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angeschlagen werde, um die Summe der Opfer, die Basel auferlegt werden, nicht überschwenglich werden
zu lassen. Sie sind der Mann, welcher mit Kunstsinn und Billigkeitsgefühl in’s Mittel treten kann, folgen
Sie dem Ruf und handeln Sie nach Wissen und Gewissen, D. H.

Zürich, den 11. Mai 1834.
Mein theurer Freund! Mit grossem Vergnügen habe ich durch meinen Tochtermann, der Sie jüngst
besuchte, vernommen, dass Sie sich immer wohl befinden und Ihre Jahre so fest und stattlich aufrecht
tragen, als wären dieselben wenigstens ein Dutzend minder. Das ist ein grosses Glück, denn um nicht
blos körperlich, sondern zugleich auch geistig kraftthätlich zu leben, ist Gesundheit absolute Bedingung,
wovon ich, ohne mich gerade -beklagen zu dürfen, wenig rühmen kann.
Ebenso sehr freut es mich, dass Sie so bereitwillig waren, den Wünschen der Abgeordneten von Basel
zu entsprechen, und wenn es soweit kommen darf, dass die Kunstschätze der dortigen Universität in die
Theilung mit Liestal fallen sollten, bei dieser Expertenschätzung thätig mitzuwirken. Die Aufgabe ist
allerdings schwer, denn mir scheint, es dürfe nicht blos Kunstkenntniss allein, sondern es müsse auch Billig-
keitsgefühl und Erkenntniss der wahren Sachlage dabei vorherrschen, und dazu sind Sie bei Ihren conci-
liatorischen Grundsätzen ganz der Mann. Es ist zwar, so viel ich bis heute weiss, noch nicht entschieden,
ob die Ansprüche der Universität und der Stadt auf dieses alte Eigenthum abgewiesen und ganz verkannt
werden sollen oder nicht. Da aber der Obmann, welcher eigentlich ganz allein über Basel’s Schicksale
abspricht, weil das Schiedsgericht immer zwei ganz entgegengesetzte Meinungen aufstellt, bereits vor Ent-
scheidung der Rechtsfrage auf die Wahl gegenseitiger Experten gedrungen hat, so lässt sich leicht voraussehen,
auf welche Seite sich die Waage neigen werde. Mir scheint, abgesehen von aller politischen Farbe, jedem
Kunstfreunde müsse es am Herzen liegen, dass diese Schätze, namentlich die Ilolbeinischen Gemälde und
Handzeichnungen, Basel, das heisst der Schweiz bleiben, denn sollte eine materielle Theilung stattfinden,
so würden ganz ohne Zweifel die Liestaler den ihnen zufallenden Antlieil möglichst bald in Geld verwandeln,
wozu sie, wenn sie nur ein wenig Verstand dazu haben, in London, München u. s. w. Käufer genug finden
könnten. Es wäre demnach sehr zu wünschen, dass wenn auch wirklich die Ansprüche der Liestaler durch
einen Spruch des Obmanns als gültig erklärt würden, die beidseitigen Experten sich unter einander über
eine den Verhältnissen und Umständen angemessene Auskaufssumme, als Resultat ihrer einstimmigon
Schatzung, verständigen könnten. Zu einer solchen auf Grundsätze der Billigkeit gestützten Uebereinkunft
ist aber wenig Aussicht vorhanden, denn die Liestaler haben von ihrer Seite den hiesigen Oberrichter
Wilhelm Füssli, Präsident des Schützenvereins und Redacteur des neuen Republikaners, und neben ihm
den Kunsthändler Hohl ernannt.
Bei meinen lebhaften Besorgnissen über den Ausgang dieser Sache habe ich vorzüglich die Holbeinischen
Meisterwerke im Auge und zwar gar nicht bloss aus freundschaftlichen Gesinnungen gegen Basel, sondern
als Kunstfreund im Allgemeinen, dem es weh thun würde, der Schweiz diese Schätze entfremdet zu sehen.
Ueberhaupt frage ich mich, wie können Gemälde, Handrisse von so hohem Alter, deren Werth doch
eigentlich nur relativ ist, absolut geschätzt werden, und welcher Maassstab soll dabei angelegt werden.
Wie viel hängt dabei von der Laune oder vorgefassten Meinung kauflustiger Liebhaber ab? Dürften, wenn
die Billigkeit nicht ganz aus dem Spiele gesetzt werden will, die Preise angenommen werden, welche etwa
in London oder München für Holbein’s Passion, oder für dessen Randzeichnungen zum Lobe der Narrheit
von Erasmus geboten werden können? Alle historischen Bilder, die Holbein in England gemalt hat, sind in
 
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