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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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logiebefliſſener unter den Auſpicien Schenkel's den studentischen

Muckerverein „Wingolf“ gründete und dessen erſter Präses wurde. |

Dies berechtigt uns zu den schönsten Hoffnungen, daß einmal die
beiden Herren wieder einer positiveren Richtung huldigen werden,
“css ~– in Karlsruhe nämlich ~ die Zeiten ſich geändert
aben.

* Heidelberg, 29. Sept. In dem Probeblatt der Süddeut-
ſchen Preſſe finden wir folgende intereſſante Stelle in einer Corre-
ſpondenz aus Berlin: „Während JIhre ſüddeutſchen Nationalen
nicht müde werden auf sofortigen Eintritt in unſern Nordbund zu
dringen, gibt man hier der jeßigen Gestaltung oder Mißſtaltung
Deutſchlands eine längere Dauer. Die preußiſche Regierung hat
allen Grund, jedes Uebersſchreiten der Mainlinie vorerſt zu unter-
laſſen. Trotz alles gehobenen Selbſstgefühles iſt man doch zu klug
um einen Krieg heraufzubeſchwören, deſſen Ausgang doch immer-
hin ungewiß iſt und der jedenfalls alles Gewonnene und mehr uoch
in Frage stellen würde. Zudem bedarf es noch anhaltender Ar-
beit, um den Norden zu verdauen, und man trägt kein Verlangen,
sich dies Geſchäſt durch gleichzeitige Aufnahme des noch wider-
haarigern Südens zu erſchweren oder gar unmöglich zu machen.
Darum aber ſieht man es nicht minder gerne, wenn jene feinen
Politiker in ihrem lauten Verlangen nach Boruſsificirung auch des
Restes von Deutſchland nichr nachlaſſen; denn einmal ſchmeichelt
das , und dann hält es sie ab, mit Eifer dem Ausbau der eignen
Landeszuſtände ihre Kräfte zu widmen. Je unfertiger der Süden
bleibt, deſto bequemer seiner Zeit das Verſchlucken, und es wider-
spricht daher gar nicht der Absicht einer längeren Vertagung die-
des Prozeſſes, wenn man unterdessen jenen patriotiſchen Beſtrebun-
gen freundlich zunickt, ſie auch wohl in wirkſamer Weiſe noch un-
terſtützt.“

* Heidelberg, 30. Sept. Die alte Landesbaſe läßt sich aus

Mannheim ſchreiben, der Lokalausſchuß für den im nächsten Jahre
dort abzuhaltenden Friedenscongreß ſei bereits in eifriger Thätig-
keit und habe damit den Anfang gemacht, daß er eine Lieferung
von 5 Klaftern Knüppelholz für den Bedarf des Congreſses be-
schlossen habe.
. + Bon der Bergstraße, Ende Sept. Wie gut es unfere
National -Liberalen, die sich ſchon seit Jahr und Tag als „Be-
glücker und Freunde des Volkes“ anprieſen, mit diesem „lieben
Volke“ meinen, davon war Schreiber dieſer Zeilen jüngſt zufälli-
ger Weise Ohrenzeuge.

Ein ordentlich gekleideter Bürgersmann , ein Sohn Abrahams
und ein nach Moſchus und Kamille duftender Herr mit zartge-
pflegtem Bartwuchſe saßen in einem Coupé der Main - Neckarbahn
beiſammen. Wie es nun so geht, fing der Bürgersmann zu
klagen an, wo jetzt die Leute der Schuh drücke, wie die Zeiten so
schlecht ſeien und noch ſchlechter werden müßten durch die in Aus-
sicht geſtelten hohen, kaum mehr zu erſchwingenden Steuern und
Abgaben, woran nur Preußen ſchuld sei ~ Dinge, die man heu-
tigen Tages überall, wo badiſche Familienväter sich treffen, hören
kann.

