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X.

Die letzten Jahre im hinsterbenden Kirchenstaat
Die posssöchen Wirren und Wandungen
Am 15. Juli 1849 kündigten die Glocken der Peterskirche, die nach
der Besetzung der Stadt durch die Franzosen ein feierliches Tedeum
einläuteten, den gläubigen Katholiken an, daß die politische und kirch-
liche Freiheit nur ein wüster Traum gewesen und daß in Rom die
päpstliche Herrschaft in der alten Form wiederhergestellt war. Im
ganzen darf man sagen, daß die deutsche Siedelung trotz der Anwesen-
heit der französischen Truppen, die den Stuhl Petri und die Hierarchie
zu stützen hatten, mit der Rückkehr zum Alten zufrieden war. Mit
Genugtuung sah sie am 21. März 1850 zu, wie über dem Tor des Palazzo
Venezia der österreichische Doppeladler unter militärischen Ehren-
bezeigungen wieder aufgerichtet wurde und zwei Tage später auch die
Nationalkirche S. Maria dell' Anima sich von neuem mit dem Wappen
ihres kaiserlichen Schutzherrn schmückte. Nachdem die Ordnung im
Sinne des Papsttums wiederhergestellt war, hielt Pius IX. am 12. April
1850 mit feierlichem Prunk seinen Einzug in die für ihn zurückeroberte
Hauptstadt, aus der er vor der Revolution heimlich in Verkleidung ent-
flohen war. Die liberalen Anwandlungen seiner ersten Regierungszeit
hatte er im Exil von Gaeta endgültig verabschiedet und sich in einen
unerbittlichen Reaktionär verwandelt. Staat und Kirche bekamen es
bald genug zu fühlen. Hierdurch sowie durch den demütigenden Druck
der fremden Besatzung in der Hauptstadt der antiken Welt wurde die
Erbitterung der nationalgesinnten und radikalen Kreise der Ein-
wohnerschaft gegen das Papsttum und seine Beschützer nur noch
gesteigert, und die folgenden zwanzig Jahre waren daher durch einen
unaufhörlichen Kampf ausgefüllt, der von beiden Seiten in wechseln-
den Formen bald unter der Oberfläche, bald öffentlich mit zäher Aus-
dauer geführt wurde. Wenn auch die Deutschen Roms den Vorteil
genossen, der aus der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse und
der Neubelebung des Fremdenverkehrs für alle Erwerbszweige ent-
sprang, so hatten sie doch auch unter dem Zustand der andauernden
Gärung und der fortschreitenden Zersetzung der alten Staatseinrich-
tungen Italiens zu leiden. Da Österreich in dem Befreiungskampf
1848/49 Sieger geblieben war und im Einvernehmen mit dem Papsttum

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