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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 1-14 (1. Januar - 31. Januar)
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ß Donnerſtag und Samſtag.

Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn u. Poſtaufsſchlag.
Inſ.:Geb. 2 kr. die Petitzeile.







2.

& Heidelberg, 14. Jan.
im höchſten Grade erſtaunt, als wir von der nachträglichen Be-
ſchlagnahme des Freiburger Boten vom 22. December lasen, und

J

B a d e n. z
Vir müssen gestehen, wir waren

zwar wegen eines gegen das Treiben der Juden in Deſterreich ge-
richteten Artikels, welchem „Störung der öffentlichen Ruhe und |

Ordnung“ zur Laſt gelegt wird. Wir waren, erſtaunt ~ indeſs-

ſen fiel uns noch rechtzeitig ein, daß wir uns überhaupt über

gar nichts mehr wundern dürfen; denn wie wäre es sonst möglich.
ein Blatt wegen Angriffen gegen die Juden, und zwar nur des
Auslandes, vor Gericht zu ſtellen, dagegen ein anderes wegen der
ſcheußlichſten gegen die Katholiken und zwar des JInlandes
gerichteten Anſchuldigungen, indem man sie als Banditen und
Halsabſchneider bezeichnete, ſtraflos ausgehen zu laſſen! Was
soll man dazu sagen, wenn nach erfolgter Denunciation jenes
Artikels des Freiburger Boten durch die Bad. Landeszeitung und
das Mannheimer Journal die Anklage alsbald erhoben wird,
während die Bitte einer Anzahl Katholiken aus Bruchſal und Um-

gegend um Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen die

niederträchtige, von uns bis zu erbrachtem Beweise als bubenhaft
öffentlich bezeichnete Halsabſchneidereilüge der Landeszeitung von
der Staatsanwaltschaft bis zum Ministeriunt verworfen wird? Wir
haben nichts dagegen, wenn man dergleichen Dinge auf den Pri-
vatweg verweist, natürlich aber vorausgeſett, daß es gleichmäßig
nach allen Seiten hin geschieht; ob dies aber hier geſchehen iſt,
wird jeder vernünftige Menſch beurtheilen können. Wir brechen

ab — es gibt Dinge, für die man keine Worte mehr findet. Der

denkende Leser begreift das und schlägt einen bewußten Artikel des
Strafgeſet;buches nach. ; t::
. Landesbase ergeht sich in er-
götlichen Betrachtungen über die Wiederberufung des Herrn Stahel
zur Leitung des Juſtizminiſteriums. Sie iſt etwas zweifelhaft
über die politiſche Stellung des Ministers und meint, sie werde
„ſich erſt zu klären haben“ in Anbetracht der politiſchen Stellung,
die unter Stabel's Mitwirkung unsere auswärtige Politik im
lezten Sommer eingenommen habe. Indessen wird der Herr
Miniſter doch von der Landesbase wieder zu Gnaden aufgenommen,
da er ſeinen JIrrthum ,mit so vielen andern Menſchen“ getheilt
habe. Wir müssen gestehen, wir können uns kaun: etwas Unver-
ſchämteres denken, als wenn ein Blatt, wie die edle Landesbase
ſich herausnimmt, eine protegirende Haltung den Miniſtern gegen-
über affectiren zu wollen, und dann wieder in halb verſteckter
Weise drohend den Finger zu erheben. Wir fanden es noch einiger-

D er ar me Friedel.
Eine Dorfgeschichte von Fanny Becker.
(Fortsetzung.) ;

