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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.121-146 (1.September - 30.September)
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älzer

Erst) int wöchentlith), 8 Mal: Dienſtas, für Htadt

Donnerſtag und Samſtag.
Samſtag den

F 141.



Telegramme.
London. Sänmunllichen F egraume. ci ſind folgende Mitthei-
lungen zugegangen :

Bis marc und Favre verhandelten im Rothſchild'sſchen Land-

ite Terrière.
H. Friedensbedingungen blieben unerörtert. Verhandlungen betra-
sen vorerſt die Frage, ob und wie die eventuelle Vereinbarung mit
dem Provisorium der künftigen Constituante zur Ratification vorge-
legt werde, welche Bürgschaften Deutschland mittlerweile erhalte.
Daily Telegraph glaubt, Favre ſei ermächtigt, 100 Milliönen Pfd.
Kriegsentſchädigungen, Feſtungsſchleifung und als Aeußerſtes die Neu-
traliſirung des Elſaſſes und Lothringens zuzugeſtehen.

Berlin, 22. Sept., 2 Uhr, 30 M. (Officiell.) In Venrſailles
2000 Mobilgarden gefangen. ~ S vres erhielt auf Verlangen
preuß. Garniſon. |
_ Vor Straßburg wieder Lünette 52 beſetzt und behauptet.
5 Kanonen in Lüitette 53 genonimen.

Aus einigen Telegrammen des Königs an die Königin vont
20. September: Geſtern früh die Meldung, daß feindliche Position
nörolich von St. Denis bei Pierr f itt e beim Erſcheinen unserer
Truppen verlaſſen iſte So eben Meldung, daß gestern 5. Corps
und 2. bayriſches Corps nach Seine-Uebergang bei Villene St,
G e or ges ſüdlich Paris 3 Divisionen des Generals Vinoy auf
den Höhen von Sc eaux angegriffen, mit Verluſt von 7 Kanonen,
vielen Gefangenen geschlagen und hinter Forts hinter ( ? auf) Pa-
ris zurückgeworfen haben. Mein siebentes Regiment wieder viele
Verluſte. Friß war zugegen. Wetter seit acht Tagen prächtig.

Vom Belageruugscorps vor Straßburg: Mundolsheim , 20.
Sept. Lunette 53 heute Nachmittag 4'/2 Uhr von Leutnant Mül-
l er vom Garde Füſilierregiment mit Manuſchaften des Garde-Land-

wehrbataillons Cottbus dittch überttiſcheßden Angriff über eben fer- |-

tig gewordenen Damm geno mm en. Feind eröffnete äußerſt leb-
haftes Jufanteriefeuer, was gegen 8 Uhr zum Schweigen gebracht.

Obersſchäffolsheim, 20. Sept. (Vom Specialcorreſp. d. ,„Krlsr.
Ztg.“) Vorige Nacht und den ganzen Vormittag war das Gekrach
des Gesch ü g kam pf es um Straßburg ein derartiges, daß in dem
Schloſſe zu Kolbsheim (über drei Stnnden entfernt) die Fenster zit:
terten, und daß es in dem noch eine Stunde weiter entfernten Wolx-
heimer Thale ſelbſt in den Hällsern wie ein fortwährend rollender
Dontier vernehmbar war. Wie ich erfahre, hat es denn auch an
Opfern nicht gefehlt, und ist u. A. Ingenieurhauptmann K ir ch-
g e ß n ex in den Laufgräben gefallen. :

Die Htimmung im Elsaß.

