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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 27-39 (2. März - 30. März)
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[] H. v. Thommes, Geſchichte Englands zur Zeit
Ä Ê [ der Tudors.. ': s t ht/z :
Wer die Kirchenspaltung, ihre Ursachen, Fortschritte, Folgen

und Verbreitung nach England in klarer Darſtellungsweiſe kennen
lernen will, der nehme das höchſt intereſſante neue Werk von
H. v. Thommes ,Geſchichte von, England“ zur Hand. Mit einer
ſeltenen Klarheit, einer ungeſchminkten. Wahrheitsliebe, mit einer
feſſelnden Darſtellungskraft iſt dort im X. Cap. I. Bd. die ge-
nannte kirchl. Revolution dargeſtelll. Aber nicht. blos. dieſer. Ab-
ſchnitt , vielmehr das ganze Buch verdient unsere vollſte Beachtung.
Was in der Vorrede der Verfaſſer für Anforderungen an jeden
Geschichtsſchreiber stellt, hat er ſelbſt in seinen meiſten,. Werken
an sich ausgeführt. Der Geſchichtsſchreiber muß durch Arbeiten,
sagt der hochw. Verfasser, bei welchen er das Del auf der nächt-
lichen Lampe nicht spart, die Thatſachen mbglichſt ſämmtlich und
möglichſt richtig erforſchen, und nach érlangter klarer Erkenntniß
des Geſchehenen muß er dieſelben dem Leſer ſo vor Augen, oder
ihn selbſt auf den Standpunkt ſtellen, daß er lle Thaſſachen zu
gleich, aber auch jede in ihren natürlichen Umrissen ſieht.
Mit furchtloſer Offenheit trete er an die Perſonen und Be-
gebenheiten heran, dringe mit stets gleicher Schärfe durch- die
Phraſe zu dem Wesen der Sache, durch die Erklärung der Par-
teien zu ihren Mitteln und Wirkungen ; und gebe dann in treuer
Schilderung ein Bild des Zuſtandes,, deſſen Wahrheit für ſich
selbſt redet und auch durch die Etfahrung bestätigt wird. Er
kenne keine ſträfliche Rücksichtnahme auf Zeitſtrömungen und
Neuerungen; er laſse sich nicht täuſchen durch wohlklingende
Kundmachungen und ſchmeichleriſche Lobreden. Er sei ein frei-
müthiger loyaler Politiker, ein selbſtſtändiger Mann , ein feſter.
Charakter, der nur vor den ewigen Geseßen der Sittlichkeit und
Wahrheit sich beugt. Das alles iſt in ſtrengſter Wirklichkeit bei
dem Verfaſſer , Herrn v. Thommes vereinigt. ' ie
. Mit welch’ kerniger Sprache H. v. Thommes die Folgen der
Kirchenſpaltung für den Glauben und das deutsche Reich ſchildert,
dienen folgende Sätze auf pag. 455 des I. Bdes. | 15
„Wenn die zwei mächtigen Gegner, Eck und Luther, in unserem
Jahrhundert wieder gekehrt wären, was würden ſie gefunden haben ? Der
Eine würdefür die Vertheidigung seiner Sache keine neuen Beweisgründe
vorbringen; er würde die Kirche, für die er mit so großem Eifer
gestritten, feſt ſtehend finden, und wenn er seinen Blick nach Rom

richtete, würde er den Stuhl des h. Petrus, der damals von|

einem so großen Sturme bedroht war, daß die Neuerer ihm den
Umſturz prophezeiten, noch immer in vollem Glanze schauen, herr-
ſchend über die Gemüther und Herzen von mehr als zweihundert
Miklione. Wenn der Andere dagegen zum Leben erwachte,
würde er sein Werk suchen und nicht finden können, so ſehr iſt es
von Denjenigen entſtellt, die sich jest noch ſeine Schtiler nennen;
er würde weder ſeine Lehre erkennen, die nach und nach von der
Exegese erstickt wurde, noch seine Symbolik, welche die reformirte
Schule nicht mehr lehrt, oder jeden Tag auf's Neue beſchneidet ;
sſo daß er Jſelbſt die neue proteſtantiſche Theologie erſt. ſtudiren
müßte, um sich klar zu machen, was man jett unter proteſtan-
tiſchem Glauben und Cult verſteht. Auf Luther und ſeine Ge-
hilfen folgten allmählich viele sog. Gottesgelehrte und „Diener am

