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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.26-39 (1.März - 31.März)
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~ 141 ~

Nun ist es aber klar, daß ein Minister eines Großſtaates seine in- [

nerſten Gedanken über die wichtigſten Dinge, die die große euro-
päische Politik bewegen, schwerlich einem Zeitungsſchreiber auf die
Nase hängt; vielmehr iſt das Mährchen lediglich von den National-
liberalen erfunden, um die ſchmähliche Niederlage wegen der Auf-
nahme Badens in den Nordbund mit einem Verſchönerungspfläſter-
chen zuzudeden. Aber ſselbſt angenommen, die betr. Aeußerung wäre
erfolgt, wie sie in der Köln. Ztg. steht, so würde sie rein gar nichts
besagen zu Gunſten der Bluntſchliſchen Auffaſſung ; denn Ollvier
soll geſagt haben, er habe nichts dagegen einzuwenden, wenn Süd-
deutſchland ſich fre iw il li g dem Anſchluß an Preußen hingebe, sollten
die Preußen aber Waffengewalt anwenden, so würde Frankreich die-
ses nicht dulden. Nun hat aber Miniſter Ollivier sehr gut gewußt,

_ Von all’ diesen Wohlthaten der Päpste um die Menſchheit wol-
len wir nicht sprechen, es könnte ſonſt parteiiſch erscheinen. Wir
wollen vielmehr einige unparteiiſche Zeugen für die Segnungen der
Päpſte aufführen. Der berühmte protestantiſche Gelehrte Herder
ſagt: „Ohne die Päpſte wäre Europa wahrscheinlich ein Raub der
Despoten, ein Schauſpiel ewiger Zwietracht oder wohl gar eine
mongolische Wüſte geworden.“ Veoltcire, dieser grimmige Feind
Gottes und der Kirche sagt: „Das einzige Reich Karls des Großen
hatte einen Schimmer der Kunstbildung und diese war die Frucht
ſeiner Reiſe nach Rom.“ Der libera.e Chateaubriand sagt: , Es
erscheint als eine allgemein anerkannte Thatſache, daß Europa dem
apoſtoliſchen Stuhle –+ de.1 Päpſten, seine Civiliſation, einen Theil
seiner beſten Gesetze und auch faſt alle Wisſſenſchaft und Künste ver-



daß Bayern und Württemberg, was die Bevölkerung betriſft, weiter
als je davon entfernt sei, den Anschluß an den Nordbund zu wün-
ſchen, ſo daß eine andere als eine gewaltsame Ankettung gar nicht
denkbar wäre. Nach der uns sehr ironiſch scheinenden Aeußerung
Ollivier's – wenn er ſie überhaupt gethan hat – wären wir dem-
nach für alle Ewigkeit gesichert, der preußischen Vielgefräßigkeit zum
Gabelfrühſtück zu dienen.

* Karlsruhe, 18. März. Die I. Kammer hat heute die von
der Il. Kammer beantragte Absſchaſfung der Todesstrafe abgelehnt
und in der weiteren Tagesordnung das Landſtraßengeſez ang e-
nommen.

Der Bericht des Staatsraths W eitz e l über die Gemeinde-
reform iſt nunmehr erſchienen und wird die Berathung hierüber
nächſten Montag in der I. Kammer ſtattfinden. Unſere ſchlimm-
ſten Befürchtungen sind anläßlich dieſes Berichtes, der auf den
veraltetſten büreaukratiſchen Anſchauungen beruht, leider in Erfül-
lung gegangen. Auch der Bericht des Geh. Rath He rr mann
über das Stiftungsgeſet ist heute ausgegeben worden. In demfel-



|

ben + ſo ſchroff auch die Form gegen die katholiſche Auffaſſung
iſt – sind sehr wesentliche, der Sache des R echte s günstige Ab-
änderungen vorgeſchlagen, ſo daß die Annahme dieſes Commiſſions-
berichtes als eine große Niederlage des Ministers Jolly angeſehen
werden müßte. Von Seiten des Lettteren wird Alles aufgeboten,
um den Standpunkt der Regierung und der Il. Kammer in die-
ſer Frage vollständig zur Geltung zu bringen. Hat man doch den
Geh. Rath Mohl, obgleich er unwohl iſt, aus München zur
titus verſchrieben! Mitte kommender Woche findet die Discufſ-
ion ſtatt.

| Karlsruhe, 18. März. Die heutige Situng der II. Kam-
mer war eine der langweiligſten und ſchleppendſten der ganzen Seſ-
sion: es handelte sich um das Militärſtrafgeſe t. Dasſelbe
wurde ſchließlich einſtimmig angenommen.

