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schwerlich Iloraz Vernet, Adam oder Charlet es genialer machen mögen. Militarsöenen sind seine Lieblings-
stücke, doch macht er auch Anderes, Alles was man ihm diktirt, beinahe so behende, als der fertigste
Kopist es hinschreiben könnte. Alle Wochen zwei oder drei Male kommt er zu mir und zeichnet auf der
Stelle, was ich ihm vorsage. Künstler und Liebhaber kommen dann zu sehen, was der junge Bursche
hinzaubert. Selbst Lori, Sohn, ist erstaunt, das instinktmässige Talent zu sehen. Ich werde Ihnen nächstens
ein paar Müsterchen davon zusenden.
Ein anderer hiesiger Künstler, Löhrer1), der fertigste und trefflichste Zeichner im Landschafts-, besonders
im edelarchitektonischen Fach, den ich kenne, ist seit 8 Tagen von einer Fussreise nach Rom, Neapel,
und über Florenz und Genua zurück, wieder heimgekommen, und hat zahlreiche herrliche Bleistiftskizzen
von den schönsten Monumenten, Gebäuden und Gegenden Italiens hergebracht, die ich dermalen in meinem
Zimmer besitze und die täglich einige Künstler und Liebhaber zu besehen und zu bewundern kommen.
Da er mit ungemeiner Fertigkeit und Korrektheit zeichnet, so scheut er sich nicht, die reichsten und
difficilsten Gegenstände aufzunehmen.
Die Post geht ab. Vale et me ama. S. W.
Hess an Wagner.
Zürich, den 24. Mai 1834.
Ich danke Ihnen verbindlich, mein theurer Freund, für Ihren Brief vom 14., der mir zu meiner grossen
Freude beweist, dass Sie die wichtige Angelegenheit der Basler Bibliothek ganz aus dem nämlichen Gesichts-
punkt, wie ich, betrachten, und ich glaube, es ist der einzig wahre. — Sie hätten gewünscht, sagen Sie,
dass Ulrich Hegner Ihr College bei der Schatzung wäre, allein dieser treffliche Mann trägt seine Jahre nicht
so rüstig wie Sie die Ihrigen. Seine Korpulenz war ihm von jeher beschwerlich und ist es immer mehr ge-
worden; zudem hat er bereits mehrere Anwandlungen von Apoplexie gehabt, so dass er sich nicht mehr
getrauen darf, die kleinste Ortsveränderung, etwa von Winterthur nach Zürich, anders zu unternehmen als
in Begleit seines Adoptivsohnes oder irgend Jemand von seiner Familie. Geistig bleibt er indessen noch
immer thätig in seinem stillen Museum und ist zu seiner Unterhaltung beschäftigt, ein charakteristisches
Bild von Joh. Casp. Lavater zu bearbeiten, mit dem er Jahre lang unter dem nämlichen Dache gewohnt
hat und dessen intimster Briefwechsel ihm offen stand. Bei deu mannigfaltigen Verhältnissen, in welchen
Lavater mit seinen bedeutendsten Zeitgenossen gestanden, muss eine solche Bildergallerie aus llegner’s
Feder sehr anziehend werden, wie ich aus einigen Bruchstücken schliesse, die mir davon zu Ansicht kamen;
so lange aber Hegner selbst und mehrere von Lavater’s Nachkommen leben, dürfte diese Schrift wohl
schwerlich gedruckt werden, da sie Partikularitäten enthält, welche erst in Zukunft erscheinen können, ohne
Einzelne zu verletzen.
Ich habe, ich gestehe es, eigentlich mit Vergnügen vernommen, dass Professor Frommei die Experten-
stelle abgelehnt und dagegen Herr Armand von Werdt dieselbe angenommen hat. Ich glaube, auch Sie,
mein theurer Freund, werden mit diesem Tausch zufrieden sein und ich halte Herrn v. W. ganz für den
Mann, den Prinzipienkampf, der mit Wilhelm Füssli bei dieser Angelegenheit unausweichlich sein wird,
mit ebenso viel Mässigung als Würde und Kraft zu bestehen, damit Sie selbst desto ruhiger und ungestörter
bloss mit dem. artistischen Theil des Geschäftes sich befassen können. Mein guter Adolf stand mit Herrn v. W.
iu Berlin auf freundschaftlichem Fuss, was mir denselben doppelt werth macht; ich selbst habe ihn nur
>) Gottl. Löhrer von Bischofszell, Historien- und Genre-Maler, Aufseher der Kunstgallerie in Bern. Vergl. Nagler’s
Lexikon.
 
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