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Was uns heute an diese Stadt fesselt und immer von neuem zur Be-
trachtung und Bewunderung anregt, das ist neben den verhältnismäßig
geringfügigen Denkmälern des Mittelalters das um 1500 wieder er
wachte Altertum und der von den Päpsten der Auflebungszeit und der
folgenden Epochen geschaffene Reichtum an Werken der Kunst, die
teils der Kirche höheren Glanz verleihen sollten, teils dem gesteigerten
Verlangen nach weltlichem Lebensgenuß dienten. Wenn man die Dinge
nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung scheidet, so fällt es sofort in die
Augen, wie die weitaus überwiegende und damit das Allgemeinhild der
Stadt bestimmende Mehrzahl solcher Schöpfungen dem Zeitalter der
Auflebung und des Barocks ihre Entstehung verdankt, die Pracht
kirchen und Paläste, ihre künstlerische Ausschmückung im Innern,
die privaten und öffentlichen Sammlungen von Kunstwerken, die
Monumentalbrunnen, dekorativen Straßen- und Platzanlagen, ebenso
wie die herrlichen Gärten und Villen in der Stadt selbst und in den
nahen Bergen. Das auszeichnende Wort eines neueren deutschen Dich-
ters: ,,Kein anderer Ort der Welt hat so viel Schönheit", würde im
Munde eines Zeitgenossen des 16. oder 17. Jahrhunderts noch mehr Be-
rechtigung haben, weil Rom als Sammelpunkt der künstlerischen
Kräfte des goldenen Zeitalters damals alle anderen Hauptstädte unseres
Erdteils in der Tat durch äußeren Schmuck weit überragte und das
ehrfürchtige Staunen der Welt erregte. Die klugen Herrscher am Tiber
erkannten sehr wohl, welch hohen Wert das schöne Gewand ihrer
Hauptstadt und die künstlerische Ausstattung des Gottesdienstes so-
wohl für die wirtschaftliche Wohlfahrt als auch für die kirchliche
Macht besaßen, und stellten bald die Kunstpflege, die ursprünglich der
Freude am Lebensgenuß entsprungen war, zielbewußt in den Dienst
der Politik des Papsttums. Sie fanden dabei eine kräftige und erfolg-
reiche Unterstützung im Jesuitenorden, der das kirchliche Lehen mit
allem, was die Sinne erfreuen konnte, anziehender zu gestalten eifrig
bemüht war und in allen äußeren Erscheinungsformen die Macht und
Pracht der römischen Kirche im Gegensatz zu dem nüchternen Prote-
stantismus nachdrücklich betonte. Seit der Genius eines Rafsael und
Michelangelo in Rom gewaltet hat, ist die Stadt das heiß ersehnte Ziel
ununterbrochener Pilgerfahrten aus dem Norden geworden, deren
Zweck nicht mehr die Erlangung kirchlicher Gnaden, sondern die
künstlerische Vollendung war. Kunstgelehrte haben wiederholt die an
sich müßige Frage aufgeworfen, ob der Zug nach Rom der Entwick-
lung unserer vaterländischen Kunst nützlich oder nachteilig gewesen
ist, und bis in unsere Tage hinein hat es nicht an überzeugten Ver-
tretern der Meinung gefehlt, die Einwirkung Roms und der Italiener
überhaupt sei für die deutsche Kunst ebenso vom Übel gewesen wie
die Herrschaft des Papsttums über die Seelen. Auf diese Streitfrage
soll hier nicht eingegangen werden; wir haben es nur mit der Darstel-

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