Süddentſchland.



s. Heidelberg, 190. März. Eiuer der thätigſten Mithelfer
bei der Abstimmung über gemiſchte Schulen hat, nachdem er
nicht geringe Summen Anderer mit den ſseinigen vermiſcht hatte, nit
Hinterlaſſung von Familie und Geſchäft das Weite geſucht. Es iſt,
derſelbe, welcher auch in der Schulcapelle unter wüthendem Geſchrei
unſerem Hrn. Lindau mit der Fauſt unter das Gesicht fuhr, un
ihn zum Schweigen zu bringen.

/\ Aus dem Kreiſe Mosbach. [Etwas für die Katholiken
des Odenwaldes und Taubergrundes.1| Ju Mosbach konnte man
nicht unterlaſſen, durch das Theaterſtück „Barbara Ubrik“ die Katho-
liken der Umgegend tief zu kränken; nun es iſt geſchehen ; wir
haben es uns einregiſtrirt und die Katholiken werden ſich's merken.
Doch dieſe Kränkung iſt noch eine Kleinigkeit im Vergleich mit der
Beleidigung, welche der Odenwälder Bote in Nr. 30 duch einen
aus der N. Fr. Pr., einem Judenblatte, entnommenen Artitel über
die Geſchichte der Päpſte den Katholiken in's Gesicht schleudert. Die-
ſer Artikel ſtroßt von lauter Lügen und ist ein wahrer Hohn auf
das Papſtthum. So groß sind die Lügen, der Spott und Hohn
darin, daß ſelbſt liberale Katholiken und ſouſt billig deukeude Men-
ſchen erklären: Nein, das iſt zu arg, das iſt ſchmählich. Wir wol-
len hier nicht dieſe Lügen widerlegen ; denn sie siud ſchon hundert-
mal widerlegt worden und einzelne Hauplilügen hat der Pfälzer
Bote erſt in Nr. 32 widerlegt. Wir wollen hier auch nicht die!
Wohlthaten der Päpſte um die Menſchheit auseinanderſeßen. Es
wäre uns leicht nachzuweiſen : 1) die Päpſte sind die Schirmer der
Yreiheit gegenüber den Tyrannen; 2) die Päpſle sind die Retter der
Unabhängigkeit Europas; 3) die Päpſte sind die Pfleger der Bil-
dung und Wissenſchaft; 4) die Päpſte sind die Verbreiter des Christen
thums; 5) die Päpſte ſind die Erhalter der Reinheit des Glau-
bens ; 6) die Päſte sind die Erhalter der Sitilichkeit ~ die stand-
hafteſten Vertheidiger der Reinheit und Unverlegzlichteit des Eheſtan-
des, der Unſchuld und der Frauenwürde. Mit welchem Muthe ſind
in dieſer ?'eziehung nicht Papſt Gregor VII. gegen Kaiser Heinrich
IV., Papſt JInnocenz III. gegen König Philipp Auguſt von Frank-
reich, der ſeine rechtmäßige Gemahlin verſtoßen wollte, Papſt Cle-
mens VII. gegen König Heinrich VIII. von England, der in ſeiner
blinden Leidenſchaft mit dem Bande der Che wie mit den Köpfen
ſeiner Gemahlinnen ſpielte, aufgetreten! Sie riefen dieſen Fürhten,
wie einſt Johannes der Täufer dem Herodes, die ernſten Worte zu:



dankt.“

Die Urtheile dieſer hochgelehrten Männer, von denen der eine ein
liberaler Protestant, der andere ein Gottesläugner und L irchenfresser,
und nur der dritte ein Katholik war, mögen genügen, um die Ge-
schichte der Päpſte in ein anderes Licht zu ſtellen, als dieses in dem
sandern Artikel des Odenwälder Boteu der Fall iſt. Doch wir wol-
len hier keine Rechtfertigung der Päpſte ſchreiben. Nein, wir wol-
len uur die Frage ſtel'en: von wem wird dieser Artikel, wie viele
auidere derart in Mosbach, Tauberbiſchofsheim und anderswo be-
klatſcht und bejubel? Von Männern, die ſonst ganz ſüßlich
thun, Toleranz und Liebe heucheln, wenn eine Miſchſchule einge-
führt oder wenn sonst Neuerungen in der Schule vorgenommen wer-
den sollen, over wenn sie bei Wahlen katholiſche Gimpel fangen
wollen.

