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XII.

Das Deutschtum in der Hauptstadt Italiens

Poü'h'sche Wund/ungen und WhPunpe?i
Die großen politischen Wandlungen, die der Deutsch-Französische
Krieg 1870/71 nördlich und südlich der Alpen herbeigeführt hat, sind
von tiefgreifender Einwirkung auf die Entwicklung der Deutschen
Kolonie Roms gewesen. Wie die staatliche Einigung des deutschen
Volkes ihm einen raschen Aufstieg zur Geltung in der Welt und zu
ungeahnter wirtschaftlicher Blüte beschert hat, so umfaßt das halbe
Jahrhundert seit der Einigung auch für das römische Deutschtum eine
andauernde Aufwärtsentwicklung zu einem vordem nie erreichten
Hochstand in bezug auf Stärke, Ansehen und vielseitige Wirksamkeit
auf den wichtigsten Gebieten geistiger und materieller Kultur. Diese
Blüte des deutschen Lebens am Tiber, die den Neid der Italiener ebenso
erregt hat wie der glänzende Aufschwung des deutschen Welthandels
den der Engländer, war nur von kurzer Dauer; der Weltkrieg 1914
bis 1918 hat sie gebrochen, ja vernichtet und die Grundlagen, auf denen
die Tätigkeit der Deutschen in Rom gebaut und geschaffen hatte, der-
maßen erschüttert, daß auf absehbare Zeit ein beachtenswertes Auf-
leben der vielhundertjährigen deutschen Siedelung ausgeschlossen
erscheint. Es hat sich mit dem Abfall Italiens vom Dreibund und
seinem Eintritt in den Neid- und Raubkrieg gegen das deutsche Volk
eine Drohung erfüllt, mit der ein nationalistisches Blatt Roms es für
passend gefunden hatte, während der Bündnisjahre einen Besuch
Kaiser Wilhelms II. in Italien zu begrüßen, indem es, anknüpfend an
den Sitz der deutschen Botschaft auf dem Kapitol, dem heiligen Hügel
des römischen Imperialismus, warnend daran erinnerte, daß hart
daneben der Tarpejische Fels abstürze. Durch den Weltkrieg und seine
Nachwirkungen ist in der Tat das römische Deutschtum mit all seinem
nationalen Besitz an materiellen und geistigen Gütern vom Kapitol
herabgestürzt worden und wird nach menschlichem Ermessen kaum
wieder die stolze und beherrschende Höhe erreichen, auf der es vor
1915 gestanden hat. Denn mit der Ewigen Stadt selber ist seit 1870 eine
grundsätzliche Veränderung vor sich gegangen, die es voraussichtlich
ausschließt, daß ein einzelnes fremdes Volkstum dort künftig wieder
zu einer so bevorzugten Stellung gelangt, wie wir Deutsche sie lange
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