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Usteri sich um die Bestimmung des Idioms gar nicht bekümmerte, so dass die von ihm gebrauchten
Worte weder rein deutsch noch entschieden schweizerisch sind, was unfreundlicher Kritik rufen könnte.
Dann muss ich auch für Uebersetzung solcher Wörter und Phrasen sorgen, die den Deutschen ganz unver-
ständlich wären, und darin weder zu viel noch zu wenig tlmn. Dieses Geschäft kann ich keinem Kopisten
überlassen und muss mich demselben selbst unterziehen, was einen grossen Zeitaufwand erheischt, und
zwar um so mehr, da ich bei Kerzenlicht nichts machen kann, weil Usteri’s niedliche Handschrift zwar
kalligraphisch prachtvoll, aber so klein ist, dass sie nur bei hellem Tageslicht entziffert werden kann.
Hätte ich nur eineu Freund in der Nähe, der mir dabei mit Rath und That an die Hand gehen würde, denn
ich stehe oft an, weil hie und da Kleinigkeiten abgeändert werden sollten, und ich mich doch fast nicht
getraue, etwas davon oder dazu zu tlmn, weil Alles, was von Usteri kommt, für mich ein Heiligthum ist.

Zürich, den 22. März 1831.
Es ist bereits ein Jahr verflossen, seitdem ich nicht mehr an Sie geschrieben, mein theurer Freund.
Mit Freude vernehme ich indessen durch Herrn A.’ v. Werdt, dass Sie sich immer wohl befinden, was in
Zeiten wie die, worin wir leben, und die nur zu sehr geeignet sind, durch Gemüthsbewegungen nachtheilig
auf die Gesundheit zu wirken, ein grosses Glück ist. Ich kann mich dessen nicht rühmen, und wenn schon
meine frühem heftigen Beschwerden nachgelassen, so ist mir doch die neue Revolution in den Magen
geschlagen und ich fühle mich so unwohl, dass ich mit Noth die Feder führen kann. Es ist einfältig, sich
von Ereignissen, die nicht zu ändern sind, niederschlagen zu lassen; allein ich bin so stark nicht, um mich
darüber hinwegzusetzen, wenn sie mich schon weder um Aemter noch um Ehrenstellen bringen, die ich
nie gesucht, vielmehr von der Hand gewiesen habe. Wer könnte aber auch gleichgültig dabei bleiben,
wenn eine Verwirrung der Begriffe überall die Oberhand gewinnt, die halbe Welt einem grossen Tollhaufen
gleicht und jedes öffentliche und Privatglück Chimären zum Opfer gebracht wird, deren Unhaltbarkeit sich
längst durch die frühem Erfahrungen bewährt hat. Was nützen aber Erfahrungen den vermaledeiten
Theoristen und Fanatikern, und jetzt in diesem Zeitpunkt allgemeiner heftiger Gährung, wo kein Land
und kein Individuum darin seiner Existenz nur für ein halbes Jahr sicher ist, sollen die Schriften unseres
Usteri an’s Licht treten.
Wagner an Hess.
Bern, 27. November 1831.
Tausendfachen, herzlichen Dank, theuerster Freund, für das köstliche Geschenk, das Sie mir mit des
sei. Usteri’s freundlichen Dichtungen gemacht haben. Ich habe mich bereits seit zwei langen Abenden
beinahe blind daran gelesen. Zuerst las ich Ihr Vorwort, dann Usteri’s Lebensbeschreibung ebenfalls von
Threr Feder, worin ich mit Freude und mit Dank gesehen habe, dass Sie auch meinen’Namen und einige
Zeilen von mir hinein zu wirken gewusst haben; dann durchflog ich jeden Band und nahm einige kleine
Leckerbissen aus jedem im Fluge mit, die ich noch nicht gekannt habe, endlich setzt’ ich mich auf mein
Kanapee in eine bequeme Positur, um ununterbrochen den Erggel am Steinhaus recht zu kosten und zu
küsten, weil Sie mich schon zum Voraus auf diese allerliebste Dichtung recht hungrig gemacht hatten.
Ich fand dieselbe ganz Usteri’s naiver mul ad naturam, aus der Vorzeit schildernden Muse würdig und in
Manchem vielleicht noch meisterhafter, als seine schon früher in Prosa geschriebenen Romane, die mir
doch immer ein jeder unübertreffbar geschienen hatten. Heute Abend soll der kleine Poeta-X ersifex
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