Katholiken! traut ihnen nicht, sie sind geſchworene Feinde eurer
Religion, seid auch ihr geſchworene Feinde ihrer bekannien

Zeitungsblätter; es beginnt mit April ein neues Quartal, da ſaga an.

fort, hinaus aus unsern Häuſern und aus unsern Gemeinden mit
Zeitungen, welche die Oberhäupter unserer Kirche und unsere Reli-
gion verhöhnen; gebt keinen Kreuzer für ſolche Zeitungen mehr hin;
laßt euch nicht mit eurem bezahlten Geld beleidigen, weg mit der
Halbheit, herunter mit den Schlafhauben, tretet auf als Männer !

München. Der „Nürnb. Anz.“ entwirft ein sehr ſcharf ge-
zeichnetes Bild von der liuken Seite unſeres Abgeordnetenhauſes,
dus wir in den Hauptzügen wiedergeben, weil es auch für eine
andere Kammer vollständig zutrifft.

„Es iſt ſchon während des letzten Landtages gegen diejenigen
Herreu Abgeordueten, welche eben dort Play genommen haben und
ſich als national-liberale Foriſchreiter reinſten Wassers gelten laſſen
wollen, mehrmals die wohlberechtigte Rüge ausgesſprochen worden,
daß es im höchſten Grade als unanständig bezeichnet werden muß,
wenu manu ſich alldort ein Geſchäft daraus macht, die Reduer der
entgegengeſezten Seite durch Strampfen, Lärmen, Kichern, lautes
Lachen und Spötteln in ihren Vorträgeu irre zu machen oder durch
vornehmes Hinauslaufen aus dem Saale eine den Anhören des
Gegners von vornherein widerwillige Dünlelhaftigkeit zu zeigen.
Auch jett wieder ſcheinen dieje und ugynliche Unarten faſt wie auf
Parteicomniaudo geüht zu werden, und wir wollen abwarten, ob diese
gegenwärtige Rüge dazu ausreicht, die Mitglieder und namentlich
die allmächtigen Führer jener Partei, welche even dort Plat genom-
menu hat, zu bestimmen, eine beſſere Sitte und anſtändigere Manie-
ren iu ihre Reihen wieder eiuzufühcen oder nicht. Zu dem eben
geſchilderten und uuheningt verwerflichen Unfuge kommt aber noch
eine zweite und dritten Ausſchreitung, welche gewiſjſermaßen nur
als weitere Steigerungen des übermüthig vorherrſchenden Partei-
dünkels bezeichnet und verurtcheilt werdeu müſſen. Es iſt dieses
uämlich zunächſt die Annaßung, daß man ſich herausnimmt, die
Aiſſichten des Gegners, den man wie eben gejagt, nur halb anzn-
hören ſich herbeiläßt, und welcher von einem andern Standpuntte

als von dem ſelbſtgewählten des Akterliberalismus auszugehen sſihe

erlaubt, ohne alle eingänglichere Prüfung geradezu als einfältig,
ungeſchickk und unberechugt verunglimpft. Wir könnten einige Per-
ſöulichkeiten hier besonders namhaft machen, welche in dieſer Art
von Ausſchreitung sich mehr als nobel und ehrenhaft erſcheint, aus-
zeichnen ; allein wir unterlassen auch dieſes und überhaupt ein nayeres
Eingehen auf diesen zweiten Unfug iu der Hoffuung, daß vielleicht
in der nächſten Zukunft auch nach dieſer Richtung eine gewähltere
Lebensart ſich Geltung verſchaffe. Zu welchen verderblichen Folgen
im parlamentariſchen Leben ſolche und ähnliche Ungebührlichteiten
immer weiter und weiter nothwendig führen müſſen, zeig1 der dritte
Uebelſtand, der zugleich der litte ſein sol, welchen wir für heute
abwandeln wollen. Der Servilismus nämlich, welcher die ſoge-
nannte Fortſchrittspartei bis in ihr Innerſtes durchdrungen qyat
und sie von Taz zu Tag dem geſundeu Geſchmacke des Volkes im-
mer widerlicher und ungenießharer macht, iſt bereits zu jener Höhe
gediehen, oder vielmehr, wenn man aufrichtig ſprechen wil, zu jener
Tiefe herabgeſunken, daß er ſich nicht ſcheut, das geringste Bedeuten
gegen die unübertreffliche und unfehlbare Meiſterhaftigkeit der emen
oder anderen Viiniſter- Excellenz ſogleich als eiue perjönliche Befeh-
dung derſelben aufzufaſſen, zu verdächtigen und mn der unedelſten
Weiſe zu verwerthen. Ein ſolcher Servilismus, eine ſolche partei-



„Es iſt dir nicht erlaubt deines Bruders Weib zu haben.“

wüthige Verdächtigungsſucht nach der einen, und Unterwürfigteit
nach der andern Seite iſt bisher im bayeriſchen parlamentariſchen
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