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IX.

Kunst und Künstlerleben in der Zeit der Romantik
Hochstand der deutschen Künstterscha/t
Die aufsteigende Bewegung, die seit dem Anfang des 19. Jahrhun-
derts trotz der politischen Unruhe der napoleonischen Zeit in dem
Rombesuch germanischer Künstler zu beobachten war, hielt nach den
Befreiungskriegen nicht nur an, sondern nahm an Stärke immer mehr
zu und erreichte vor der 48er Revolution ihren Hochstand. Dieser
Zeitraum von 35 Jahren bezeichnet eine Blüte des deutschen Kunst-
lebens am Tiber, die nachher kaum wieder erreicht, jedenfalls nicht
übertroffen worden ist. Zunächst übertraf die Zahl der Künstler aus
deutschen Landen und der stammverwandten, die sich ihnen an-
schlossen, jede andere ausländische Künstlerkolonie so erheblich, daß
sie schon durch dieses äußere Übergewicht eine beherrschende Stel-
lung in Rom einnahmen; hinsichtlich der Tätigkeit und der Leistungen
konnten sie um so eher hervorragende Beachtung beanspruchen, als
die einheimische Künstlerschaft, vereinzelte bedeutende Kräfte ab-
gerechnet, nichts aufzuweisen hatte, was des alten Ruhmes der hohen
Schule der Künste auch nur entfernt würdig gewesen wäre. Nach dem
Tod Canovas und Camuccinis würde das römische Kunstleben ohne
die Fremden einer unfruchtbaren Wüste gleichen, und unter diesen
Fremden standen fast auf allen Gebieten der bildenden Künste unsere
Stammesgenossen in der vordersten Reihe. Die Ewige Stadt ist in
diesem Zeitabschnitt zu einer Zweigstelle deutschen Kunstschaffens
geworden, die manche heimische Pflegestätte an Bedeutung übertraf,
ja zeitweilig der maßgebende Mittelpunkt zu sein schien. Es war ein
unanfechtbarer heiliger Grundsatz für Maler, Bildhauer und Bau-
meister, daß Rom allein ihnen die vollendete künstlerische Ausbildung
geben, daß nur das Leben auf seinem klassischen Boden Anregung und
Begeisterung zu großen Werken gewähren konnte. Bienenschwärmen
vergleichbar sind die Deutschen, Schüler wie Meister, über die Alpen
herübergekommen, um aus der Blütenfülle der Kunstschätze Italiens*
Honig zu saugen; gegen 1200 Künstler lassen sich zählen, die während
der 35 Jahre der romantischen Zeit auf den Sieben Hügeln geweilt
haben, viele in mehrfacher Wiederkehr oder zu dauerndem Aufenthalt.
Der jährliche Zuzug aus dem Norden betrug durchschnittlich 30 und
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