. D Aus dem Oberlande, 21. Sept. Sie wisſſen, daß ich mich
mit der großen Politik wenig befaſſe, daß ich aber gleichwohl darauf
Anspruch mache, ein geſundes Urtheil in Dingen, die mit der Poli-
tik zuſammenhängen, zu besißen. Indessen drängt es mich doch jetzt,
in Jhrem Blatte, deſſen Haltung mir bollkommen zuſagt, meine An-
ſicht über eine Fragé niederzulegen, die allerdings von hohem poli-
tiſchen Jntereſſe iſt. Dieſe Frage betriffl die unter den Bewohnern
des Clsaſſes herrſchende Stimmung. Wenn man jetzt die neiſten
deutschen Zeitungen lieſt, sd sollte man glauben, daß die Clſäſſer
Jolche fanatiſche Franzoſen wären, daß sie niemals ein deutſches
Kleid anziehen würdin. Aus meiner Erfahrung = ich lebte vielc
Jahre dicht an der Gränze des oberen Elsaſſes + muß ich einer
ſolchen Behauptung nachdrücklich entgegentreten. Es wäre gut, wenn
man dieſen Gegenstand ganz objectiv betrachten würde, wenn alle

Parteirücksichten ſchwiegen, wenn die Bevölkerung im Elsaß nicht im
jeßigen außergewöhnlichen Zuſtande, ſondern so betrachtet würde, wie
: ſie sich in den Zeiten der Ruhe und des Friedens darſtellt. Lasſen

Sie mich von letteren ein treues Bild liefern.

. Man muß vor allem unterſcheiden zwischen der wirklich anſäſ-
ſigett und der fluemirenden Bepölkerung än Elſaß. Letztere , wozu ich
nicht allein die wandernden Arbeiter , ſondern auch das 9
jeglicher Angestellten zähle, zeigt allerdings eine große Erbitterung

Gaths quiet ‘gures "icit ty! das große Wort. Der tiefere
bezüglich der Stiumung jm z. ss g efcuue iu ers. es
der Bauern. Ihre Richtung iſt conſervätiv und nur deßhalb habén
ſie der Napoleoniſchen Herrſchaft den Vorzug gegeben; sie fühlen
ſich auch wohl stolz, der „grande nation“ anzugehören, aber sie



roletäriat |.

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und Land Preis : vierteljährl. 40 kr. ohne
.

Trägerlohn und Poſtaufschlag.
24. September



Ins.-Geb. 2 kr. die Pelitzei e.

1870.









verſchließen keineswegs ihre Augen den horriblen Uebelständen in
Frankreich , sie aneckennen offen die vielen Vorzüge in Deutschland.
Ihre lauteste Beſchwerde geht dahin, daß in Frankreich seit vielen
Jahrzehnten keine festſtehende Regierung iſt, daß im Gegentheil je
nach der Strömung der politiſchen Ansichten unter der pariſer Be-
völkerung ihnen eine Regierungsform aufgedrängt wird, die in ihrem
Gefolge neue Präfecten, Maires und sonstige Würdenträger in zahl-
lböſen Schaaren bringt, die ſelbſtverſtändlich das Eingelebte umwirft
und Neues zu ſchaffen nothwendig hat. Dieses Neue beruht aber
nicht auf der Zuſtimmung der Majorität, sondern es wird eingeführt
par ordre de Mufti. Unfähige, total abhängige Beamte über-
nehmen die Ausführung und diese fuhrt große Unzuträglichkeiten
mit sich. Hiezu kommen die hohen Abgaben und Steuern, die ganz
außer Verhältniß zu den deutſchen ſtehen; inbesondere drücken die
Gebühren des Enregiſtrements, von denen wir uns keinen Begriff
machen, entsetlich hart. Eine ſsteheitde Klage betrifft ferner den
Unterricht. Die Schulen halten keinen Vergleich aus mit den deut-
ſchen, die Disciplin iſt dabei erbärnilich. In gleicher Weiſe gehen
die Beſchwerden dahin, daß der Staat allzu wenig für öffentliche
Zwecke aufwendet und die Sorge hiefür den Bezirken überläßt. So
fällt der Vergleich ziiſchen den Uferbauten am Rhein ganz zum
Nachtheil der französiſchen Regierung aus. Jch könnte noch eine
Reihe weiterer Beſchwerden aufführen, wenn ich nicht fürchten müßte,
meine Mittheilung allzu sehr auszudehnen. Seit einer Reihe von
Jahren wird mir all’ dieses im Umgang mit gebildeten Elſäſſern
in Badenweiler bestätigt. Und so kann ich denn für heute damit
ſchließen: keine deutſche wohl meinende Regierung hat
die Annexion des ganzen oder eines Theiles des El-

