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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.95-120 (2.August - 31.August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43885#0371

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#rſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerſtag und Samstag.



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für Stadt



Bote

Preis : vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poftaufſchlag.
Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.

. uud Land.





M 101.

Dienstag

FG











Telegramme. !
Heidelberg, 7. Auguſt 1870. .
Karlsruhe, 6. Aug., Abends 8 Uhr 15 Min. Telegramm

Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen von Preußen an Se.

Königl. Hoheit den Gro ß h erzog von Baden. | .

Siegreiche Schlacht bei Wörth. Mac-Mahon mit dem größ-
ten Theil seiner Armee vollständig geſchlagen. Franzoſen auf
Bitſch zurückgeworfen. Auf dem Schlachtfeld bei Wörth 4 /» Uhr
Nachmittags. j j

Heidelberg, 7. Aug. badi
der Gegend von Sulz einen französiſchen Militärzug festgehalten u.
die Mannschaft von 1200 Mann gefangen genommen.

Wir erhalten soeben folgendes Telegramm aus Mainz vom 6.
Auguiſt Abends :

Mainz, 6. Auguſt Abends. Franzoſen auf
der ganzen Linie im vollen Rückzug; Saarbrücken
brennt. W su uc :

Heute erobert 30 Kanonen, 6 Mitrailleusen,
2 Adler, 4000 Gefangene.*)
© *) Bereits gestern Mittag den Lesern hiesiger Stadt durch ein Extra-Blätt-
. e 6. Ang., Abd. 6 Uhr 10 M. (Officiell.) Die ge-
ſammte franz öſiſche Armee hat auf der ganzen Linie
den Rückzug nach dem Innern angetreten. Auch das

nach der berühmten (!) Schlacht der drei französiſchen Divisionen

gegen drei preußiſche Compagnien von dem Feinde besetzte Saar-

ben die Franzoſen dieſe offene wohlhabende Stadt in Brand ge-

ſchoſſen, und auf ihrem Rückmarſche von den nahen Bergen dem

angelegten Feuer durch Brandkugeln neue Nahrung gebracht.

: Mainz, 6. Aug. Die Vorhut der preußiſchen Colonnen hat
ſich am 5. d. der Saar genähert. Heute am 6. traf General von
Kameke westlich von Saarbrücken den Feind in ſtarker Stellung auf
den Bergen bei Spicheren und ging sofort zum Angriff über. Auf
den Kanonendonner eilten sofort Abtheilungen der Divisionen Bar-
nekow und Stülpnagel dahin. ~ General von Göben übernahm

das Comnuando und gelang es nach ſehr heftigem Kampfe die von

Seiten des französiſchen Corps Froſſard besetzte Poſition zu erſtürmen.
General von Francois uud Oberst von Reuter verwundet.

Mainz, 7. Auguſt, Morgens. General von Göben meldet
über das Gefecht westlich von Saarbrücken, daß mehrere 100 Ge-

fangene vom Corps Froſſard gemacht wurden. Nach ihren Aus-

ſagen standen uns vier Divisionen gegenüber. Das Ende des
Kampfes trat erſt bei völliger Dunkelheit ein. Der Feind deckte
ſeinen Rückzug durch starkes Geſchütfeuer von Spicheren her. Ge-

neral von Steinmeß war Abends angekommen und hatte den Befehl |

übernommen. General Francois iſt gefallen. Verluſt namentlich
an Officieren groß; beim Feind zahlreiche Todte.
Berlin, s. Aug. (Officiell.) Nach einer Meldung des Kron-

prinzen vom 6. Abends über die ſiegreiche Schlacht bei Wörth
eroberte die deutſche Armee einige 30 Geſchüte, 2 Adler, und 6 Mi- |
trailleuſen. 4000 Franzoſen wurden zu Gefangenen gemacht, da- |

runter 100 Officiere Im Kampfſe standen unsere Truppen gegen
das Corps Mac-Mahon's, verstärkt durch die Division Failly und
Canrobert. Unter den verwundeten Stabsofficieren befindet sich Ge-
neral v. Boſe. Der bei Weißenburg verwundete General Kirchbach
hat auch bei Wörth das Commando ſeines Corps wieder übernom-
men. Auf beiden Seiten starke Verluſte. In Berlin werden soeben
zur Feier des Sieges die Kanonen gelöst. ;

Brüſſel, 7. Aug. In Paris glaubte man geſtern von einem |
Eine falsche Depeſche, welche die Gefangen-

französiſchen Sieg.
nahme des Prinzen Friedrich Karl nebst 25,000 Gefangenen,
die Erbeutung von 75 Geschützen und die Einnahme von Landau
meldete, erregte einen unbeſchreiblichen Enthusiasmus. Die Häuſer
wurden beflaggt. Madame Saß wurde genöthigt im offenen Wagen

die Marseillaiſe zu singen. Bei Schluß der Börse wurde der Irr-

thum erkannt. Eine ungeheure Menſchenmenge drängte ſich vor die
Ministerien des Innern und der Juſtiz. Ollivier haranguirte die-

selbe, indem er um Geduld bat und Revanche versprach. Chevan-

dier erklärte, daß er auf Anfrage im Hauptquartier die Nachricht

den 9. Auguſt'

Ein Theil der badiſchen Division hat in |



. J1g870.



erhalten habe , Mac- Mahon habe eine starke Position inne. Der
Urheber der falſchen Depeſche iſt verhafte. Von der Schlacht bei
Woerth iſt in Paris noch nichts bekannt. Hy |
Paris, Sonntag Mittag. Paris in Belagerungszu-
ſtand erklärt. Kammer zum l1I. einberufen.
î Saarbrücken gesſtriger Erfolg größer, als erwartet. Bagage
und Zeltlager von 2 Divisionen erbeutet. Fo rba ch beſegt.

| Süddeutſchland.

