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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.173-185 (1.December - 31.December)
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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienſtag,

Dsonnerfſtag und Sanmrſtag.

182.

für Htadt
S.





An unlere Gefinnungsgenoſ>en.

Die unterzeichneten Abgeordneten der katholiſchen Volkspartei
haben in der Sitzung der Il. Kammer vom 16. d. M.'s der Ver-
faſſung des deutſchen Reiches ihre Zuſtimmung ertheilt. Sie haben
dabei die vielfachen und großen Mängel dieſes Verfasſungswerkes,
ſowie insbeſondere der mit demſelben in Verbindung stehenden Mili-
tärconvention keineswegs verkannt. Wenn ſsie gleichwohl zu dem er-
wähnten Votum ſich entſchloſſen haben, so haben sie es gethan vor
allem mit Rücksicht auf die Lage des in einem schweren und lang-
wierigen Kriege befindlichen Vaterlandes, welche ein möglichſtes Zu-
sammenmachen aller Parteien als politiſche Pflicht erſcheinen läßt.
Sie haben es ferner gethan, weil nach den Ereignissen dieses Jah-
res es ſich als unmöglich herausgeſtellt hat, daß das badiſche Land
fernerhin ein politiſches Einzeldasſein führe, und weil eine andere
oder beſſere Form der Einigung mit den übrigen deutschen Staaten
ſich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr erwarten ließ.
Sie haben es endlich gethan, weil es von jetzt an die Aufgabe der
katholiſchen Volkspartei Badens sein muß, ihre dem Volke zur Ge-
nüge bekannten und durch die Abstimmung vom 16. d. M.'s in
keiner Weiſe erschütterten Grundsätze in treuem Anschluß an die
große katholiſche Partei Gesſammtdeutſchlands mit allen gesetzlichen
Mitteln innerhalb der Formen der neuen Reichsverfassung zu ver-
theidigen und ihrer Verwirklichung entgegenzuführen.

Die unterzeichneten Abgeordneten der katholischen Volkspartei
ſind sich hiebei bewußt, in schwerer Stunde und nach reiflicher Prü-
fung nur dasjenige gethan zu haben, was bei der gegenwärtigen
Weltlage allein im Stande iſt, die richtig verſtandenen Interessen
ſowohl des Vaterlandes als der katholiſchen Kirche zu fördern und
zu verbürgen.

Karlsruhe, 21. December 1870.

Baununirſlark.
Ziſſing.
Tender.
Tindau.



Donnerſtag den 22. December



Preis : vierteljährl. 40 kr. she
Trägerlohn und Poſtaufſschlas.
Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.

1870.

und Cand.











Einladung zuut Abonnement.

Bei dem herannahenden Jahreswechsel wenden wir uns an die
Freunde unſeres Blattes landauf - und abwärts zur möglichſten Ver-
breitung und Unterſtützung des Pfälzer Boten, der sich seit ſeinem
Bestehen so vielfache Sympathien unter den Gleichgesinnten des Lan-
des und über deſſen Grenzen hinaus errungen hat.

Der Pfälzer Bote iſt ein Organ der katholiſchen Volkspartei
und wird als solches vorzugsweise für die in einer gefahrvollen Zeit
ſchwer geſchädigten Intereſſen der katholiſchen Kirche nach wie vor
mit gleicher Entschiedenheit in die Schranken zu treten haben. Er
wird dieſe Aufgabe mit um so größerem Nachdruck und Erfolg zu
löſen vermögen, als nunmehr die hemmenden politiſchen Schranken
durch die Aufrichtung des deutſchen Reiches zuſammenfallen und die
Katholiken aller Theile Deutſchlands in einer einzigen compacten
Masse ihre Bestrebungen zur Geltung bringen werden. Es wird
kein lo cal er Kampf mehr sein, in welchem unſere besten Kräfte
sich bisher zerſplitterten, sondern ein einheitliches Zuſammenwirken
in geſchloſſenen Reihen, mit deren vielfach ausſchlaggebender Hal-
tung alle Parteien des großen Vaterlandes werden rechnen müſſen.
Einen unwiderlegbaren Beweis dafür finden wir bereits in den
preußiſchen Kammerwahlen, einen noch ſtärkeren werden, wie wir
nicht zweifeln, die Reichstagswahlen, insbesondere in den Rheinlan-
den und Weſtphalen, liefern. Der Preis der Mühen und Kämpfe
wird aber ein großer sein: die Garantien, welche die preu-
ßiſche Verfaſſung den Katholiken bietet, auch der
Geſammtverfasſſung des deutſchen Reiches wie den Ein-
zel ſtaaten einverleibt zu ſehen.

Jm politiſchen Leben haben wir bisher, wie der Abg. Baum-
ſtark in seinem und seiner Freunde Namen in der Kammer ausführte,
einer föderalistiſchen Richtung gehuldigt, die vor 1866 hauptſächlich
durch Desterreich vertreten war. Auch nach dem deutſchen Kriege
jenes Jahres war dieſes Princip noch nicht als endgültig beſeitigt
zu betrachten: die Südstaaten waren unabhängig erklärt und die
Möglichkeit eines Wiedereintrittes Deſterreichs in den deutſchen Staats-
verband wäre durch den Willen der ſuüddeutſchen Staatengruppe .
immer noch denkbar gewesen. Für uns war daher die Pflicht gebo-
ten, so lange gegen die Vormacht Preußens anzukämpfen, als auch
nur die Möglichkeit eines Zurückgehens auf die föderative Grund-
lage des deutſchen Gesammtvaterlandes vorhanden war. Diete Mög-
lichkeit iſt nunmehr hinweggefallen und wir stehen der Thatſache der





Wer hat das gethan ?
. (Eine Yeſchichte aus dem Leben.)

ortsetzung.

