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einigen Stunden als alter Musiker für das hiesige Musikfest angelangt ist) mir sagte, der Vetter und
Namens-Bruder (Martin Usteri, der Stadtrath) werde für den Verfasser gehalten. Auch gut! Jedermann
wünscht aber, dass der treffliche Biograph Salomon Landolt's nun auch die Biographie Martin Usteri's
schreiben möge, und der lesenden Welt damit ein Gegenstück zum ersten Meisterwerk schenken wolle.
Dass ich nicht der Letzte bin, der diesem Wunsche beistimmt, können Sie denken. Ihnen sollte die
Familie des Seligen Alles einhändigen, was der Treffliche sowohl in Scriptis als in Pictis hinterlassen hat
und Sie damit schalten und walten lassen, ganz nach Ihrem Gutdünken, das würde uns hoffentlich von
Zeit zu Zeit eine vortreffliche Frucht verschaffen, die uns ein verwirklichtes: «.Freut Euch des Lebens»
sein müsste. Jedem Andern sollte man aber von Obrigkeit aus verbieten, Hand an dieses Heiligthum zu
legen. Ich hoffe, man werde so gescheid sein, dieses Beides bereits in Zürich veranstaltet zu haben.
Einen Herausgeber von Usteri's Schriften wird’s in Zürich im Wetteifer geben, denn einen bessern
Spekulationsartikel gibt’s für jetzt wohl kaum. Junker Meiss sagt mir, Usteri habe eine Stunde vor seinem
Hinschied in Rapperswyl noch mit Lust dem Abendgesang der dortigen jungen Welt zugehört, sei dann
vergnügt in sein Zimmer zurückgekehrt, sei auf sein Bett gelegen, und habe gesagt: «Mitsingen werd'
ich wohl nicht mehr!» und das seien seine letzten Worte gewesen.
Leben Sie wohl, theuerster Freund, und ertragen Sie alle Ihre Leiden und Verluste, wie der Weise,
der sagte: «Gott hat's gegeben, Gott hat's genommen!»
Ganz der Ihrige S. W.

Bern, den 7. November 1827.
Nun sind Sie gewiss mit allen den Ihrigen wieder im Winterquartier im heimischen Beckenhof und
sitzen in warmen Zimmern und liegen Ihren gewohnten Wintergeschäften ob. Herr Schultheiss von Mülinen
hat mir gesagt, er habe Sie besucht, Sie so viel als ganz hergestellt, Ihrer Gemahlin Hebel sehr vermindert
und dieselbe selbst vom besten Aussehen gefunden. Diese Nachrichten waren mir sehr erfreulich, und ich
hoffe, dass die Räthe Ihres geschickten württembergischen Arztes *) auch in der Ferne Sie in der Besserung
erhalten und immer weiter vorwärts bringen werden. Ihre freien Winterstunden werden Sie nun, wie ich
vermuthe, dazu anwenden, Ihres seligen Freundes Usteri Nachlässe in Kunst und Dichtung in Ordnung
zu bringen, um dieselben nach und nach der gebildeten, deutschen Welt zum Geschenk geben zu können.
Mich verlangt sehr, von Ihnen zu vernehmen, was Sie alles finden und was Sie gedenken von diesen
köstlichen Speisen dem Publikum nach und nach vorzusetzen; ich bin ebenso begierig des Seligen Feder-
produkte, als die seines Pinsels zu kennen. An niedlicher äusserer und innerer Einkleidung und Herausgabe
werden es weder Sie noch die Herren Buch- und Kunsthändler in Zürich gewiss nicht fehlen lassen.
Geben Sie mir doch gütigst bald Nachricht davon, wie weit die Sachen bereits gediehen sind, und wie
bald wir hoffen können, davon das Voressen zu bekommen. Ich hoffe, das Künstler-Neujahrstück für’s
Jahr 1828 werde von Ihrer Feder sein und uns den Seligen ganz ad naturam pinxit im Bildniss und
Biographie geben
Diesen Winter gedenke ich eine neue und etwas seltsame Hypothese zu bearbeiten, nämlich die, dass
der Wasserspiegel der drei Seeen von Murten, Neuenburg und Biel vor dem Jahr 350 nach Christi Geburt

]) Oberamtsphysikus Dr. Uhland in Tübingen.
 
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