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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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Tricheint wöchenilich 8 Mal : Dienftag,
Donnerftag und Samftag.

für Sladl



Bote





Die Amtstrüppel und die Ultramontanen.

j 2-2: Von der Weschnitz, im Oct. Unsere Amtskrüppel keuchen

und ſchwizen. Man hat ihnen vollauf Arbeit gegeben. Unser
„Weinheimer“ arbeitet wie ein Blasbalg, nur immer mit fremdem
Wind. Die Krüppel ſollen den Nerger und Zorn der seitherigen
ſervil- liberalen Bürgerſchaft über die neuen Wohlfahrtsgesetze be-
ſchwichtigen. Das iſt aber keine leichte Arbeit: denn diesmal geht
es den von der neuen Aera entzückten, vertrauvenssſeligen Kriſchern
an Leib und Leben, an Hab und Gut, an Kasse und Beutel.
Man darf die Leute nicht zum Nachdenken kommen lassen, das
.: wäre gefährlice.. Man muß ableiten. Herbei mit den ultramon-
tanen Knochen, die der neuen Aera ſchon so erkleckliche Dienſte
geleiſtet haben, eine friſche Garnitur herum! Für diesmal heißt
die Looſung : Staatsprüfung der Geiſtlichen; hinaus mit ihnen
aus der Stiftungsverwaltung ! So halten denn die Amtskrüppel
ihrem Lesepublikum den für die neue Situation eigens präparirten
Knochen zum Einbeißen vor. Unser „Weinheimer“ leistet auch
hier wieder, wie immer, im Unsinn das Mögliche: er weiß ja
was sein Publikum ertragen kann. Nach seiner Behauptung wa-
ren die katholiſchen Geiſtlichen bisher lauter ABCschützen, durch
die Staatsprüfung sollen sie zugeſtutzt werden „den Massen gegen-
über zu treten“. Der Zwerg hat eine großartige Anschauung von
geiſtlicher Arbeit: Masßſenbearbeitung, so etwa mit geistlichen
Kugelſpritzen, Zündnadelraketen , theologiſchen gegoſſenen Gußſtahl-
kanonen, frommen Panzerfregatten! Arsenaldirektor wird un-
zweifelhaft der „Weinheimer“. Vielleicht hofft er durch die Massen-
bearbeitung durch die Geiſtlichen in Zukunft glimpflicher wegzu-
kommen, als es ihm bisher in der Detailbearbeitung gegangen
iſt. Nach seiner weiteren Behauptung soll die Regierung den
Gemeinden dazu geholfen haben, die fanatischen ultramontanen
Geistlichen, die den armen eingewanderten Proteſtanten aus ka-
tholiſchen Stiftungen nichts geben wollen, aus der Stiftungsver-
waltung zu verjagen. Daß die Gerichte der Kirche ihr Eigenthum
wieder zugeſprochen haben und die fanatischen und bigotten Geiſt-
lichen noch dran sind, verschweigt der Krüppel. Nur frisch drauf
los die Wahrheit geläugnet und tapfer verläumdet, es bleibt im-
mer was hängen! Und nun gar Garibaldi auf Rom! der Papſt
auf der Flucht! Der Krüppel zappelt und strampelt vor Luſt.
Heil dir im Siegeskranz, göttlicher Held! Garibaldi hoch und
abermals hoch! Die Zeiten des Fauſtrechts , der Eisenbahndemo-
litionen, wozu man auch Krüppel brauchen kann, die glorreichen

+ J o h a n n i s n a << t.
Dorfnovelle von H. Wurſt.



(Fortsetzung.)

So ging denn also die kleine Lene durch den Wald hin. Hoch am Him-
mel glivern und glänzen hunderttausend große und kleine Sterne, oft flattert
ein verspäteter Vogel auf nach seinem Neste forſchend und da ſchrickkt das Mäd-
chen oft plöglich zuſammen. Drüben aber rauſcht der Waldbach und da gleich
rieſelt das kleine Moosbrünnele. Jett muß es nicht mehr weit sein! O was
müſſen am Chriſttag die Kinder da droben für einen ſchönen Chriſtbaum
haben ! Der iſt gewiß noch größer und schöner als der der alten Nagelschmie-
din und des Jörgbauers Hansjörgle. Da sind jedenfalls Lichtlein dran, die

igen Ust 165. Was muß das aber ein Flimmern sein. Sie lebte ganz

O lieber heilger Christ,

Nicht Mutter und nicht Vater
Hab ich , wenn Du's nicht bist,
O sei Du mein Berather ,
Wenn man mich hier vergißt.

Es ward ihm wie ein Traum,
Da iangten hergebogen
Englein herab vom Baum
Zum Kindlein, das sie zogen
Hinauf zum lichten Raum!

n z Mh iſt aber der Plat, wo es immer so viele Heidelbeeren gibt. Hier
: U ; nach der Beschreibung das Haus kommen. Oder iſt ſie am Ende in Ge-
bur t drüber hinausgerathen? D nein ! Dort steht ja die alte ſog. Frie-
erlesbirte. und dort links ab sieht man es ja ſchon das alte Försterhaus ;
ks ift, wie es ſcheint , frisch angeſtrichen; das hat es auch wohl brauchen

_Donnersſtag den 24.

| Scheiben verſchwunden.

Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.

