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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 130-142 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43882#0552

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freſsſeriſche Schmähblatt halten können und andere dieſer Art (and
in Wirklichkeit liefern gerade auch katholiſch sein wollende Lehrer
eine große Abonnentenzahl auf dieſes Blatt), so könnte man doch
irre werden an der ſo dringend nothwendigen Aufbeſſerung der
Volksſchullehrer. Solchen Lehrern iſt etwas anderes als Aufbes-
serung zu wünſchen, nämlich ~ Besserung. ~ Das neu ein-
geführte Leſebuch wird allmählich wieder aus den Schulen hinaus-
erpedirt, indem die katholiſchen Eltern stark dagegen opponiren.
Das ist ſo Etwas, wodurch den Leuten unnöthige Ausgaben ver-
ursſacht werden. Werden die Kreisſchulräthe und andere Räthe,
die aber wenig rathen und thaten in dieſer Beziehung, den Leu-
ten Ersſatß leiſten? Viele Ortsſchulräthe haben da wieder gezeigt
daß mit ihuen wenig iſt; nicht nur ließen sie dieſes unkatholiſche
Leſebuch vom Lehrer ungehindert einführen, sondern auch wußten
Manche gar nichts von der ganzen Geſchichte. Daß die Ortſchul-
räthe in Landgemeinden die Schule beſuchen, fällt ihnen das ganze
Jahr nicht ein, nur hier und da an einem düſteren Wintertage
wandelt einmal Einer der Schule zu. Was wird dann das für
eine Aufsicht ſein! Es thun deshalb auch manche Lehrer was sie
wollen, kürzen die Schulzeit ab, um andern Beſchäftigungen ob-
liegen zu können. So follen in unserer Gegend mehrere Lehrer
sein, die besonders gern auf die Jagd gehen, und es ſoll sogar
vorgekommen ſein, daß solche Jagdmeiſter den Sonntag dazu miß-
brauchten. Schöne Vorbilder der Heiligung des Sonntags für die
Kinder! Es wäre die dringende Abhilfe von Seiten der Kreis-
ſchulräthe nöthig.

1 Diſstelhsuſen, 20. Nov. Kaum iſt die Tauberbahn zwei
Monate eröffnet, ſo haben wir ſchon ein gräßliches Ereigniß zu be-
klagen. Geſtern Abend bei der Ankunft des Zuges um ?? ver-
schwand der Billeteur, Joſeph Künzler, am Schalter des hiesigen
Bahnhofes, obwohl er noch Billets auszugeben hatte. Er wurde bald
darauf auf der andern Seite der Bahn, wo er nichts zu thun hatte,
der Kopf bis auf Weniges vom Rumpfe abgeriſſen innerhalb der
äußern Schienen und der andere Theil des Leibes außerhalb dersel-
ben liegend, aufgefunden. Man weiß nicht, was ihn zu dieſer That
bewogen haben mag. Von Seckach, wo er Bahnwart war, hierher
als solcher versſeßt, ward ihm noch die Billetsausgabe und Poſtab-
nahme übertragen, wodurch er befördert und damit aufgebesſſert wor-
den war.

>< Bruchſal, 19. Nov. Wo bleibt denn unser Abgeordne-
ier Re e ? So fragten wir uns, als die Verhandlungen der zwei-
ten Kammer über die Steuererhebung für die Monate December
1867 und Januar 1868 in der Karlsruher Zeitung zu leſen
waren. Keine Spur von einem Ree, und doch handelte es ſich
um einen ſo wichtigen Punkt, nämlich um die wirkliche Durch-
führung des erh öhten Steuerfußes. Wir meinten immer, der
Abgeordnete Ree hätte wenigſtens auf Grund der Petition des
„national liberalen“ Bürgervereins dahier wegen der Präſenzzeit
einige Wörtlein fallen laſſen können, die auf's Sparen atzielten,
wofür vielleicht auch noch hätten verwendet werden können die
tausend HZahlbefehle, welche das Bürgermeiſteramt hier im
laufenden Jahre bereits ausfertigte xe. Warum ſo ſtille? Ach ja,
Herr Ree hat in seiner Jungfernrede den ,Cryſtalliſationstern“
deutſchen Glückes im N ord b und e entdeckt und darauf hin er-
klärt: er ſei vollkommen darüber getröſtet, daß man Opfer und
zwar ſchwere Opfer bringen müſsſe.

