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Vorwort 7

Vorwort

Ethnologie ist ein Fach, das sich mit Völkern und Menschen befaßt, die
anderen Kulturkreisen entstammen als wir selbst und deswegen häufig
die Eigenschaft aufweisen, daß sie auch eine andere Lebens- und Denk-
weise haben, als wir selbst; und da unter ihnen viele keine schriftlich
festgehaltene Kultur besitzen, äußert diese sich dann vor allem in ihrem
alltäglichen oder auch von rituellen Zusammenhangen bestimmten
verhalten, ihren Reden, Handlungen und in den von ihnen verfertigten
Gegenständen.

Manches an dieser Kultur kann auch durch die Angehörigen dieser Kultur
selbst dokumentiert oder in einen festen Kanon gefaßt sein, der für alle
ihre Vertreter bindend ist, während anderes nebenher, inoffiziell, sozu-
sagen halb im Untergrund existiert und nicht als offizieller Bestandteil
dieser Kultur annerkannt ist, dennoch aber für sie kennzeichnend ist. Im
Bereich der abendländischen Kultur, ließe sich als Beispiel dafür das
umfangreiche Feld des Aberglaubens und der Vorstellungen über Magie
nennen, die allenthalben als reine Einbildung angesehen und abgetan
werden, und über deren Praktiken oder "Rituale" sicher fast jeder Mensch
dennoch irgendwelche, und seien es noch so bruchstückhafte, Kenntnisse
besitzt, die aus reißerischen Artikeln in Zeitschriften oder Erzählungen
von anderen stammen. Während bei uns der Glaube an Magie und Geister
im Zuge der Aufklärung mehr und mehr zurückgegangen ist und uns inzwi-
schen die darin enthaltenen Ideen fast völlig unverständlich geworden
sind, sind sie in anderen Teilen der Veit noch sehr lebendig, wo das
Vorhandensein von guten und bösen Geistwesen, die ihr wirken auch auf
den Menschen ausdehnen, ganz selbstverständlich als real angesehen
wird. In diesen Geistern können sich so die Vorstellungen von Gut und
Böse, richtig und falsch in einer überhöhten Form spiegeln, sie können
aber auch Protagonisten gedanklicher Alternativen zu der vorhandenen
Welt oder sogar von Utopien sein, indem sie ein Außeres und Lebens-
weisen besitzen, die es in der sichtbaren Welt nicht gibt. Sie sind
Produkte menschlicher Einbildungskraft, die menschliche Züge tragen und
dennoch keine Menschen sind, die die soziale Norm als vorbildliches
Ideal selbst verkörpern oder sie in ihrem Vesen völlig negieren; und
 
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