Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XI.

Kunst und Künstlerleben seit i8go
Aüederpanp :m römischen Kunssseben
Seit der revolutionären und nationalen Bewegung der Jahre 1847 bis
1849 ist die Bedeutung Roms als Mittelpunkt der Kunstpflege an-
dauernd gesunken. Beigetragen haben zu diesem Niedergang auch die
politischen Ereignisse. Staatliche Umwälzungen und Kriegslärm haben
immer störend auf die Kunstentwicklung eingewirkt, für die deutsche
Kunst am Tiber kam ^als Hemmnis noch die Abdankung König Lud-
wigs I. von Bayern 1848 hinzu, der vierzig Jahre lang einen so starken
persönlichen Anteil an ihrer Förderung gehabt hatte. Zu der Unsicher-
heit der öffentlichen Zustände in Rom, wo das Papsttum, von fremden
Bajonetten geschützt, einen verzweifelten Kampf gegen die Revolution
führte, gesellte sich das Erstarken der deutschen Kunststätten im Vater-
land, um der Vorherrschaft Roms als der hohen Schule der Kunst Ab-
bruch zu tun; auch das Erwachen des deutschen Nationalgefühls trug
dazu bei, das Ansehen dieser Schule herabzusetzen. In der Auffassung
und Pflege der bildenden Künste selber machten sich neue Strömungen
geltend und gewannen die Oberhand, der Kunstgeschmack des kaufen-
den Publikums wandelte sich mit der Mode des Tags. Hatten der Klassi-
zismus und die Romantik seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die Ewige
Stadt zur führenden und alleinherrschenden Stellung erhoben, so
wiesen der aufkommende Realismus und die koloristischen Bestre-
bungen in der Malerei den Weg nach Belgien und Frankreich, Rom
verlor nach und nach seine Bedeutung als maßgebender Mittelpunkt
sowohl wie als Kunstmarkt. In letzterer Hinsicht übte der Wandel im
Fremdenverkehr einen ungünstigen Einfluß; die politische Unruhe
bewirkte ein Auf- und Abschwanken des Fremdenzuflusses, auf Jahre
des Tiefstands folgten Zeiten der Hochflut, aber wenn die Stadt manch-
mal auch wie ein großer Badeort aussah und von nordischen Gästen
wimmelte, so war die große Masse der Besucher gegen die Kunst mehr
oder minder gleichgültig, die Zahl der oberflächlichen Vergnügungs-
reisenden schwoll an, dagegen wurden die vornehmen Liebhaber und
Mäzene, die einen ganzen Winter geruhsam am Tiber zubrachten, sich
behaglich dem Genuß und Studium der Künste hingaben, fertige Werke
ankauften und den Künstlern neue Aufträge gaben, immer seltener.
592
 
Annotationen