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II.

Auflebungszeit und Reformation

I?om und die neue Zeit
Für die Deutschen, denen wir bisher in Rom begegnet sind, war die
Stadt nur die Roma Sacra, die durch Apostel und Märtyrer geweihte
Stätte, die Lehrerin des wahren Glaubens, die Quelle aller Mittel zur
Erlangung des Seelenheils, die Beherrscherin der Kirche und aller im
Christentum geeinigten Völker. Wer dorthin kam und sich heimisch
machte, der sah in Rom nichts anderes, der wußte nicht oder übersah,
daß diese Stadt einmal eine andere Krone getragen hatte, daß sie der
Mittelpunkt einer alten Kultur, die Herrin einer anders denkenden
Welt gewesen war und in ihren Ruinen wie im verborgenen Schoß
ihres Bodens Schätze und Denkmäler des Wirkens vieler Geschlechter
bewahrte, die von Welt und Leben eine grundverschiedene Vorstellung
besessen und einen Reichtum von Werken des Geistes und der Kunst
geschaffen hatten, denen auch ein Ewigkeitswert innewohnte. Das
antike heidnische Rom lag unter den Werken des nachfolgenden
Christentums begraben, die Kirche hatte es bewußt und absichtsvoH
zerstört und für den Dienst ihrer eigenen Herrschaft umgewandelt; sie
bemühte sich geflissentlich, auch die Erinnerung daran zu verwischen
und ihrer gesamten Herde einen Abscheu gegen die Antike, als sei sie
das Böse an sich, einzuptlanzen. So hatte die päpstliche Kirche den ge-
schichtlichen Zusammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit
zerrissen und eifrig immer neuen Schutt über dem Grabe aufgehäuft,
in dem die antike Kultur ihren Dornröschenschlaf hielt, aus dem sie
durch weltumstiirzende Tat erst wieder erweckt werden mußte, ln
dem östlichen Teil des ehemaligen Römerreichs hatte die antike Kultur
ein Weiterleben geführt, aber durch die Loslösung der griechischen
Kirche von der Alleinherrschaft der römischen Päpste war die Verbin-
dung zwischen Konstantinopel und Rom gelockert und eine geistig-
kulturelle Gegnerschaft zwischen Ost und West geschafsen worden, die
im Westen das Vergessensein der Antike nur hatte fördern können.
Der Zusammenbruch des östlichen Reiches durch die türkische Erobe-
rung stellte um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Berührung der
griechisch-christlichen Welt mit Rom wieder her und führte am Tiber
zur Wiederentdeckung der Antike. Es ist nicht unsere Aufgabe, die

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