150

ſſcheinung machten „und es allenfalls [noch als ein Vertzeuc, î

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Menſchheit, zu einer zweifsi:



haften Sache, zu einer menschlichen Erfindung, zu einer



allleitenden Vorsehung gelten ließen. Von den berühm u er

kanzeln des Protestantismus herab iſt es laut ausgesprochen wor-
den . „DEV Erlöser ſei iiur ein jüdiſcher Sokrates, der
Schöpfer einer beſſeren praktiſchen Philoſophie gewesen.“ Die be-
rühmt sten proteſtantiſchen Prediger machen aus Zhm einen ,ei n-
f ach eh Ra bbin en, den Einige für den Mesſias hielten, so daß
Er zulegt ſselbſt davon überzeugt war, obgleich Er nur einen ge-
läuterten Moſaisnmus lehrte; einen Rabbinen, der zum Tode ver-
urtheilt und an das Kreuz genagelt, anscheinend to dt von dem-
selben herabgenommen wurde, am dritten Tage aber wieder zum
Leben erwachte, ünd der endlich ſeine Schüler, nachdem er sie
mehrere Male wiedergesehen hatte, verließ, ohnedaß sie ihn jemals wie-
der zu Gesicht bekamen. Was Wunder, daß schon hier und dort die Taufe
verſchmäht, oder doch nur aus Nathgiebigteit gegen die öffentliche Sitte
zugelaſſen wird! Man braucht uur auf dem betretenen Wege fortzu-
fahren und den Unglauben der vielen ſog. Gottesgeleyrten und
Prediger mehr und mehr in das Volk hinabdringen zu lasſen,. . so
werden wir ſeiner Zeit ein neues Heidenthum haben, ein Heiden-
thum, das sich von dem alten nur ſo lange unterſcheiden wird,
bis die in dasſelbe hinübergenommenen chriſtlichen Ideen und Lebens-
einrichtungen ihre Nachwirkung verloren haben werden. Und an
der Flamme des Scheiterhaufens, der die päpſtliche Bulle nebst
dem Kirchenrechte in Aſche verwandelte, entzündete sich schon bald
die Brandfackel eines furchtbaren Religionskrieges, dem in Wahr-
heit der Name tines deutſchen Raub- und Räubetkrieges gebührt,
welcher das ſchöne, von Gott gesegnete Deutſchland schrecklich ver-
wüſtete und manche jetzt ſo herrliche Gegend faſt in eine Einöde
verwandelte; aber Trümmer haben die. Kluft nicht ausgefüllt, die
bis in den heutigen Tag die Katholiken von den Proteſtanten
trennt. Die beklagenswerthe Kirchenſpaltung hat einen weiten,
blutig sickernden Riß durch das Herz Europas , durch naturver-
wandte Völker und Reiche, durch Familien und Geſschlechter, ja
durch das heiligſie uad innigſte aller Verhältniſſe + das Gatten-
glück auf eine unabſehbare Reihe von Jahren hinausgezogen. Die
Kirchenſpältung hat den Samen der politiſchen Spaltung und
Ohnmacht auf deutſchen Boden geſtreut und die Bande zerbrochen,
welche die starke deutſche Nation zuſammenzielten.“



