Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerſtag und Samſtag.
M
| Des hohen Pfingstfestes wegen wird
unser nächstes Blatt ersſt Donnerstag den 13. d.
* ivw
Mts. erscheinen.
>11; ;> leſlit... „Judas,
Das , Deutsche Wochenblatt“ in Mannheim hat in Nr. 22
vom 26. Mai l. J. ſich wieder stark in die Karten ſehen lasſſen,
was gerade ihm nicht zur Ehre, den Katholiken aber zur Belehrung
gereicht, was man von d en Volksfreunden in religiöser Beziehung
zu halten hat, die gegenwärtig das Wochenblatt mit Aufsätzen be-
dienen. '
Es schreibt: „Der Name Jeſuit iſt und bleibt ein Schimpf-
name, und zwar der ſtärkſte, den die christliche Welt kennt. Früher
mochte der Name Judas als der ärgſte chriſtliche Schimpfname
gelten ~ jetzt iſt er ſchon faſt unſc< uldi g geworden gegen den
Namen Jesuit.“
So das Wochenblatt. Man ſieht, daß der Heidelberger Hoch-
ſchullehrer Nippold durch seine Vorleſungen über die Jeſuiten
in Mannheim doch etwas ausgerichtet hat, denn der Name „Judas“
kommt zu Ehren; er iſt „faſt unſchuldig“ jetzt ſchon, kommt Nip-
pold nochmals nach Mannheim mit ſeiner Klopffechterei, ſo wird
wohl von einem geneigten Zuhörer die volle Unſſchuld des
Judas in der fortſchrittlichen Presſſe angepriesen werden, und die
Ehrenkrone für dieſe menſchenfreundliche Entdeckung gebührt un-
ſtreitig dem Protestantenverein, der seine Apoſtel gegen die Jeſuiten
ausgesendet hat.
Mir sind durch ſolche jeſuitenfeindliche Ergüsse mehr als ent-
ſchädigt, denn wo der blinde Haß eine ſolche Höhe erreicht, daß
man den Verräther des Herrn einem katholiſchen Orden vor-
zieht, da fällt die Schmach auf jene zurück, die den Brand gegen
die Jeſuiten ſchüren.
Was das Wochenblatt in seiner Herzensaufrichtigkeit geschrie-
beu, iſt nur ein Seitenstück zu jenem wüſten Geschrei: „Gebt uns
den Barrabas los’ ! j
Das Wochenblatt nennt sich „Organ der deutschen Volks-
partei.“ JIn religiöſer Beziehung hat es hierauf keinen Anſpruch,
denn das deutſche Volk iſt nicht der Art entchriſtlicht, daß es zur
Judas - Verehrung sich hergeben sollte, und es dünkt uns eine Be-
leidigung des Volkes, mit derartigen Ansichten hervorzutreten , die
ht! der Feder eines Chriſten unmöglich niedergeſchrieben ſein
önnen.
Der zerquetſchte Hut.
Novellette von Kdeline Volckhauſen.
j (Fortsetzung.)
„Gewinner wir der Sache eine heitere Seite ab“, sagte er zuletzt, „und
bit. wenigstens vergönnen Sie mir, daß ich Sie an die richtige Adresse
egleite.'
„Ich will sofort einpacken !“
mir unter den Jüßen.“
„Gewiß, mein Fräulein, thuen Sie das, das heißt, packen Sie, aber ich
ſehe nicht ein ~ wie die Dinge nun eivmal liegen ~+ daß wir nicht vorher
mit einander frühstücken sollten. Und dann, möchten Sie nicht die Rückkehr
meiner Eltern abwarten, damit dieselben auch ihren Gast kennen lernen ?“
j Er hatte vollkommen Recht, ich erröthete ob meiner Tactloſigkeit, daß
ich mich ſo hatte davon machen wollen, und setzte mich sofort wieder nieder.
„Und nun“, sprach er, einen leichteren Ton anschlagend, „möchte ich gerne
§cjft trutt wollen Sie nicht das Amt meiner Mutter übernehmen und
mich bedienen ?!
uSehr gerne", antwortete ich und füllte ſeine Tasse.
Dabei ſah ich, wie er mir jzuſchaute und wie sein Blick auf die Nelken
lfiel. Ich erröthete und wagte nicht, ihn anzublicken, indem ich die Tasſe hin-
reichte. Er ſagte aber nicht das leiſeſte Wort, um mich verlegen oder beſchämt
zu machen, im Gegentheil mit der größten Gewandtheit brachte er die Unter-
haltung auf ganz allgemeine Dinge und erreichte es in der That, daß ich all-
miälig wieder ziemlich unbefangen wurde und ſchließlich auch mein Äbenteuer
von der heitern Seite, wie er geſagt hatte , betrachten konnte.
Mir fiel ein, wie peinlich es ſein könnte, wenn seine Eltern uns etwa
rief ich aufspringend, „der Boden brennt
hier in einem tête-à-tête fänden, und ich fürchtete mich überhaupt vor Er- | is
örterungen dieſen wildfremden Menſchen gegenüber. Was für eine Art von
Leuten waren sie ? Mißtraviſch ? Pedantiſch ? Vielleicht geizig und ungalſtlich ?
Faſt allein davon hing es ab, wie sie meine Anwesenheit iu ihrem Hauſe auf-
nahmen. Wußte ich, ob ſie mir Glauben schenken würden, ob sie nicht auf
Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn u. Poſtaufſchlag.
Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.
