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VI.

Das Zeitalter der Aufklärung und Revolution

Die Kirche und (de deutschen hirchhchen Ansiahen
Obgleich der imperialistische Grundgedanke der römischen Kirche
die religiöse Duldung und Anerkennung allgemeiner Gewissensfreiheit
ausschließt, haben die Päpste dennoch, wie wir gesehen haben, sich
den Verhältnissen anbequemen und in ihrem eigenen Herrschafts-
gebiet wenigstens eine Nachsicht gegen Andersgläubige üben müssen,
die je nach der persönlichen Eigenart des Statthalters Christi mit mehr
oder minder Widerstreben verbunden war, aber mit der Zeit zu einer
selbstverständlichen Gewohnheit wurde. Das Anwachsen des Fremden-
verkehrs, an dem das mächtige England am stärksten beteiligt war
(der Fremde hieß seitdem im Volksmund kurzweg Inglese), trug zur
Befestigung dieser Toleranzpraxis wesentlich bei. Die päpstliche Re-
gierung ließ es ohne Einwand geschehen, daß der reiche britische
Sonderling Lord Bristol, Bischof von Derry, der durch einige Jahr-
zehnte ein häufiger Gast am Tiber gewesen ist, in seiner Wohnung die
Landsleute zu ketzerischem Gottesdienst versammelte, und ein Eng-
länder mußte es in Rom schon recht arg treiben, wenn er das Mißfallen
der Kurie derart erregte, daß sie gegen ihn einschritt. Ganz vereinzelt
dürfte wohl der Fall des Malers Thomas Patch dastehen, der 1755 von
der Inquisition aus dem Kirchenstaat ausgewiesen worden ist. Er hatte
sich schon im Herbst 1751 die Ausweisung aus dem Bistum Tivoli zu-
gezogen, die der dortige Oberhirte mit der Berufung auf ein Gesetz
begründete, welches Ketzern den Aufenthalt an katholischen Orten nur
für acht Tage gestattete. Aus einem Briefwechsel des Kardinals Albani
mit dem britischen Gesandten in Florenz erfahren wir, daß die
,.schlechte Aufführung" (pazza condotta) Patchs den Anlaß zu der
Maßregelung durch den Bischof von Tivoli gegeben hat, und daß seine
Entfernung aus dem Kirchenstaat 1755 durch lose Reden über Frauen
herbeigeführt worden sei. Alessandro Albani bestätigte zugleich aber
ausdrücklich, Ehrenrühriges habe der Maler während seines Verwei-
lens in Rom nicht begangen, und nahm keinen Anstand, ihm einen
Empfehlungsbrief an den Gesandten mitzugeben, als Patch nach Flo-
renz abreiste. Dieses Verhalten des Kardinals wie sein gesamter
dienstlicher und freundschaftlicher Briefwechsel mit dem Gesandten

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