| gti 141011 VP ccSſſvvestſthlagz. j

*" Heidelberg, 25. März. Die Landesbaſe ſagt mit dürren
Worten, es läge nichts im Wege den Jeſuitenorden anzugreifen,
dagegen warne sie das Katholiſche Kirchenblatt vor jedem Angriff
auf die „Reformatoren“, weil’ „das, Bauer, etwas Anderes“ sei.
Kathotiſche Orden dürfe man ungestraft angreifen, dagegen die
Grundſätze der sog. Reformatoren wie deren Persönlichkeiten stän-
den über jeder Kritik erhaben , und jedes Wort, das gegen ſie ge-
schrieben werde, falle unter das Stirafgeſeßbuch § 583 ff. Wir
ſind so frei, dies den Katholiken Badens kund zu geben, damit
auch. die Blödeſten endlich erkennen, um. was. es ſich handelt!
Dieselbe Landesbaje nacht die kaiholiſchen Bläiter auf einen , elt-
samen Fehler“ aufmertſam, den sie sich zu Schulden kommen
ließen: die Vertheidigung der Jeſuiten. Etwas Neues bringt ſie
dabei nicht vor, vielmehr wiederholt ſie nur die tauſendmal gehörten



Wort“, deren ganze Weisheit und ganzes Beſtreben darin beſtand,

perament, Anlagen des in Frage ſtehenden Menſchen, mit dem moderne ſsenti- j

mentale Worthelden und Menſchenverbeſſerer ſchlechte Subjecte rein waſchen
möchten. Es weiß ja jeder recht gut, was gut und bös iſt. Die Wissenſchaft
über gut und bös braucht man in keiner Schule zu lernen. Sie iſt dem Men-
th tirdelat i E f E hu tif (zu Vun

So wollen wir denn auch vom Friederle hier einen Vorfall berichten, der
uns die Dentkart vieler vor Augen ſtellt. In ihm mögen wir kauſend Andere
erkennen, die eben ſo denken im Geheimen ; von denen es nur nicht zu Tage
tritt, weil sie nicht in einen Fall kommen, wo ſie és ſo frei ausſprechen und
dann gründlich curirt werden könnten. th z ; et
N ls tinmal die alte Amrei die Na

chricht heimbrachte, das Grab der Theres

ſei seltſamer Weiſe gänzlich abgemäht, ohne daß man irgend darum gefragt !

oder es angezeigt habe + da wurdé der Friederle wild und das war ja Waſ-

ſer auf ſeine Mühle. Er ſchimpfte über die Pfaſfenwirthſchaft in Dorfe und |

den Bürgermeister und den Schulmeiſter und alle, die nichts von ihm wiſsſen
wollten. Ja er konnte es nicht verwinden zum Pfarrer ins Haus zu gehen,
um in seiner Sprache dem Pfarrer den Rüffel zu machen über eine ſolche
„grenzenloſe Nachläsſigkeit“, die da gewaltet hâbe, daß man ohne alles Weitere
ſeiner Schwester Grab abmähen habe laſſen, Er ſei auch. noch. da u. ſ. w.

“ Der Pfarrer, der ihn recht wohl kannte und Gefallen daran hatte, daß
der Friederle nun doch auch einmal zu ihm ins Haus gekommen, hatte ihn
mit aller Ruhe angehört, ſchwieg ein Weilchen und sagte ihm dann, ihm be-

deutungsvoll die Schulter klopfend: „Sö, Friederle, zu dem iſt alſo der Pfarrer] (

recht, daß ev euch auf dem Kirchhof euere Gräber ſauber halte ~ aber in
der Kirche wollt ihr nichts von ihm wiſe n. euug. uw ue:

_ Der Friederle, der auf dieſe Entgegnung keineswegs gefaßt wc
nichts deſtoweniger augenblicklich heraus ; „Der Herr Pfarrer tommt auch nicht
zü zzitltit sen Eteinthfüchll!! " !! |. . Meu.1 gaûn hatt Bil s. Hzs zh
"„So !? Ihr wollt haben, ich ſolle zu Euch in den Steinbruch kommen,
wenn iht zr, Kirche kommen ſollt ? Nun gut ! Ich komme zu Euch auf den
.f f iche ich dem Hrn. Pfakrer in die Kirche l!

