Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46

eine Auflösung eher hätten herbeiführen können, als der Stadtbibliothek, die in den jüngsten Zeiten so
viel als möglich vor Eingriffen geschützt wurde, so habe ich die Usteri’sche Familie vorzugsweise auf dieses
letztere stabilere Institut angewiesen1).
Dass unser alter Freund Hegner über Ihre und Ihrer Herren Collegon Wertlmng der Ilolbeiniana in
Basel ungehalten oder nur befremdet sein könne, dürfen Sie ja nicht glauben, denn einerseits gibt es
keinen anspruchsloseren Mann als Hegner, der das «de gustibus» im vollsten Sinne anerkennt; und ander-
seits war es ihm selbst erwünscht, dass Ihre Schätzung in konservativem Sinne ausfiel. Das hat er mir
erst noch vor wenigen Wochen bestätigt. Uebrigens zieht er sich immer mehr von allen äussern Ver-
hältnissen in seine eigene Ideen-Welt zurück, in welcher er, wie Sie, noch immer thätig bleibt. Er beschäftigt
sich mit einer Art von Biographie oder vielmehr Charakteristik Joh. Caspar Lavater’s, die höchst merkwürdig
werden wird, indem Hegner Jahre lang mit Lavater unter einem Dache wohnte und ihm dessen ganze
geheimste Correspondenz zu Gebote stand, aus welcher und der selbsteignen feinsten und schönsten Menschen-
kenntniss und Beobachtungsgabe Hegner, wie vielleicht kein anderer Mann, Lavater in seiner merkwürdigen
Originalität zu durchschauen vermochte und diesen originellen Charakter nun auch in seiner humoristischen
Manier nach dem Leben darzustellen wissen wird. So lange aber Hegner selbst und einige mit in die
Schilderung gehörende Verwandte und Zeitgenossen Lavater’s leben, wird wohl schwerlich etwas aus dieser
Bildergallerie dem Publikum vorgeführt werden

Wagner an Hess.
Bern, den 6. März 1835.
Verbindlichsten Dank, theuerster Herr Freund, für Ihren gehaltvollen 1 öseitigen Brief. Ich sagte
Ihnen ja zum Voraus, dass ein Thor in 6 Zeilen mehr fragen als ein Weiser in 16 oder wohl gar in
60 Seiten kaum beantworten könne. Was Sie mir von Herrn Ziegler und Herrn Vogel meldeten, habe
ich 2—3 Mal mit dem grössten Interesse gelesen. Ungemein gerne würde ich etwas von Herrn Ziegler’s
Arbeiten sehen, da Sie mir dieselben exacte so schildern, wie ich Landschaften gerne sehe. Tag, Sonne
und heitere, reine Farben dünken mich Vorzüge, welche in Landschaften hauptsächlich erforderlich sind;
jede Wahl des Gegenstandes wird beinahe dadurch gefällig. Dunkle Landschaftsgemälde enthalten beinahe
einen Widerspruch, so wie ein Gedicht ohne Einbildungsgeist und ein Epigramm ohne Witz. — Vogel’s
Erfindungen habe ich von jeher sehr geliebt, aber seine Zeichnung und Färbung allzeit anders gewünscht.
Lugardon’s Wünsche und Flehen an ihn habe ich schon lange getheilt; aber le plis est pris und ich fürchte,
in seinem Alter würde er auch mit allem guten Willen, den Bitten seiner Freunde nachzugeben, es wohl
nicht mehr können. Gewisse Sachen stehen nicht in unserer Macht, sie sind das Resultat unserer physischen
und geistigen Organisation. Dank der Natur, wenn einer von uns Adamssöhnen wenigstens nur ein Talent
und ein Fach von Verdienst hat; wie viele Tausende und Tausende sind nicht, denen die stiefmütterliche
Spenderin alle Talente versagt hat. Wer ein Steinwerferfest, wie das auf dem Rigi, und eine Kirchweihe
(Kilbe), wie die zu Mariahilf bei Freiburg, erdacht und zu Papier oder Tuch gebracht hat, hat schon
etwas geleistet.
Seine zwei kleinen Stücke von Teilskapelle und vom Wildkirchli würde ich ausnehmend gerne sehen
und einige Stunden zu Fusse machen, um dieselben eine Stunde lang betrachten zu können; aber für
0 Bekanntlich ist dieser einzigartige Nachlass im Jahr 1859 doch in den Besitz der Zürcher. Künstlergesellschaft
gelangt und wird von derselben in verdienten Ehren gehalten.
 
Annotationen