Angesichts dieses Ree-Troſtes begreifen wir jetzt auch die Ruhe
unseres Abgeordneten bei letzter Steuererhöhungsverhandlung,
allein nichts deſto weniger bleibt der fragliche „Cryſtalliſationskern“
ein ſehr harter zum Aufknacken für die ſüddeutſchen Backenzähne
mit ſehr empfindlicher Rückwirkung auf den Geldbeutel.

Herr Ree iſt ruhig und ſc<h weigt, da er ſich ſeinen Troſt
zurecht gemacht hat. Damit wir in Bruchſal wegen unſeres
ſchweigsa m en Abgeordneten nicht ganz ohne Troſt ſind, wol-
len wir uns mit dem Sprüchwort tröſten: „Schweigen ir ſt
Gold“!

* Narlsruhe, 17. Nov. (Schluß der geſtrigen Sitzung der

I. Kammer.) Nachdem die Debatte über die Steuererhöhung für |

die Monate December 1867 und Januar 1868 beendet war, be-
richtete bie Büdgetcommiſſion über Rechnungsnachweiſungen des
Finanz- und des Hanbelsminiſteriums.

Prinz Wilhelm, großh. Hoheit, ſtelte die Anfrage, ob
nicht zu viel Waldstreu hergegeben werde, worauf Miniſter Mathy
entgegnete, es werde nicht mehr Streu abgegeben, als der Wald
entbehren könne.

Frhr. v. G öl er wünſcht nicht, daß die Streuabgabe zu
ſehr beſchränkt werde, weil die Forſtfrevel sonſt überhand nähmen,
was Dennig beſtätigt.

Blun 1ſchli frägt, ob die Zeitungsberichte wahr seien, wor-
nach die Bohrverſuche auf Steinsalz ein günstiges Reſultat hätten,
worauf Minister Math y antwortet, es laſſe sich noch nichts Be-
ſtimmtes hierüber feſtſtellen. ;

Artaria dankt zwar für die Förderung der Cataſtrirungs-
arbeiten, tadelt aber, daß der bezügliche Aufwand unter dem
ordentlichen Aufwand im Büdget erscheine, während er nach dem
Gesch von 1852 auf den außerordentlichen Etat zu verrechnen



jet. Urberhguyt s:1 23 zu rißbilligen, daß eine Reihe von Auss
gaben im ordentlichen Büdget ständen, die nicht dorthin gehörten,

weil sie keine regelmäßigen seien. Dagegen wird jedoch von Ma thy
der Regierungsstandpunkt zu rechtfertigen gesucht. e a

Die Rechnungsnachweiſungen des Kriegsministeriums werden
für richtig erklärt und darauf die Sitzung geſchloſen.

* Karlsruhe, 19. Nov. Nachdem die allgemeine Discussion
über das Wehrgeseß beendet war, ging man in der gestrigen Sitz-
ung der zweiten Kammer zur Specialdebatte über die einzelnen
Paragraphen über. . :

Der Abg. Str aub will die Standesherren von der allge-

, | meinen Kriegsdienſtpflicht nicht befreit haber, wie der Regierungs-

entwurf vorſchlägt:
Ö Generalauditor Brauer: Die Ausnahmsbesſtimmung sei in
der Verfaſſung enthalten und könne daher nicht so ohne weiteres
beseitigt werden.

i zl Nicolai (Staatsdiener) iſt mit Straub nicht einver-
anden.

Abg. Herdt theilt dagegen Straud's Ansicht; es liege im
zutelt der Standesherren, an der Vertheidigung des Staates
mitzuhelfen.

Abg. Roßhirt: er sei kein Freund von Privilegien, hier
aber handle es sich um wohlerworbene Rechte, die mit der Bun-
desakte nicht gefallen ſeien.

Abg. Moll ſpricht sich für die Durchführung einer allge-
meinen Rechtsgleichheit und somit für Straub's Antrag aus.

