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geschichte-Maler, zu sammeln. Vou Werdt, Tscharner vom Lohn und ein junger Stettler, der dermalen
in München ist, wollen dieses Fach betreiben. Da nun Usteri vom Thaleck, Hegi und Vogel auch viele
alte Costumes gesammelt haben, so wäre mir lieb zu wissen, ob man sich für Geld Calques von solchen
verschaffen könnte? Man wünschte Costumen aller Stände, beider Geschlechter und aller Zeiten zu
sammeln. Niemand besser als Sie, theuerster Freund, können mir hierüber Rath und Wegweisung geben
und auch verschaffen, dass die Sache zu Stande komme.
Eine deutliche und vollständige Kenntniss der dermaligen Kunst, Charakterisirung aller Künstler, Lieb-
haber und Kunstfreunde in Zürich, der dortigen Kunsthandlungen, Kunstsammlungen etc. etc. wäre mir
auch äusserst angenehm von guter Hand zu erhalten. Die Ihrige wäre unstreitig die beste hiefiir, aber
es wäre sehr indiskret, Sie dafür ersuchen zu wollen, dennoch kann ich mich nicht enthalten, Ihnen
wenigstens den Artikel über Vogel und seine Arbeiten, seit den letzten drei Jahren, zu verlangen. Auch
überhaupt Ihre Ansichten über den dermaligen Zustand der schweizerischen Kunst und wohin dieselbe
eigentlich streben sollte.
Sie hatten mir in Basel einige Worte über die Stern-Benzel’sche Gemäldesammlung in Herrliberg
gesagt und von Lamis Thun dabei. Sehr wichtig wäre mir, die Sache ä fond zu kennen; dass ich Sie bei
allen diesen Sachen in nichts kompromittiren werde, können Sie versichert sein. Aber als ein alter Kunst-
Dilettant darf ich dergleichen Sachen ja nicht ignoriren.
Was wird finalement aus Usteri’s von Ihnen ausgewähltem Kunstnachlass werden?
Ein alt Sprichwort sagt: «.Ein Thor kann in 6 Worten fragen, was ein Weiser in 6 Tagen nicht
beantworten kann!» Das werden Sie gewiss, liebster Freund, auf mich anwenden, aber wir fangen Gott-
lob ein frisches Jährchen an! Freilich hat ein 76er nicht gross zu pochen, aber ich hoffe, der Weise
habe noch auf 20 folgende zu rechnen.
Unsere politischen Sachen sind nicht rosenfarb, Morgen wird Bern Vorort. Jedermann meint, 1835
werde wichtig werden. Gott allein kennt die Zukunft! Tausend herzliche Grüsse und gute Wünsche
für Sie und die Ihrigen. Ganz der Ihrige S. W.

Hess an Wagner.
Zürich, Beckenhof, den 9. Februar 1835.
Ich habe den Brief, worin Sie, mein theurer Freund, am Sylvesterabend so traulich mit mir conversirten,
als sässen wir beisammen vor einem heimeligen Kaminfeuer, lange nicht erwiedert und bitte Sie, mich zu
entschuldigen, dass ich bis jetzt den reichhaltigen Stoff, den Sie mir zur Beantwortung dai'geboten, noch
nicht zu behandeln angefangen. Ich weiss nicht, wie es zugeht, dass ich, zumal seit dem letzten Sommer,
wenn schon körperlich von frühem Uebeln hergestellt, in geistiger Thätigkeit auffallend abgenommen habe,
und dass mir vor mancherlei höchst prosaischen Geschäften, die abgethan werden müssen, so wenig aus
der Hand geht, dass mir selten Musse und günstige Stimmung bleibt, mich so zu beschäftigen, wie ich es
früher vorzugsweise gethan. Genau erwogen ist es wohl das Alter, das mich allinälig abstumpft, und dann
meine gar zu einsame Lebensweise. Seitdem mir die vier Männer weggestorben sind, mit welchen ich
einen fortwährenden freundschaftlichen Verkehr und Ideentausch, der mich frisch erhielt, unterhalten batte,
und ich bei weniger nahen Freunden nicht mehr ganz den nämlichen Anklang gefunden, seitdem auch unser
Zürich ein ganz veränderter Ort geworden, wo zwar Häuser und landschaftliche Umgebungen gleich geblieben,
das Staffage aber ganz neu ist, und zwar allerdings eine merkwürdige Thätigkeit, Betriebsamkeit und Auf-
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