Unser gothaer Biſamritter hätte sich dies natürlich für eine
Todſünde angerechnet, wenn er nicht alſo gleich es unternommen
hätte, diesen schwachen, irregeführten Bruder eines Besſeren zu
belehren und womöglich zu bekehren. Nachdem er für die glück
liche Wendung des vorigjährigen Bruderkrieges und die Errettung
aus Franzoſen- und Pfaffenhand sein dantkerfülltes Herz gegen
Gott ausgeſchüttet hatte, fing er von den glückſeligen Zuſtänden
des preußiſchen Volkes an, das er selber durch mehrjährigen Auf-
enthalt dort kennen gelernt habe: „wie da die Leute fleißig arbei-
ten, mäßig , ja kümmerlich leben und doch dabei heiter und fröh-
lich seien“ und wie man davon in Süddeutſchland gar keinen Be:
griff habe, und fuhr dann folgender Weiſe in seinem Eifer fort:
„Glauben Sie nicht, daß unsere Bauern“ ~ und machte dabei
von seinem bequemen Sitze eine verächtliche Bewegung gegen das
Feld, auf dem Bauersleute mit gekrümmtem Rücken Tabak ab-
brachen + „,,noch früher aufstehen und den Tag über noch einmal
so viel arbeiten könnten, als sie jezt arbeiten? Muß denn alle
Tage der Magen angefüllt und am Sonntag ein Rauſch heimge-
tragen sein, wie dieſes bei uns Süddeutſchen Mode iſt? Die
Leute in Thüringen, wie essen dieſe ſo wenig und so gering und
trinken faſt gar nicht; am Sonntag sitzt die ganze Familie dort
um einen Schoppen Apfelwein oder Bier den ganzen Abend lang
uud man iſt dabei froh und vergnügt + die Süddeutſchen wiſſen
nichts als zu „,freſſen“ und zu „saufen“. Es kann noch vieles
geſpart und für die Größe des Staates geopfert werden“. Ju
aolchen und ähnlichen Redensarten erging ſich unſer Fachgelehrter
noch lange, der noch nebenbei zu bemerken sür gut fand, wie
ſtark gerade sein Metier (Stard) in der badiſchen Kammer ver-
treten ſei.

Daß der anweſende Sohn Abrahams in dieſen Ton mit ein-
fiel, verſteht sich am Stand; denn je mehr der Bauer arbeitet
und Hunger leidet, deſto mehr kann er in „Geſchäſtchers“ beim
Bauer holen. Dem Moſchusbereiter jedoch können wir keine bessere
Medizin gegen sein Preußendelirium anrathen als einmal bei einem
Bauern nach eigenen Recepten nur ein Jahr lang zu dienen.





Dem „lieben Landvolk“ aber ſollten doch einmal vie Augen.
aufgehen, damit es diejenigen erkenne, die ſich von i m inien.

Kammer wählen lassen.

Nur blind gewählt, + wartet nur,
ſchon aufgehen. j

I Mannheim, 30. Sept. Der Artikel des Boten über die
aus Preußen importirten Weichſelzöpfte beim badischen Militär
gibt der Pfälzer Zeitung Stoff zum Gelächter, wobei sie dem Ab-
druck des Artikels die Ueberſchrift „Baden mit dem Weichſelzopf“
voranseßt. Dasselbe Blatt bringt einen Artikel über die „groß-
preußiſche Preſſe“, in welchem die Einwirkungen des Berliner
Preßbüreaus besonders auf Baden sehr anſchaulich hervorgehoben
werden. Wir möchten gerne den ganzen Artikel im Boten ab-
drucken laſſen, müſſen uns aber mit dem Schluſſe begnügen , da
Bürger- Redakteur Flaſchon sich aus sitzende n Gründen gegen
die vollſtändige Aufnahme ſsträubt, zumal etwas ſstaubwolkige Hel-
den dem Duelle mit Flaſchon die Anrufung eines bekannten Ar-
tt des Strafgeſetbuches vorziehen dürften. Der Schluß jedoch
autet : .

„So viel dürfte indeſſen feſtſtehen: troß der angeſtrengtesſten
Bemühungen der inſpirirten großgreußiſchen Preſſe werden die
Vorgänge in Baden eher eine Abkühlung im übrigen Süddeutſch-
land bewirken, als eine Anregung. Nachdem Baden ſich über die
Abmachungen in Stuttgart hinausgesetzt hat, und offenbar von
Berlin hiezu aufgemuntert wurde, werden die beiden andern ſüd-
deutſchen Regierungen der Verpreußung ein Halt entgegensetzen,
das von ihrem Volke mit dem unendlichſten Jubel aufgenommen
werden wird. War dem Vernehmen nach für den Fürſten von
Hohenlohe die HZuſammenkunft mit dem Großherzog von Baden in
Mühlacker der Rubicon , so wird, wenn Frhr. v. Varnbüler fortan
seine württembergiſche Natur verleugnen ſollte, der preußiſche
Fortschritt in Baden für die übrigen Miniſter das Zeichen zur
Umtehr enthalten." )