Lange Heit war nichts weiteres geſchehen zwiſchen dem

dachte weiter noch daran. Nur Einer : Der Pfarren.

faßt wat, hoſperte |

_ auf den Steinbruch tommen, damit Ihr, wie Ihr ſchuldig

.. . "! | | in Eure Meſſe geht? So war és nicht gemeint !“

Pfarrer und dem | ; :

Friederle. Ja es ſchien, als ob jene Sache ganz vergeſſen wäre utd Niemand | 5onnt und Alt strö h emand
Gu Ö | ſah den Friederle. Zulett tam er doch ; jedoch unter der Kirchenthür ſchrie er:

Schimpfereien und Bierhausphraſen der Foriſchrittsphiliſterei. Das

Dieſen tanute der Friederle ſreilich nicht. Ex hatte nicht geglaubt, wie
Ernſt es damals dem Pfarrer gewesen, da er betlagte, daß er ihn, den Friederlk,
nie in ſeiner Kirche ſehe. Aber das, was der Pfarrer in, ſeinem Gemüthe über
die innere Verblendung des. Friederle litt, konnte der Friederle [nie ahnen.

| Wie sollte. dies auch möglich ſein bei einem Menſchen, der tängſt nicht anders

über Geiſtliche und geistliche Dinge. sprechen gehört, als über Herrſchſüchtige,
[ Volksverdummer, Habſüchtige, dice das Volt ausſaugten, u. ſ. w. Ach, könnten
solche Leute hineinſchauen in das ſo reiche innere Leben eines ſolchen Land-
pfarrers , überhaupt eines tatholiſchen Prieſters. wie mancher ſich innerlich ab-
härmt um eine ſo arme Seele eines ihrer Pfarrtinder ! Sie würden fürwahr
dlich, kurirt von all dem Schwindel, den man ihnen vorgemacht!
Da war einmal im Mitte Juli ein überaus heißer Sommertag und die
Leute arbeiteten wie gewöhnlich im Steinbruch ! Auch der F.iedele.
! Mit Einem Male ſchrie der große Hagenmaier, der gleich vorn am Stein-
bruch Steine auf einen ſchwertragenden Wagen lud: „der Pfarrer.! der Pfavver
kommt !’ Und wie ein Lauffeuer, wie ein Echo pflanzte, er Jich fort dieſer Ruf,
siufenweiſe von dem unterſten bis hinauf auf den höchſten Punkt des Stein-
bruchs, wo gerade der Friederle beſchäftigt war. „Der Pfarrer! der Pfarrer!
Friederle,. der Pfarrer !" und es gelang dann auch zu den Ohren des Friederle,
Die Sache von ehemals mußte wohl betannt geworden. und eben wieder in
der Erinnerung der Leute hier aufgestiegen sein.. Dev. Friederle rief :. Nur
hier heranf ! Hier bin ich ! Hier hoch oben ! Herr. Pfarrer !“ ;za aitlt Flur
Ja. ~ der Pfarrer hatte ſich alſo jenes Wort des Friederle ad notam
j an dieſem ſo beſonders glühenden Som-
m Steinbruch.)... .;. jt1 sus zT
„Guten Tag, Frieder !“ rief der Pfarrer, oben angetqmmen. Jetzt bin
ich in Curem Steinbruch. Und wißt Ihr noch, was Ihr verſyrochen damals ?“
„Gut, ich halte. Wort ! Nächſten Sonntag komm ich Euch zur Kirche, Herr
färrer I uus much mi U. t tur nith qm. z110. 9 z
jilziést; Nur nächſten Sonntag ? , So li ich denn „jede Woche zu Euch
ſeid, am Sonntag

grün

genommen gehabt und hat ſich endlich

mertage aus den Weg gemacht nach de

jo

I

: nWollen,. ſehen! z,.

Der Sonntag kam. Vuit ua! Alt strömte zur Kirche, Niemand aber


 
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