Um den Müller-Fritß und überhaupt um alle die reichen stattlichen Freier,
worauf manches Mädchen mit innerer Befriedigung geſehen hätte, kümmerte
sie ſich gar nicht, ſie waren für Annchen gar nicht in der Welt; und wenn
ſie ihren Vater, den sie sehr liebte , nicht gefürchtet hätte, so wäre sie, ſobald
der Frit zur einen Thür eintrat, zur andern hinausgelaufen, obgleich derselbe
mit seinem hohen, ſchlanken Wuchs und den kräftigen geſunden Gesichtszügen
nicht zu verachten war. Das Kirchweihfest hätte ſie am liebsten gar nicht be-
ſucht, aber der Vater hatte ihr dazu so prächtige Sachen aus der Stadt kom-
men lassen, daß sie gar nicht an Zuhauſebleiben denken konnte. So entſchloß
ſie ſich denn, sich an keinen Burſchen anzuschließen, und als der Müller Fritz
sie zum erſten Tanz haben wollte, um sie dadurch so zu sagen den Leuten als
seine Erkorene vorzuſtellen, ergriff sie mit Blitzesſshnelle ihren Vater bei der
Hand, und bevor dieser noch wußte, woran er war, stand er mitten in den
Reihen Ls ſzitzender und neben ihm lachend ſein Töchterchen, das ihm den
Streich gespielt.

: ts Bliv, Mädel !“ brummte er halb ärgerlich,
willst mich zum Gelächter machen ?“

„Bewahre Väterchen“, flüsterte Annchen ihm heiter ins Ohr. „Alle Mäd-
cen tanzen den erſten Tanz mit ihren Liebsten, nun, und ich habe Dich von
Allen die hier sind am liebſten, alſo mußt Du mit mir tanzen.!

Welche Freude würden dem armen Friedel diese Worte gemacht haben,
wenn sie zu ihm in ſein stilles Stübchen gedrungen wären ! Aber er vernahm
nichts davon, die Luſt und Freude weilte nicht in seiner Nähe; er war ſchon
ft Het er die blinde Kathi lächeln sah und sie ihm ſagte, daß sie ihn
o lieb habe. ; ; .

Aber an diesem Nachmittag „war Kathi nicht heiter wie sonst, die ferne
Muſik mahnte ſie jeden Augenblick daran, was Friedel, wie sie glaubte, ihret-
wegen nicht Alles entbehre und erdulde, und zwar so still; nie äußerte er ein
unzufriedenes Wort, in Kathi's Gegenwart war er immer heiter.

„Villſt Du wenigstens nicht heut einmal nach der Gemeindewiese hinüber-

„was fällt Dir ein;











maßen begreiflich, wenn ein Mann wie Häuſser früher der Kam-
mer und einzelnen Ministern gegenüber eine imponirende, wenn
auch etwas ſchulmeisterliche Stellung einnehmen konnte, + aber
die Landesbase in diesen Ton verfallen zu ſehen, ärgert sogar den
Boten, der kein Freund der Richtung des neuen Ministeriums iſt.
S Setkenheim, 10. Jan. Seit s Jahren beſteht hier ein
Krankenverein, der mit großer Mühe in's Leben gerufen werden
mußte. Im Anfang waren von den am meiſten bemittelten Bür-
gern Mitglieder dieſes edlen Vereins , später zogen sich mehrere der-
ſelben und zwar ohne irgend einen erheblichen Grund zurück,
meiſtens waren es persönliche Nergeleien oder unklare Anwen-
dungen einzelner Fs in den Statuten, die die Schuld daran irugen.
Immerhin verdienen die Gründer, von denen einige austraten,
allen Dank für ihre Bemühungen. Seither hat der Verein in
erfreulicher Weise zugenommen und zählt derselbe an 300 Mit-
glieder, was übrigens bei einer Anzahl von ca. 3000 Seelen keine
allzu große Maſſe iſt. Das Vermbgen beläuft ſich dieses Jahr
an 3000 fl.; an Krankenvereinsmitglieder wurden im verfloſſenen
Jahre 500 fl. vertheilt; 3 fl. per Woche. Der Krantenverein iſt
eines der ſchönſten Institute,, welches das theilnehmende und mit-
leidige Herz hat in's Leben rufen können. Man bedenke, wie
hart es einem Familienvater sein muß, wenn er von dem unheim-
lichen Gespenst der Krankheit auf's Schmerzenslager geworfen wird,
wenn er sieht, wie eine Woche um die andere vergeht ohne daß
in ſeinem Zustande Beſſerung eintritt und wenn er seinen Beruf
als Familienvater fühlt und nur zu gut weiß, daß er allein die
Stütße der Familie iſt, ja, wenn er wahrnimmt, wie es täglich
dürftiger im Haushalte hergeht – und nun auch noch Doktor
und Apotheker bezahlt sein wollen! Wie ganz anders ist es da-
gegen einem Familienvater zu Muthe, wenn er weiß, daß er doch
einigermaßen in der Krankheit Unterstüzung findet, wenn auch
der Verdienst eine Zeitlang ſtille ſtehen muß, Unterſtütung aus
dem Vereine, dem er angehört und wozu ja auch er sein Scherf-

lein in gesunden Tagen beigetragen hat!