Schade iſt es auch, daß wir aus denſelben Flaſchon’ſchen
Bewegungs ver h in terungs gründen auf den Abdruck eines toſt-
baren Artikels des Stuttg. Beobachters verzichten müsſen, welcher
die Ueberschrift: „Die Bettelpreußen in Karlsruhe“ führt. Was
über die badiſchen Krüppel von 1866 anläßlich der Parade vor
dem Schwiegervater unſeres Großherzogs dort geſagt iſt, gehört
zu dem Piquanteſten, was wir noch gelesen haben. Da wir aber
in Baden, was die Presſe betrifft, im Zuſtande der Unfreiheit
ſind , ſo müssen wir die Delicatesſſe allein verzehren, ohne unſern
Lesern etwas davon abgeben zu können.

<@ Mannheim, 30. Sept. Es iſt den Servilen nicht ge-
lungen, die Mehrheit des hiesigen Wahlcollegiums zu einer Miß:

die Augen werden Euch

trauensäußerung gegen den Abg. Moll wegen desſſen antimimmin

ſterieler Haltung in der Kammer zu veranlassen, obgleich sie keine
Mühe gespart hatten. Wie die Blätter berichteten, ließ Herr Moll
eine Einladung an seine Wahlmänner auf geſtern Abend in das
Rathhaus ergehen, um über seine Abstimmung gegen die Adresse
Rechenſchaft zu geben. Die Servilen hatten Wind bekommen, daß
ihr Plan bei offener Besprechung wenig Aussicht auf Gelingen
habe, wie denn überhaupt diese gothaiſchen Parteigänger nur groß
im Hetzen, Intriguiren und Denunciren sind, dem offenen Kampfe
dagegen regelmäßig aus dem Wege gehen. Ihrer Taktik gemäß
hielten sie sich deßhalb auch von der Besprechung ferne und ſchick-
ien dem Herrn Abgeordneten –~ ihrer 37 an der Zahl = ein
Mißtrauensvotum zu. Diese Leute sind so fanatiſh — und es
freut den Boten, daß die Demokraten in Mannheim endlich ein.
mal ähnliche Erfahrungen machen müſsen wie die Katholiken —,
daß sie Herrn Moll gar nicht einmal anhören, ihm nicht einmal
Gelegenheit zu seiner Rechtfertigung geben wollten. Aber sie waren
nicht blos fanatiſch, sie legten sogar ein Benehmen an den Tag,
das man nur gemein nennen kann, denn sie überreichten ihr
Mißtrauensvotnm nicht etwa durch eine Abordnung, wie es sſich
doch dem Vertreter unserer Stadt gegenüber geziemt hätte, ſon-
dern ſie ſchicktten ihm ihren Schreibebrief durch einen — Laden-
schwung zu, den dieſer an die Firma Moll und Comp. abzugeben
hatte. Die Herren Gothaer haben sich aber gründlich verrechnet;
denn die Mehrheit des Wahlcollegiums stand auf Seiten Moll's
und sprach demſelben ihre Anerkennung und Dank aus. Auch
von den 37 miniſttriellen Unterzeichnern haben bereits 2 ihre
Namen zurückgezogen und sich auf die Seite Moll's gestellt. Die
Mehrheit der Wahlnjänner beabsichtigt nun Herrn Moll ihre zu-
ſtimmende Gesinnung durch eine Davnkadreſſe auszudrücken ; außer-
dem aber sollen auch die Urwähler Mannheim's aufgefordert wer-
den, ihre Meinung hierüber zu äußern. So sind also in dieſem
Falle die ſervilen Umtriebe vollſtändig gescheitert und es dürfte
die begründete Hoſfnung vorhanden sein, daß in unserer Stadt
ein baldiger totaler Umſchwung der Meinungen im antiminiſteriel-
len Sinne sich allgenein Bahn bricht. Die Steuererhöhung wie
die in Karlsruhe zunehmende reactionäre Richtung, die ſich be-
ſonders auch in der I. Kammer bei Bluntſchli und Gen. so augen-
fällig gezeigt hat, wird jedenfalls ein Uebriges dazu beitragen.
Weinheim, ſ Sept. Letzten Samſtag wurde abermals
 
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