Tage der Freiſchaarenzüge, die Jagd auf den letzten Laib Brod
im Kasten und auf Alles was nicht nied- und nagelfest iſt, wer-
den dann permanent. Garibaldi hoch! Im Uebermaß seines
Jubels donnert er mit seinem Kameraden , dem Mannheimer Spi-
talkrüppel, den Ultramontanen die Frage entgegen: glaubt ihr,
daß sich die weltliche Macht des Papſtes noch länger halten läßt?
Der deutſche Staat wird dem Ultramontanismus in Deutſchland
den Hals brechen, wie er ihm in Italien schon gebrochen iſt. Wir
antworten nicht dem Krüppel, sondern denen, die ihn für diese
Frage belohnen: Glaubt der Zwerg und seine Auftraggeber, daß
er und seine Kameraden, und wären ſie zahlreicher als der Sand
am Meere, weitverbreiteter als Dinte und Löſchpapier, als Lum-

Trägerlohn u. Poſtaufſchlag.
October









pen und Lügen, Herr werden über den Riesen, der ſseit einigen

tauſend Jahren ganz anderen Leuten den Hals gebrochen als den
dermaligen Kriſchern und Freibeutern ? Mag ſein, daß der Krüp-
pel an den Fall und Untergang des Rieſen glaubt , denn Krüppel
haben bekanntlich auch krüppelhafte Ansichten und einen krüppel-
haften Maßſtab. Die „Ultramontanen“ aber glauben heute noch
ſteif und feſt, daß der „Ultramontanismus“ in Italien noch im-
mer am Leben iſt, hingegen seine Feinde um ihren eigenen Hals
ſpielen; weiter glauben wir, daß Deutſchland vorerſt ſich ſelber
über Hals und Kopf zu wehren habe, ehe es daran denkt, Andern
die Hälſe zu brechen. Nur immer langſam voran! Schließlich
gemahnen uns diese „Amtskrüppel“ an die Hanswurſte der Seil-
tänzer und Marionettenſpielere. Während der Zwiſchenakte, oder
wenn das Gsſpiel nicht recht gehen will, muß Bajazzo Witz reiſ-
sen und Purzelbäume schlagen, um das Publikum bei guter Laune
zu erhalten. Nun mit dem Güſpiel happert's dermalen bei unsern
vaterländiſchen politiſchen Seiltänzern und Taj ſchenſpielern ge-
waltig, das Publikum tobt, alſo: „Hanswurſt! rrraus !“



„* Der Weinheimer Anzeiger ein Gegner der

badischen liberalen 11l. Kammermehrheit.
Motto: „Nutzt's nichts, ſo ſchad’'ts nichts !“

Wir dürfen an unſerm armen Weinheimer Anzeiger nicht
alle Hoffnung aufgeben. Derselbe iſt noch gelehrig und ſchmieg-
ſam. Wenn er nach einigen ut zu erwerbenden Vorkenntnissen
in der Elementarlehre der deutſchen Sprache sich in der Dialektik
und Diplomatik vollends geübt haben wird, können wir ihn so-
gar noch als ultramontanen Oppositionsmann in der II. Kammer
gegen eventuelle Regierungsvorlagen aufstellen, und Abgeordneter

können! Aber es ist kein Licht drin, da iſt man ſchon zu Bett. Welch Wehl!
Die haben gewiß keinen Festtag, keinen Johannistag im Wald hier außen ! Hilf
Himmel! Cin Hund! Der JFörsterhund iſt's und thut wie wüthend; er raſt
an der Kette um seine Behauſung herum, das iſt ein Geraſſel! Man könnte
meinen, er werde alle Augenblicke die Kette zerreißen und die kleine Lene an-
packen! Sie zittert an Leib und Seele. Was ſoll ſie denn nun beginnen?
Zum Haus hinzugehen und allenfalls zu läuten , dazu fehlte ihr unter dieſen
Umständen der Muth. Sie hatte wohl laut am Haus hinaufgeſchrien, nun
aber blieb sie weiterhin unſchlüssig stehen auf ei n em Fleck. Macht man nicht
eben Licht im Haus ?

. Cine griesgrämige Alte ſchaut jeyt zu einem Fenſter heraus und ſchreit
grimmig :

„Wer ift da.?

Die Stimme aber war so abſchreckend und kreiſchend, daß die Lene jetzt
nur noch tiefer zuſammenſchrack und nicht das Herz hatte, eine Antwort zu
geben. Nun hielt die Alte das eben aufhörende ſcharfe Bellen des Hofhundes
für eine Schrulle desſelben und da keine Antwort erfolgte, ſchlug ſie das
Fenster wieder zu und augenblicklich war auch das Licht wieder hinter den

(Fortſetzung folgt.)

* [Alter Witz.] Ein Lieutenant ſaß mit mehreren Zechbrüdern luſtig

| beim Weinglas, als ein Pfarrer in's Wirthszimmer herneitrat und Guten

Abend sagte. Die jungen Herren beschlossen sogleich den Herrn im ſcwarzen
Rock zu foppen. „Herr Paſtor !‘“’ rief unſer Lieutenant , „was ist für ein Un-
terſchied zwischen einem Pfarrer und einem Eſel?‘“ Der Pfarrer antwortete,
er habe bis jetzt nie an eine derartige Zuſammenstelung gedacht. „Der Pfar-
rer, rief der in Uniform , „trägt sein Kreuz vorne, der Eſel dagegen hinten“.
„Nun werden Sie mir auch ſagen können“, entgegnete der Pfarrer , als die
Zechbrüder mit ihrem wiehernden Gelächter zu Ende waren, „was für ein
Unterſchied iſt zwischen einem Lieutenant und einem Eſel?“ ,Weiß nicht,“



rief kurz und barſch der Officier. „J < auch nicht,“ sagte der Geistliche
und verließ das Lokal.
 
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