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schon von sich selbst keimen und herrliche Saat geben. Besser ist nichts versprechen und dennoch liefern,
als alles Schöne versprechen und am Ende nichts halten. Ich vertraue Ersteres Ihren 3 und 4 Herren.
Gewiss haben Sie, als Autor und Dichter, schon oft an sich selbst erfahren, dass ein Samenkorn oft selbst
gegen unsern Willen in unserm Hirn und Herzen keimt, wächst, wuchert und endlich zur schönen Blume
sich entfaltet, oder als treffliche Frucht des Geistes reift und durchbricht, ohne dass unser Thun und Brüten
dabei wissend wirkt. Es ist gleichsam ein Genius oder Dämon in unserm Innern, welcher uns unbewusst
das Samenkorn begiesset, pfleget, dünget, und es endlich an einem schönen Morgen wie Jupiters Minerva
aus dem Hirn hervörplatzen macht. Ich wollte gern, dass ein solcher dienstfertiger Genius-Fämulus eine
meiner leeren Karten in jedem der Studierzimmer der vier Herren gegenüber seinem Studierstuhl an die
Wand nagelte, so dass der Herr, wenn er aufblickt, seine Augen darauf heften müsste, und ich weifte, in
einigen Monaten oder gar nur Wochen würde die Karte im Hirn der Herren mit allen den Sachen aus-
staffirt sein, die mein letzter Brief von ihm verlangte.
Ich habe Herrn Professor Wyss Ihre gütige Nachfrage und Grüsse ausgerichtet, es war ein Balsam
für sein Gemiith, das oft Stärkung in seinen physischen Leiden nöthig hat.
Seien Sie so gütig, bester Freund, mich Herrn Ebel zuweilen mit Namen in Erinnerung zu bringen,
vielleicht denkt er dann par association d’idees auch an meinen Atlas oder Karten, und dieses trägt dann
gewiss zu ihrem Gedeihen bei. Ganz der Ihrige N. JE.

Hess an Wagner.
Zürich, den 23. März 1830.
.Ich bin oft tagelang ganz schachmatt davon und komme nur selten
und nie zu Fuss äusser das Haus, wo es mir zuweilen unmöglich ist, mit Lust und Liebe zu arbeiten,
weil es mir an nervöser Elastizität dazu mangelt. Es will mir nichts mehr aus den Händen gehen. Das
ist auch der Grund, warum die Herausgabe der Usterischen Schriften so lange verspätet wird, uud es gibt
Momente, wo ich beinahe besorgen muss, selbst nicht mehr damit zu Stande kommen zu können. Ich
beschäftige mich zwar immer damit, rücke aber nur langsam voran, und dann gibt es oft Störungen auf
Wochen und Monate. Dass ich dieses Lieblingsgeschäft mit Verdruss abgebe, ist ein müssiges Geschwätz,
dessen Ursprung mir ganz unbegreiflich ist, denn die Erben Usteri’s und Eigenthümer dieser Schätze,
seine zwei Schwestern und ein Tochtermann der einen, haben mir von jeher das unbedingteste Zutrauen
erwiesen und lassen mir freie Hand, damit vorzunehmen was ich immer will, weil sie überzeugt sind, dass
ich nur die Ehre des Verewigten und ihren Nutzen bezwecken will. Mich wundert, dass Sie in dem
Neujahrstück der Künstlergesellschaft noch nicht viel anders, als bloss die Beschreibung des Festes im Sihl-
wald vermisst haben. Ich war durch den Raum beschränkt, und habe denselben doch zum Theil überschritten.
Diese kleinere Arbeit soll mir zur Grundlage einer ausführlichen Biographie und Charakteristik Usteri’s
dienen, die ich seinen sämmtlichen Schriften vorangehen zu lassen gedenke. Vieles wird wörtlich wieder
vorkommen, anderes aber mit mehr Details und doch darf ich auch hier eine gewisse Bogenzahl nicht über-
schreiten. Ich hatte es gerade so mit Salomon Landolt gemacht, dessen Nekrolog im Neujahrstück der
Künstlergesellschaft für 1820 auch ein Auszug des später erschienenen grossem Werkes war. An dem
grossem über Usteri ist nur noch wenig geschrieben, so lieb mir der Stoff ist, so wenig bin ich jetzt fähig,
mich zur Ausarbeitung gehörig zu concentriren, wozu auch, neben meiner beständigen Kränklichkeit, häusliche
Verhältnisse beitragen. Ich bin jetzt beschäftigt, Materialien zu einem ganzen Bande für den Dmck vor-
zubereiten. Es sind zwei grosse Idyllen in zürcherischer Mundart, die mir viel zu schaffen geben, indem
 
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