Minister Jolly bekämpft Straub's Antrag; man dürfe in
kleinen Staaten die Rechte der Standesherren nicht ſchmälern, die
nach europäiſchen Verträgen den regierenden Familien ebenbürtig
ſeien. Rührend in der That sind dieſe zarten Rückſichten des
Zerrn Jolly auf die hochadeligen Familien und ihre „wohlerwor-
benen Rechte“ ; indesſen scheint uns der Herr Minister wegen der
kathol. Kirche , die weit ältere und wohlerworbenere Rechte besitzt,
in dieſer Beziehung weit weniger ängſtlich besorgt zu ſein!

Abg. Sach s (Staatsdiener) gegen Straub's Antrag; ebenſo
Kiefer (Staatsdiener).

Abg. Beck stimmt für den Commissionsantrag aus Zweck-
mäßigkeitsgründen.

Berichterſtatter L am ey vertheidigt den Standpunkt der Com-
misſion gegen Straub , worauf deſſen Antrag verworfen wird.

Abg. Kirsner befürwortet, wie Beck bereits in der allge-
meinen Discuſſion gethan, eine gerechtere Vertheilung der Laſt des
Kriegsdienſtes, wird aber in seinen Anschauungen von Berichter-
ſtaiter Lamey bekämpft. ;

Darauf ergeht ſich der Abg. Moll in längerem Vortrage
gegen die dreijährige Präſenzzeit. Sein Antrag geht dahin, daß
die Präſenz der berittezen Mannschaft 2/2 bezw. 3 Jahre, die
der Infanterie 2 Jahre dauern ſolle.

Abg. S ach s (Staatsdiener) bekämpft den Antrag Molls,
ebenſo Abg. Frick, welcher ſehr naiv erklärte, er halte zwar zwei
Jahre für genügend, weil aber unſere Aliirten d. h. alſo die
Preußen drei Jahre sich quälen müßten, müßten wir es auch
thun. ;

; Gerade deshalb werde er gegen den Commissionsantrag stim-
men, erklärte der Abg. v. Feder, zumal der Alianzvertrag uns
ganz freie Hand lasse. ]

General Lu d wig vertheidigt den Regierungsſtandpurntkt.

Abg. Kiefer sucht aus der Geſchichte die Nothwendigkeit
einer längeren Präſenzzeit zu erweiſen, wobei sein Lieblingsaus-
druck eine große Rolle spielt: „wenn man große nationale Ziele
wolle, dürfe man die Opfer nicht ſcheuen.“ ;

Der Abg. Bek schien auch von dieser monotonen Wiederho-
lung der „Ziele“ und der „Opfer“ nicht besonders erbaut zu sein;
denn er spottete darüber, daß Kiefer überall „die nationale Glocke
läute.“ Redner spricht sich gegen die zu lange Präſenz aus und
ſitelt den Antrag: „Jm Frieden sind die Mannſchaften nur ſo
lange und so weit präsent, als ihre Ausbildung verlangten.

Berichterstatter L ame y bekämpft darauf in längerer Rede
die Anträge von Moll und Beck.

Abg. Kay ser unterſtütt den Antrag des Abg. Moll, wäh-

rend General Ludwig verschiedene Aeußerungen des Abg. Kayſer

zu widerlegen ſucht. guss
Abg. Ree (noch nicht Staatsdiener) hält die Präſenzfrage
für eine verfrühte; er stimme für den Commiſſionsantrag. Was
wird der Bürgerverein in Bruchſal zu diesem Votum ſeines Abge-
ordneten sagen ? he, heraus damit, und auch Er, Kraichgauer!
Abg. H erdt ſpricht ſich gegen die dreijährige Präsenz aus;
man habe dem Volke schon Laſten genug aufgelegt und ſolle diese

nicht noch weiter vermehren.

Minister Jolly sucht den Herrn Abgeordneten zu beruhigen,
worauf noch Kirsner, Roßhirt, Gerwig, Moll und Beck kurze
Bemerkungen machen. ; :

Darauf wird der Antrag des Abg. Moll mit allen gegen 4,

der des Abg. Beck mit allen gegen 2 Stimmen verworfen und so-

mit der Commissionsantrag, welcher das Verlangen der Regierung
gutheißt, angenommen.
 
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