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junge Künstler in Rom zu beschäftigen, 1856 Fürst Chlodwig Hohen-
lohe-Schillingsfürst, 1862 Fürst Alfred Salm-Salm, 1865 der ehemalige
Reichsfinanzminister Hermann von Beckerath, 1869 der Herzog von
Ratibor, während Graf Robert von Lichnowsky als Prälat längere Zeit
ansässig war und als Kunstfreund, Sammler und heiterer Lebens-
künstler in der deutschen Gesellschaft sich großer Beliebtheit erfreute.
Viele Fremde der höheren Stände, die im Ausland Anschluß an das
Deutschtum suchten, fanden gastliche Aufnahme in einigen bürger-
lichen Häusern, die in der Lage waren, Geselligkeit in größerem Um-
fang zu pflegen. So war das Haus des Hamburger Malers Rudolf Leh-
mann, in dem eine schöne, muntere und begabte Frau waltete, in Via
di Ripetta ein beliebter Sammelpunkt, ebenso das Haus des Malers
Karl Lindemann-Frommel in Via del Babuino39, der mit der Baronesse
Auguste von Racknitz vermählt war und das Ehepaar Stahr-Lewald,
Hermann Hettner, Gregorovius,LeopoldWitte,die Familie des norwegi-
schen Geschichtschreibers Munch und andere zu seinen Freunden
zählte; auch ein Verwandter der Frau Lindemann, der Arzt Wolfgang
Erhardt, sah viele deutsche Gäste bei sich, im wesentlichen denselben
Kreis wie jene. Die freiere Lebensweise der italienischen Umwelt wirkte
auf die dort ansässigen Deutschen mit der Zeit ein und erweiterte die
aus der Heimat mitgebrachten Anschauungen und Gewohnheiten hin-
sichtlich des Verkehrs der Menschen untereinander; sie streiften man-
ches gesellschaftliche Vorurteil und wenigstens einen Teil des Kasten-
geistes ab, der unserem Volk mehr als anderen Kulturnationen an-
haftet. Die Gesellschaften in der deutschen Siedelung Roms waren
daher in ihrer Zusammensetzung gemischter, mannigfaltiger und
weniger einseitig steif als in der Heimat. Die adeligen Herrschaften,
die zu kurzem Besuch oder als Diplomaten zu vorübergehendem Auf-
enthalt an den Tiber kamen, hatten für diese freiere Auffassung nicht
immer Verständnis. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht das Urteil eines
Mitglieds des deutschen Hochadels, das sonst nicht gerade der Eng-
herzigkeit und verknöcherter Anschauungen geziehen werden kann, des
Fürsten Chlodwig von Hohenlohe. Er schrieb im April 1857, nachdem
er mehrere Monate in Rom geweilt hatte, in sein Tagebuch: ,,Die
deutsche Gesellschaft mag zahlreich sein, besteht aber meist aus unter-
geordneten Elementen. Ich habe sie nicht kennengelernt/' Es wäre
dem klugen Mann nützlicher gewesen, hätte er sie kennengelernt, denn
unter den ^untergeordneten Elementen" fanden sich Männer wie Gre-
gorovius, Hermann Grimm, Wilhelm Henzen, Heinrich Brunn, Alois
Flir, Pater Theiner, Alban Stoltz und Döllinger, die Künstler Overbeck,
Cornelius, J.M. Wagner, Emil Wolfl, Robert und Karl Gauer, August
Riedel, Reinhold Begas, Franz Dreber, Böcklin und Feuerbach, um
nur die hervorragendsten zu nennen. Daß daneben in der Deutschen
Kolonie auch echtes Philistertum gedieh wie in der Heimat, ist selbst-
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