein ich bin seit ein paar Jahren ein so vielfach geplagter armer Teufel von Last-
träger, dass über vielen, vielen kleinen, lpeistens trockenen Geschäften der grösste Theil meiner Zeit auf-
geht und ich selten dasjenige thun darf, was ich vorzüglich gern möchte. Nehmen Sie diese meine Ent-
schuldigung freundlich an. Ihrer Aufforderung, nun nach Baden auch Schinznach litterariscli zu bearbeiten,
dürfte ich schwerlich zu entsprechen wagen, mir würde vor dem blossen Gedanken grauen! Auch könnte
meine Gesundheit ein solches Unternehmen nicht aushalten, weil ich, wenn ich etwas Litterarisches im
Kopfe habe, davon geplagt werde, bis ich es hintereinander aus mir herausgesponnen habe und doch selten
anders als des Nachts von 9 bis 12 Uhr mit freiem Sinn und ungestört arbeiten kann. Ich muss es also
einstweilen bei kleinen Aufsätzen bewenden lassen und froh sein, wenn ich zu dergleichen Spielereien
Musse finde. Zudem werden viele Leute mir die Badenfahrt noch lange genug nachtragen, um mich vor
ähnlichen Versuchen abzuschrecken. Unterdess sammle ich alle möglichen Bemerkungen, welche darüber
gemacht werden, um einst, wenn das Buch und ich zusammen eine zweite Auflage erleben sollten, Vieles
zu ändern, und von allen mir noch hinzugekommenen Materialien Gebrauch zu machen. ....

 
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