„Iſt denn kein Spiegel hier /§ . | ti ja, dort hinten. Aber es ist schon
dunkel, um etwas darin zu erkennen. Wenn mir Liſette doch nur ein Licht
dagelaſſen hätte, damit ich ein wenig meinen Anzug in Ordnung bringen könnte,
j s,): mich vor Frau Heider ſehen laſſe! Ich höre Schritte, sie kommt wohl

CEilig glättete sie während dieſer Worte ihre Locken und zupfte Kragen
und Aermel zurecht ; aber die Schritte drangen an ihrer Thür. vorbei – es kam
Niemand. Die Dämmerung wurde tiefer und begann in unheimliche Nacht
überzugehen; aber es kam Niemand, der ſich um das fremde junge Mädchen,
das fröſtelnd und traurig am Fenſter saß, bekümmert hätte. Endlich, als sie
bereits zweimal den Entschluß gefaßt und wieder aufgegeben hatte, in die
Küche der geſtrengen Liſette zu gehen kam ein leichter Kinderschritt näher, die
Thür wurde geöffnel, und ein kleines Mädchen, das einen Wachsſtock in der
Hand trug, trat ein, lief aber, als es den Koffer und den Reisesack, die neben
der Thür lehnten, bemerkte, ſchnell wieder hinaus und rief draußen : „Mama
Mama, die Gouvernante iſt da! Ihr Koffer steht in der Cßstube !-- ; !

. Hermine tonnte, da die Kleine die Thür nicht geſchloſſen hatte, deutlich
hören, daß bei dieſem Ruf im oberen Stockwerk ein Zimmer geöffnet wurde
und eilige Schritte die Treppe herunter kamen.

vis j§te feat! skagte eine schwache Stimme; „Lisette, iſt Fräutein Hart:

„Ja," erwiderte Üijette, wie es ſchien von der Souteraintreppe her, schon |

eit einer halben Stun e.
das get. “zess halben Stunde?
[Z N: e a en \
GBOOI]O o ſOi.L_LEE ,-
Aber wo ist sie denn | :
n der Eßstube.. EHI | .:
l “z dein js warm ? Haſt Du denn für sie gesorgt ? Hat sie Thee
\ ko s Iz! jst rege hétt. ih th ſorgen, daß die Leute Abendbrod. be-
mit demſelben impertinenten Gleichmuthe eig, sue Thee trinken !* fiel Liſette

. . . Aber mein Gott, weßhalb wurde mir





„Mama, in der Eßſtube iſt gar kein Licht, sie ſitt im Dunkeln,“ flüſterte
das kleine Mädchen.

„Äber mein Gott, daß iſt doch zu arg !“ rief Frau Heider mit vor Auf-
regung zitternder Stimme, und eilig trat ſie zu Hermine in's Zimmer. „Mein
liebes, armes Kind! sagte sie und nahm ſich kaum die Zeit das Licht nieder-
zuſeßen, um dem jungen Mädchen beide Hände hinzureichen. Was müssen Sie
von uns denken, daß Sie ſo empfangen werden! Aber es ſoll keine böſe Be-
deutung sein; Sie ſollen Ihre Heimaih hier nicht vermiſſen. Seien Sie mir
herzlich willkommen !“

Herminen war das Weinen nahe, und sie konnte nur mit einem freund-
lichen, aber zugleich ängstlichen Blicke ihrer blauen, treuherzigen Augen auf die
Begrüßung antworten. So ermuthigend die herzlichen Worte und Miene der
Frau Heider waren, ſo ſehr erſchreckten ihre fieberhaft glänzenden Augen, die
Röthe der Aufregung und das nervöse Zucken in ihrem eingefallenen, leiden-
den Gesicht das junge Mädchen.

Frau Heider ließ ihr auch keine Zeit zum Antworten, sondern fuhr in
einigen kurzen, ſchnellen Athemzügen fort, indem sie sich vorbeugte, um ihr in
das Gesicht zu ſehen, und zugleich freundlich ihr das Gesicht emporhob :

„Aber, wie alt sind Sie denn, liebes Kind ? Sie ſind wohl noch sehr
jung. !“

Hermine nahm sich zuſammen und erwiderte mit einem Verſuch zu lächeln :
„D nein, ich bin ſchon über 18 Jahre.“

Eoqtt MU! fies hätb th rie Fallen Ur ttt petite hüt Mh §re uns
da mit "dem Reſpekt aussehen ? !“ hees . Gti!

„Ach, es wird auch ohne Respekt gehen,“ meinte Hermine und bog ſich zu
ihrer kleinen Schülerin nieder, um sie herzlich zu küſsſen. Nicht wahr, liebe
Anna, du wirſt lieber béi mir lernen, als bei einer alten brummigen
Gouvernante ?“

Das Kind lachte zuſtimmend, wandte sich aber dann höchst ernsthaft zu
der Mutter: „Lisette lügt, Mama! ſie ſagt, alle Gouvernanten wären häß-
lich und boshaſt. ;: . . Komm aber jetzt mit in Mama's Zimmer, + wandte
es sich wieder zur Hermine, — da iſt's viel besser, als hier, Papa ift nicht zu

Hauſe, er bleibt vierzehn Tage weg; wir trinken heute Abend Alle bei Mama

den Thee. Und nachher zeige ich Dir deine Schlafstube, ich ſchlafe bei Dir.“. ~
„Anna !“ unter brach die Mutter sie mahnend, „wie kannſt du Fräulein Hart-
wig du nennen ?"

(Fortsetzung folgt.)
 
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