sasses zu fürchten; die Bevölkerung wird ſchneller

deutſch s ein, als sie es iſt in Posen.

! Deutſchland.

* Heidelberg, 22. Sept. Die Herren Lasker, Bennigsen
u. s. w. waren in München, um für die Ausdehnung des Nordbun-
des ihre Neße auszuwerfen und es iſt ihnen in der That dabei
gelungen, einige Reden zu reden, wie dies nicht anders sein kann,
wenn man die Namen Lasker uttd Bennigſen liest. ZJndeſſen deu-
ten alle Anzeichen darauf hin, daß die Herren durchaus nicht zufrie-



den niit dem Erfolge ihter Bemühungen von dort abgereiſt sind;

wir schließen dies namentlich mit Sicherheit aus der Mittheilung
nationalliberaler Blätter, wornach die Gemeinderäthe der größeren

_ Städte Bayerns von dem Anhange dieser Herren aufgefordert wer-

den sollen, eine Preſſion auf die Regierung zu Gunſten des Ein-
tritts Bayerns in den Nordbund in Scene zu seßzen. Es ist das
ein beliebtes Hausinittelchen der Partei jener Herren, das da und
dort — wir vermeiden Exempel –~ ſchon einige Früchte getragen
hat. Wären die Herren Lasker und Bennigsen sehr charmirt von
der Aufnahme bei dem Graten Bray gewesen, so wäre jetzt nicht
der Noilhſchrei nach der Beihülfe der doch keineswegs zu politischen
Zwecken exiſtirenden Stadtrtäthe zur Welt gekommen. Troy all’ die-
ſen Agitationen kann aber darüber kein Zweifel sein, daß Bayern
wohl für eine großartige deutſche Schöpfung alle erforderlichen Opfer
bringen wird, daß es dagegen, um mit dem Berliner Correſponden-
ten der Kölniſchen Volkszeitung zu réden, „nicht daran denkt, in
deu Nordbund einzutreten, auf seine Militärhoheit zu verzichten, das
Recht der diplomatischen Vertretung aufzugeben und sein Poſt- und
Telegraphenweſen dem preußiſchen Muſter unterzuordnen.“ HDas-
ſelbe sagt in nachdrucksvollſter Weise éine offenbar officiöse Corre-
ſspondenz der Augsburger Allgemeinen Zeitung, die vollſtändig die
Aunſchauungen wiedergibt, welche wir öfter schon im Pfälzer Boten
unseren Leſern auszuführen ſuchten, und aus der wir klar erſehen,
daß man in München nichts wiſſen mag von dem Beitritt zum
Nordbund, sondern daß man an Stelle des aufzulöſenden Nordbundes
einen wahrhaft deut ſchen Bund hergeſtellt haben will.

. HùHEs iſt das“, fügt die Correſpoitdenz bei, „kein Streit um des
Kaisers Bart. Denn nicht um den Namen oder die Form handelt
és sich, ſondern um den Kern und die Sache. So gut an die
Farben Schwarz - Roth : Gold ein auderér Begriff sich knüpft als an die
von Schwarz - Roth- Weiß ~ ein Unterſchied, welcher bekanntlich
betont worden iſt — ébenſo wird unter dem Ausdruck des künftigen



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„Deutſchen Bundes“ ein von dem gegenwärtigen „Rorbdeutſchen
Bund" weſentlich Verſchiedenes zu verstehen ſein. Es konnten die
 
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