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belsdorff dorthin gesandt, damit er den guten alten Geschmack in der
Baukunst kennenlernte. Darum sind die anderen Meister über die
Alpen gezogen, die Häupter der künstlerischen und geistigen Bewegung
des Klassizismus und Neuhumanismus, Mengs und Winckelmann,
Goethe und Humboldt, Zoega und Welcher, Carstens und Thorwaldsen,
um nur die bedeutendsten zu nennen, die bis zum Abschluß der napo-
leonischen Weltwirren am Tiber ihre Schule und die Stätte ihres
Schaffens gefunden haben. Es ist gewiß kein Zufall, daß gerade die
genannten Männer, die vornehmsten und einflußreichsten Träger der
Geistesrichtung, die jene Zeit kennzeichnet, Protestanten und Söhne
des germanischen Nordens und des mittleren Deutschlands waren.
Durch ihr Wirken ist in dem Rom der Päpste eine Werkstatt deutscher
künstlerischer, literarischer und wissenschaftlicher Arbeit entstanden,
die nicht allein der dortigen Siedelung unseres Volkes ein ganz neues
Gepräge, sondern auch eine entscheidende Bedeutung für die allge-
meine Kultur Europas gegeben hat. Ob diese enge Wiederanknüpfung
an die Antike ein Glück oder ein Unheil für unsere deutsche Kunst
gewesen ist, darüber streiten die Kunstgelehrten je nach ihrer Ge-
schmacksrichtung heute noch, und es gibt sogar Kritiker, die lieber
sehen würden, wenn der Weimarer Altmeister nicht nach Italien ge-
gangen und Mengs in Dresden geblieben wäre. Auf derartige Verschie-
denheiten der Beurteilung soll hier nicht weiter eingegangen werden;
wir haben es nur mit den Tatsachen des deutschen Lebens und Wir-
kens auf den Sieben Hügeln zu tun.

Raphael Meng$
Der als deutscher Bahnbrecher des Klassizismus in der Kunst seiner-
zeit in den Himmel erhobene, später ebenso über Gebühr unterschätzte
Mengs ist durchaus ein Geschöpf der römischen Welt; er hat ihr nichts
Neues aus sich oder von außen zugebracht, sondern ist lediglich durch
deutsche Ausdauer und zielsichere Strenge der Vollender einer Ent-
wicklung, der glänzendste Vertreter einer Richtung geworden, deren
Anfänge vor ihm im Kunstleben der Ewigen Stadt vorhanden waren
und noch während seines dortigen Aufenthalts um ihre Anerkennung
rangen. Es war ihm vergönnt, sie zum endlichen Sieg über die ab-
sterbende Mode zu führen. Während der ersten beiden Aufenthalte am
Tiber ist die Familie Mengs, Vater Ismael mit zwei Töchtern und dem
kaum dem Knabenalter entwachsenen Sohn, dem dortigen Deutsch-
tum so gut wie fremd geblieben. Sie lebte in strengster Zurückgezogen-
heit im Borgo, fern von dem Fremdenviertel, unter der pedantischen
Zucht des Vaters nur dem Studium der Kunstschätze des Vatikans
und den Übungen unter Anleitung italienischer Lehrer hingegeben. Der
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