Es bleibt dem Wochenblatte anheimgeſtellt, über die Jesuiten
zu schreiben was ihm beliebt, der Orden wird dennoch fortbeſtehen;
allein das darf man doch verlangen, daß es keine Vergleichung
anstellt, wodurch jedes chriſtliche Gefühl empört wird.
Endlich iſt es ja ſeit mehr als hundert Jahren ein offenes
Geheimniß, wem eigentlich der Kampf gegen die Jeſuiten gilt –
der katholischen Kir c e. „Einmal mit den Jequiten fertig,
werden wir. gewonnenes Spiel gegen die Inf ame d. h. die
katholische Kirche haben“ ~ ſchrieb Voltaire an seinen Freund
Helvetius im Jahre 1761. |
Es wird dem Wochenblatte nichts mutzen, der veranſtalteten
Hetzjagd sich anzuſchließen, es büßt damit bei Mänuern ein und
behält als Reſt nur den Beifall jener Menſchengattung, die nach
geſchichtlicher Erfahrung wohl niederreißen, nicht aber etwas Er-
ſprießliches aufbauen können.
Süddeutſchland.
Juni. Wie man gq,öffentliche Meinung“
ICI EI T
* Heidelberg, 5.
macht, ſehen wir am besten wieder aus der Erklärung, welche zu
Gunſten des Friedens von einer Anzahl Badnern und Franzoſen
(Elſäsſer), die in Kehl beiſammen waren, zum Besten gegeben
wurde. Wir haben nichts gegen den Frieden, inſofern er ein
ehrenvoller iſt, einzuwenden, weil ein vernünftiger Menſch über-
haupt den Krieg zwiſchen civiliſirten Völkern zum Vortheile des
Ehrgeizes Einzelner verabſcheuen muß ; aber daß eine Handvoll
Leute sich herausnehmen mag, ſich als Willensausdruck zweier
großen Nationen ausgeben zu wollen, ſcheint uns denn doch die
Arroganz auf die Spitze getrieben. Wer waren jene Leute ? Außer
Bluntſchli kaum ein halbwegs in der Oeffentlichkeit bekannter
Name. Im Duntel der Logen mögen die Herren vielleicht beſſer
bekannt sein; das Volk weiß nichts von ihnen. Das Ganze iſt
wieder eine freimaureriſche Spekulation, um für die Logen Propa-
ganda zu machen, jene im Finſtern ſitende Sekte, die das Licht
der Deffentlichkeit nicht zu ertragen vermag. ~ Große Befriedi-
gung erregt es in allen katholiſchen Kreiſen, daß preußische Ge-
richte der katholiſchen Kirche und ihren Institutionen einen Schutz
gewähren, der anderwärts immer verſagt wird. Der Kladdera-
datſch iſt zu 2 Wochen Gefängniß verurtheilt worden, weil er die
Jeſuiten geſchmäht hatte, die von dem Gerichte als ein integriren-
der Theil der katholiſchen Kirche angeſehen wurden, so daß die
Schmähung auf letztere ſelbſt zurückfiel. Achtung vor dem preußi-
ſchen Gerichte, welches die Sophiſtereien nicht anerkennt, die un-
zählige Male in den Gerichten wie in der Preſſe vernommen wer-
Gott weiß was für Gedanken auch nur im Entfernteſten kommen könnten und
ob ich nicht einer überaus beſchämenden Scene entgegen ging ?
So begab ich mich denn gegen zehn Uhr auf mein Zimmer und fing
wirklich an, einzupacken, es dem jungen Martineau überlassend, seine Eltern
zu empfangen und sie von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu setzen. Statt
zu packen, richtete ich aber eine heilloſe Confuſion an, ich war in unbeschreib -
licher Aufregung und horchte auf jeden Ton im Haufe.
Jetzt fuhr ein Wagen vor, die Hausthüre öffnete sich, und fremde Stim-
men erreichten mein lauſchendes Ohr. Ich vernahm sogar einzelne Worte und
verſtand, daß man gestern Abend sich verſpätet, telegraphiren für unnöthig
gehalten habe u. ſ. w. Dann wurde es mit einem Male still, die Zimmer-
thüre hatte sich hinter den Eintretenden geſchloſſen. Aber mit fieberhafter
Clairvoyance nahm ich an der jett unten stattfindenden Unterhaltung Theil
. ss der Virtuoſität eines Dramatikers ſchuf ich mir allerlei ungeheuer-
iche Scenen.
. Vie entſetlich lange ſchien mir dieſe Unterredung zu dauern, wie erſehnte
ich das Ende derſelben, und wie erſchrack ich nun doch wieder, als ich nun
ganz deutlich vernahm, daß die Stubenthüre aufging und Jemand die Treppe
herauffam. Ich sah mich allen Ernstes nach einem Verſte> im Himmer um,
und mußte mir alle Gewalt anthun, um nicht die Albernheit zu begehen, mich
hinter den Bettvorhang zu verkriechen.
Es klopfte an meine Thüre.
Das „,„Herein“ blieb mir im Halse stecken, aber es wurde auch nicht ab-
gewartet, und hereintrat mit lachendem Gesicht eine hübſche blonde Dame,
zweifellos die Mutter Louis Martineau’s.
Ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich das liebe, freundliche Gesicht ſah,
aber ich war doch immer noch so wunderlich erregt, daß ich abermals anfing
u weinen.
. U C tg h B U us rent ME Cin RL; ;ases
i ' ß: zu weinen ? Ich hoffe, es iſt Ihnen nicht zu schlecht ergangen in unſerem
auſe.'’ ;
„D, Madame“, sagte ich, „was werden Sie von mir denken !‘
(Schluß folgt.)