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Geschichte der Auflebung der Antike zu schreiben und die verschlun-
genen Wege zu zeigen, auf denen das Wiedererwachen der Wissen-
schaften und der Geist der neuen Zeit im Anschluß an die Kenntnis der
antiken Kultur zu uns nach Deutschland drangen; es sei nur daran
erinnert, daß Italien und Rom für uns die Vermittler wurden, und daß
die Stadt der Päpste seitdem uns ein neues, bis dahin verhülltes Ange-
sicht zeigte und für unser gesamtes Geistesleben einen vordem unge-
ahnten Wert gewann. Auf unser Vertrautwerden mit der aus der Ver-
gessenheit ans Licht emportauchenden Antike wirkte fördernd noch
der Zustand der kirchlichen Beziehungen im sinkenden Mittelalter ein.
Der seit dem großen Schisma sich lebhafter regende Gegensatz des
Deutschtums und der römisch-päpstlichen Herrschaftsgelüste mit ihren
weltlichen Mißbräuchen verstärkte sich durch den Einfluß antiker Bil-
dung, und die deutsche Gegnerschaft gegen das Papsttum und seine
kirchliche Zwingherrschaft schöpfte aus der geistigen Befreiung durch
die Antike neue Kraft, schuf sich neue Waffen. Wie weit das römische
Deutschtum sich an dieser Entwicklung beteiligt hat, wäre noch zu
untersuchen; es scheint, als habe es ihr im ganzen ziemlich fern
gestanden und sich vorsichtig zurückgehalten, obgleich Spuren des
oppositionellen Zugs gegen die päpstliche Übergewalt und gegen die
von ihr betriebene Ausbeutung Deutschlands unter der Form geist-
licher Fürsorge auch in der Deutschen Kolonie Roms schon im 15. Jahr-
hundert sichtbar waren. Dahin gehören die obenerwähnten Klagen
der Deutschordens-Gesandten über die römische Habgier; aber auch
einzelne Geistliche, denen wir bereits begegnet sind, waren mit der
römischen Wirtschaft unzufrieden und von reformatorischem Geist
erfüllt, lange bevor Martin Luther auftrat. Von Kardinal Nikolaus von
Gusa bezeugen selbst katholische Schriftsteller der neuesten Zeit, daß
er von der Notwendigkeit einer freiheitlichen Kirchenreform überzeugt
war, daß der ,,moderne Geist in ihm gärte", und Dietrich von Niem,
obschon ein Diener und Vertrauensmann von Päpsten, zeigte sich in
seinen Schriften für die ,,papstfeindlichen Theorien eines Marsilius und
Occam" eingenommen. Seine 1410 verfaßte Abhandlung ,,Uber die Art,
die Kirche auf einem allgemeinen Konzil zu einigen und zu refor-
mieren" geht von einer überaus scharfen Kritik an den Trägern der
Tiara und ihrer Herrscherpolitik aus und zielt darauf ab, sie als Diener
der kirchlichen Gesamtheit unter die Oberhoheit der Konzilien zu
stellen. In ihm verbindet sich mit der ernsten Sorge um das Wohl der
Kirche der vaterländische Drang, die deutsche Christenheit von römi-
scher Willkür zu befreien. Es liegen auch Anzeichen dafür vor, daß
innerhalb der deutsch-römischen Siedelung antipapale Strömungen um
die Jahrhundertwende breiteren Boden gewonnen haben, und daß der
kindliche Gehorsam vor dem Heiligen Vater, dessen sich heute die
Römisch-Katholischen in Deutschland rühmen, ins Wanken gekommen

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