* Heitelberg, 7. Aug. Schon heute darf man mit Sicher-
heit ſagen: Napoleon iſt verloren; die raſch folgenden glor-
reichen Siege haben bewieſen, daß die franzöſiſche Armee dem
Anprall der deutſchen Truppen nicht entfernt gewachſen iſt, und
wir zweifeln daher keinen Augenblick, daß fast jeder Tag uns neue
glänzende Waffenthaten melden wird. Die ſchlachtengewohntesten
Soldaten unter dem tapferſten General, dem gefeierten Sieger von
Magenta geſchlagen und in wirre Flucht getrieben, der rechte Flü-
gel der franzöſiſchen Armee auf's Centrum hinübergeworfen, jett
ſogar die ganze Armee auf dem eiligſten Rückzug –~



das bedeutet jegt ſchon nis G alli æ und das Enporſtrehen

Deutſchlands zur ersten Macht der Welt. Wir ſagen: Deutſch-
lands, denn der Sieg iſt ſchon kein preußiſcher mehr, sondern ein
deutscher, indemer besonders von der Südarmee erfochten wurde, die
preußiſche und süddeutſche Truppen gemeinſam in sich vereinigt –
die Welt wird die Tapferkeit aller Deutſchen zu bewundern haken,
die das Glück hatten, dem ſchönſten Heere anzugehören, das je der

Vater Rhein an ſeinen Ufern gesehen hat.
brücken hat derſelbe wieder geräumt. Vor ihrem Abzuge aber ha-

' Nie hat die ſtaunende Welt eiue größere und ſchmählichere De-
müthigung erlebt, als sie Napoleon zu Theil geworden ist, und
es würde Niemand wundern, wenn ſchon die nächsten Tage die
Kunde brächten, er sei in Paris abgesetzt und verfehmt vom fran-
zöſiſchen Boden und eine neue Regierung bestellt, die unter ſchwe-
ren Opfern vom Sieger den Frieden erflehen müßte. So rächt

ſich an Napoleon all’ die Falſchheit uud Hinterliſt, mit der er

fortwährend den Frieden der Welt auf's Spiel geſeßzt hat. War
doch er es, der den Bund Preußens, Rußlands und Oesterreichs
durch den klug ausgeſtreuten Samen der Eiferſucht zu ſprengen
tut!. lBt. tt) Prtztt. s verkthizt fh
Waſsſer getrübt haben ſollte, ein uoch härteres Schickſal zu bereiten;
war doch er es, der hernach die beiden deutſchen Vormächte auf
den Trümmern des zuſammenbrechenden deutschen Bundes hinter
einander hegte und sie zu Feinden machte, die bis auf den heuti-
gen Tag den alten Groll noch nicht zu überwinden vermögen. Das
in Strömen vergoſſene Bruderblut des Jahres 1866 klagt Napo-
leon an, uud die feindlich Getrennten haben sich jeyt zum gemein-
samen Kampf und Sieg die Hand gereicht, um es an dem Urheber
des Frevels zu ſühnen. Die Revanche für Waterloo ist ausgeblie-
ben, — statt ihrer entſteht ein Weltreich deutſcher Nation,
dem alle ſeine getrennten Glieder, Elſaß und Lothringen voran,
als Siegespreis in den Schooß fallen.

Das sind heute ſchon keine Phantasien mehr; denn der fran-
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eiligſte Rückzug in das befestigte Lager von Vieh. Ist dieſes aber
genommen ~ und wer wollte daran zweifeln bei der Muthlosig-
keit und Desorganiſation der Franzoſen im Mißgeschick ~ ſo liegt
der Weg offen nach der Weltſtadt Paris. Einen Defenſivkrieg
zu führen iſt nie Sache der Franzoſen gewesen, um ſo unbegreif-
licher war ihr langes Zaudern und Stillſtehen nach von ihnen ſelbſt
erfolgter Kriegserklärung, + im erſten Anlauf hätten sie ja vor
3 Wochen noch in Süddeutſchland einbrechen und großes Unheil
anrichten mögen, ſo daß man sie erſt mit großen Opfern von da
hätte verjagen müſſen, ehe der Krieg auf ihren eigenen Boden hätte

geſpielt werden können.

_ Aber wen Gott verderben will, den ſchlägt er mit Blindheit,
und ſo ist das, worauf der Feind sein ganzes Lügengebäude grün-

dete, — die angebliche Uneinigkeit der Deutſchen + ſein eigener

Untergang geworden; lebte unſer großer Dichtergeiſt Göthe noch,
er hätte heute nicht mehr dieselbe Klage anzuſtimmen, wie beim
Einbruch der Franzoſen in den 90r Jahren :
 
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