Das iſt nur eine Seite von der Vortrefflichkeit des Ver-
eines, allein man darf hiebei nicht blos den Einzelnen im Auge
haben, sondern man muß auch die Wirkſamkeit des Vereines im
Ganzen berückſichtigen. Es tritt gewiß Keiner in den Verein, um
lediglich persönliche Vortheile zu finden, bei Jedem ist die reine
heilige Absicht vorauszuſetzen , durch ſeine Beiſteuer im Falle der
Noth ſseinen kranken Mitbrüdern ein helfender Engel zu ſein.
Nur Wenigen iſt es zur Aufgabe geſtelt, am Krankenbett perſön-
lich Troſt und Linderung zu ſchasfen und zwar zu allererſt durch

rtr ‘t Äjegts Kathi endlich wieder.
adurch machen.
; Ach Kathi-, versetzte Friedel lächelnd, „warum willſt Du mich nicht in
meinem traulichen Stübchen bei Dir laſſen ? Ich mag nicht hinausgehen, Du
weißt, ich habe einen etwas stolzen Sinn, und obgleich unser Vater selig eben-
]o gut Hofbauer war, so war dieser Hof doch klein und man wollte ihn nicht
für voll anerkennen. Ich will mich dieſem nicht aussetzen und bleibe lieber
von den tern. Bauernburſchen. fern.( +t ;
tier "bes “sa cf talks Ui GU t, f lutls "U erttqhe
söhne ihren Kopf höher trugen als Friedel, und ſie glaubte daher , ihn von
dieſem Stolz befreien zu müssen, den sie, wie ihr jett plöszlich einfiel, ſchon
öfter an ihm bemerkt hatte."

„Friede begann sie dann, ihre Hände ruhen lasſend,

darum nicht kümmern, denn, wie uns

„Du würdest mir eine große Freude

I „Du darfst Dich
kü ere Mutter ſelig auch sagte, wer sich in
der Welt will schicken, der muß lernen sich zu bücken. Es geht nun einmal
nicht anders, in jeder menschlichen Natur liegt ein angeborener Stolz : bei der
einen tritt er stärker, bei der andern weniger hervor. Die erſteren sind zum
Unglück anderer Menschen da, das heißt für solche, die sich nicht gefallen lassen
wollen, von ihnen geringschätend behandelt zu werden. Ich befürchte oft,
Friedel, daß Du zu diesen gehörst.“

„Nein, Kathi, Du bist ganz und gar im Irrthum“, sagte er, ſeinen Arm
um den Hals der Schwester ſchlingend , „ich bin nicht ftolz, wenigstens nicht
anders, als wo man mich mit Verachtung behandelt.“

„Und thut man das ?“’ fragte Kathi besorgt.
nie darüber beklagt.“

. nNein", entgegnete Friedel, über seine eigene Unbesonnenheit erſchreckend,
„mein, davon habe ich nie einen Beweis gehabt.‘
Nun, so sei auch zufrieden, Friedel, und sprich nicht wieder ſo. Ziehe Dich
nicht aus Stolz von der Menschheit zurück.-
. Nach einer Pauſe, während welcher Friedel
sie fort : „Wolltest Du nicht wohl einmal mit mir nach der Gemeindewiese
hinübergehen. Die Musik klingt so ſchön, daß ich ordentlich Lust bekomme,
mich einmal unter die Leute zu miſchen, ich habe jo lange keine andere Stimme,
als die Deinige gehörct.' (Fortſezung felgt.)

„Unser Vater hat ſich doch

sich wieder gesetzt hatte, suhr
 
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